Entscheidungsstichwort (Thema)
Treu und Glauben bei der Geltendmachung eines Anspruchs aus § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980
Leitsatz (NV)
1. Die entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 2 UStG 1980 auf die Fälle des gesonderten Steuerausweises durch Nichtunternehmer, die sich irrtümlich für Unternehmer halten, ist ausgeschlossen.
2. Hat das FA es unterlassen, den Geschäftsführer einer GmbH auf seine fehlende Unternehmereigenschaft aufmerksam zu machen, und weist der Geschäftsführer deshalb weiterhin in Rechnungen über seine Vergütung Umsatzsteuer gesondert aus, ist das FA gegebenenfalls mangels einer nachteiligen Vertrauensfolge beim Steuerpflichtigen/Geschäftsführer nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, die ausgewiesenen Steuern gemäß § 14 Abs. 3 Satz 2 UStG 1980 geltend zu machen.
3. Im Verfahren wegen Rechtmäßigkeit einer Steuerfestsetzung kann eine Aussetzung der Vollziehung nicht unter Berufung auf eine gem. §§ 163, 227 AO 1977 gebotenen Billigkeitsmaßnahme verlangt werden.
Normenkette
AO 1977 §§ 4, 163, 227; UStG 1980 § 14 Abs. 3 S. 2; FGO § 69 Abs. 3
Tatbestand
Der Antragsteller und Beschwerdeführer (Antragsteller) war von 1981 bis April 1989 Geschäftsführer einer GmbH. Da er seine Arbeitsleistung für die GmbH als selbständige Tätigkeit ansah, stellte er der GmbH Rechnungen über seine Vergütung aus, in denen er Umsatzsteuer gesondert auswies. Die Umsatzsteuer führte er ab. Der Antragsgegner und Beschwerdegegner (das Finanzamt - FA -) setzte mit Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 1983 bis 1985 und 1987 gemäß § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 Umsatzsteuer gegen den Antragsteller fest. Für 1986 ergab sich eine Erstattung. Über den Einspruch gegen diese Bescheide hat das FA noch nicht entschieden.
Nach Ablehnung der Aussetzung der Vollziehung durch das FA beantragte der Antragsteller gemäß § 69 Abs. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO) beim Finanzgericht (FG) Aussetzung der Vollziehung der Umsatzsteuerbescheide für 1983 bis 1987. Das FG lehnte den Antrag ab, weil keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verwaltungsakte bestünden und die Vollziehung keine unbillige Härte zur Folge hätte. Der Antragsteller sei als Geschäftsführer der GmbH nicht Unternehmer gewesen. Er habe den Steuerausweis in den Rechnungen nicht berichtigen können, weil die GmbH in Konkurs gefallen sei, bevor die Folgen des unrichtigen Steuerausweises hätten ausgeräumt werden können. Obwohl das FA durch sein Verhalten den Antragsteller in der fehlerhaften Beurteilung seiner Unselbständigkeit bestätigt habe, sei es nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben an der Festsetzung der Steuer gehindert. Eine die Aussetzung der Vollziehung rechtfertigende unbillige Härte sei nicht erkennbar, weil die Zusammenfassung der Steuerfestsetzungen (nach Abrechnung der Vorauszahlungen) zu einer Erstattung führe.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgt der Antragsteller sein Aussetzungsbegehren weiter. Er macht die Rechtswidrigkeit der Steuerfestsetzung geltend. Das FA handle rechtsmißbräuchlich; denn vor Konkurseröffnung über das Vermögen der GmbH hätte das FA bei zwei Betriebsprüfungen und bei dem gegen ihn - den Antragsteller - durchgeführten Strafverfahren der behördlichen Verpflichtung nachkommen müssen, auf seine Arbeitnehmereigenschaft hinzuweisen. Aus diesem Grunde sei auch eine Billigkeitsmaßnahme gemäß §§ 163, 227 der Abgabenordnung (AO 1977) geboten gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet und wird zurückgewiesen. Die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzungen ist nicht ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO.
1. Das FA hat die Steuerfestsetzungen darauf gestützt, daß der Antragsteller nicht Unternehmer und somit auch nicht berechtigt war, Steuer gesondert auszuweisen (§ 14 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 UStG 1980). Ernstliche Zweifel am Vorliegen dieser Tatbestandsvoraussetzungen hat das FG zutreffend verneint.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 8. Dezember 1988 V R 28/84, BFHE 155, 427, BStBl II 1989, 250) bestand für den Antragsteller keine Berichtigungsmöglichkeit, da eine entsprechende Anwendung des § 14 Abs. 2 UStG 1980 auf die Fälle des gesonderten Steuerausweises durch Nichtunternehmer, die sich irrtümlich für Unternehmer halten, ausgeschlossen ist.
2. Das FA ist nicht nach dem Grundsatz von Treu und Glauben gehindert, den Steueranspruch geltend zu machen. Der Antragsteller beruft sich insoweit darauf, das FA habe durch sein Verhalten in den beiden Betriebsprüfungen und in dem Steuerstrafverfahren einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der den Steueranspruch hindere. Der Senat läßt dahinstehen, ob ein Vertrauenstatbestand schon deshalb nicht angenommen werden kann, weil der Antragsteller dem FA nicht alle für die steuerliche Beurteilung maßgeblichen Umstände dargelegt hat. Jedenfalls scheitert die Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben im Streitfall am Fehlen einer dem Antragsteller nachteiligen Vertrauensfolge des behördlichen Verhaltens. Denn der Antragsteller hat nicht vorgetragen, nachteilige Dispositionen getroffen oder vorteilhafte Dispositionen unterlassen zu haben. Hierzu hätte er darlegen müssen, sein Vergütungsanspruch gegen die GmbH wäre bei Unterlassen des Steuerausweises nicht um den Betrag der Umsatzsteuer gemindert worden bzw. bei einer Berichtigung der Rechnungen, die ggf. vom FA im Billigkeitswege anerkannt worden wäre, hätte er nicht einen Betrag in Höhe der ausgewiesenen Umsatzsteuer an die GmbH zurückzahlen müssen. Nur unter diesen genannten Voraussetzungen, die nicht dem Regelfall entsprechen, hätte der Antragsteller einen Vorteil ziehen können, wenn das FA ihn auf seine Nichtunternehmerschaft hingewiesen hätte.
3. Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger, nicht durch öffentliche Interessen gebotener Härte i.S. des § 69 Abs. 2 Satz 2 FGO setzt voraus, daß dem Steuerpflichtigen durch die Zahlung Nachteile drohen, die über die eigentliche Zahlung hinausgehen und die nicht oder schwer wiedergutzumachen wären, oder daß die wirtschaftliche Existenz durch die Zahlung gefährdet würde (Beschluß des Bundesfinanzhofs vom 19. April 1968 IV B 3/66, BFHE 92, 314, BStBl II 1968, 538, unter B. V.). Derartige Umstände sind im Streitfall nicht vorgetragen worden.
4. Aussetzung der Vollziehung gemäß § 69 Abs. 3 FGO kann nicht unter Berufung auf eine gemäß §§ 163, 227 AO 1977 gebotene Billigkeitsmaßnahme verlangt werden. Denn vorläufiger Rechtsschutz kommt nur aus den Gründen in Betracht, auf die das Rechtsschutzbegehren in der Hauptsache gestützt werden kann. Im Verfahren wegen Rechtmäßigkeit der Umsatzsteuerfestsetzungen kann jedoch nicht über Billigkeitsmaßnahmen gemäß §§ 163, 227 AO 1977 befunden werden.
Fundstellen
Haufe-Index 419054 |
BFH/NV 1994, 422 |