Entscheidungsstichwort (Thema)
Gewinnerzielungsabsicht bei einem hinsichtlich der Haupttätigkeit defizitären Betrieb gewerblicher Art ‐ Einlage von Aktien in das Betriebsvermögen zur Verrechnung der Aktienerträge mit Verlusten aus der Haupttätigkeit
Leitsatz (NV)
Legt eine Trägerkörperschaft zur Verbesserung der Ertragslage ihres Betriebs gewerblicher Art Aktien in das Betriebsvermögen ein, um die in der Vergangenheit ausgewiesenen Verluste des Betriebs künftig mit den Erträgen aus den Aktien verrechnen zu können, erhöhen die Erträge aus den Aktien auch gewerbesteuerrechtlich den Gewinn des Betriebs gewerblicher Art.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1 Sätze 1-2, § 3 Nrn. 6, 13; EStG § 15 Abs. 2; GewStDV § 2 Abs. 1 S. 1
Tatbestand
I. Der Antragsteller und Beschwerdegegner (Antragsteller) ―eine Gebietskörperschaft― unterhält als zwei Betriebe gewerblicher Art (BgA) eine Musikschule und eine Volkshochschule. Beide Betriebe waren über Jahrzehnte verlustbehaftet und auf Zuschüsse des Antragstellers angewiesen. Die vorzutragenden Verluste betrugen Ende 1997 ca. … DM bzw. … DM. Um die Ertrags- und Vermögenslage der BgA zu verbessern, beschloss der Kreistag des Antragstellers im April 1998, den weit überwiegenden Teil der dem Antragsteller gehörenden Aktien in die BgA einzulegen. Entsprechend diesem Beschluss legte der Antragsteller mit Wirkung zum 1. Januar 1998 Aktien, die er außerhalb eines BgA gehalten hatte, im Kurswert von ca. … DM in den BgA Musikschule und im Kurswert von ca. … DM in den BgA Volkshochschule ein. Die Aktien wurden in den Bilanzen der BgA ab 1. Januar 1998 als Finanzanlagen ausgewiesen. Da die Erträge dieser Finanzanlagen höher als die Verluste der BgA aufgrund ihrer jeweiligen Haupttätigkeiten waren, erzielten beide BgA im Erhebungszeitraum 1998 (Streitjahr) und auch in den Folgejahren hohe Jahresüberschüsse.
Der Antragsgegner und Beschwerdeführer (das Finanzamt ―FA―) vertrat die Auffassung, die beiden BgA würden ab dem Streitjahr mit Gewinnerzielungsabsicht unterhalten und unterlägen daher der Gewerbesteuer. Er setzte deshalb für das Streitjahr einen Gewerbesteuermessbetrag von … DM für den BgA Musikschule und einen Gewerbesteuermessbetrag von … DM für den BgA Volkshochschule fest (Gewerbesteuermessbescheide vom 14. September bzw. 7. November 2000). Gegen die Bescheide legte der Antragsteller form- und fristgerecht Einsprüche ein, über die bisher noch nicht entschieden wurde. Gleichzeitig beantragte er, die Vollziehung der Bescheide wegen ernstlicher Zweifel an der Rechtsmäßigkeit der Verwaltungsakte auszusetzen.
Das FA lehnte eine Aussetzung der Vollziehung ab (Verwaltungsakte vom 23. und 27. November 2000). Dem daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellten Antrag auf Aussetzung der Vollziehung entsprach das FG (Beschluss vom 21. Februar 2002).
Mit der Beschwerde beantragt das FA sinngemäß, den Beschluss des FG aufzuheben und die Anträge auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide vom 14. September und 7. November 2000 abzulehnen.
Der Antragsteller beantragt sinngemäß, die Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die vom FG zugelassene (§ 128 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―) und vom FA form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist begründet. Der Beschluss des FG war aufzuheben und der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Gewerbesteuermessbescheide abzulehnen. Die Rechtmäßigkeit der Bescheide ist entgegen der Auffassung des Antragstellers und des FG nicht ernstlich zweifelhaft i.S. des § 69 Abs. 2 FGO.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO ist die Vollziehung eines angefochtenen Steuermessbescheides auf Antrag vom Gericht auszusetzen, soweit ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen oder ―was im Streitfall nicht in Betracht kommt― seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines Bescheides bestehen, wenn und soweit bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund der präsenten Beweismittel, des unstreitigen Sachverhalts und der gerichtsbekannten Tatsachen erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen der Bescheid als rechtswidrig erweisen könnte (s. Bundesfinanzhof ―BFH―, Beschlüsse vom 25. Juli 1994 I B 241/93, BFH/NV 1995, 334; vom 8. August 2001 I B 40/01, BFH/NV 2001, 1536).
2. Im Streitfall ergibt diese summarische Prüfung, dass keine Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen und Unsicherheiten oder Unentschiedenheiten in der Beurteilung von Rechtsfragen bestehen, die Zweifel an der Rechtmäßigkeit der mit Einspruch angefochtenen Gewerbesteuermessbescheide begründen.
a) Zutreffend gehen die Verfahrensbeteiligten davon aus, dass die BgA Musikschule und Volkshochschule gemäß § 2 Abs. 1 Sätze 1 und 2 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) i.V.m. § 15 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und § 2 Abs. 1 Satz 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) im Streitjahr nur dann der Gewerbesteuer unterliegen, wenn sie mit Gewinnerzielungsabsicht betrieben wurden (s. Senatsurteil vom 27. Juni 1990 I R 166/85, BFH/NV 1991, 628) und für sie keine sachliche Steuerbefreiung gilt. Unter Gewinnerzielungsabsicht ist dabei ―auch dies ist zwischen den Beteiligten nicht streitig― die Absicht zu verstehen, einen Totalgewinn zu erzielen (s. Senatsurteile in BFH/NV 1991, 628; vom 16. Dezember 1998 I R 137/97, BFH/NV 1999, 1250).
b) Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten betrieb der Antragsteller in den Jahren vor dem Streitjahr die beiden BgA ohne Gewinnerzielungsabsicht. Dafür spricht, dass der Antragsteller in diesen Jahren durch die BgA erhebliche Verluste erlitt, da die Aufwendungen für den Schulbetrieb bei weitem nicht durch die Kursgebühren und anderen Einnahmen der BgA (z.B. Zuschüsse des Antragstellers und des Landes) gedeckt wurden, und dass der Antragsteller die verlustbehafteten Betriebe dennoch über Jahrzehnte weiterführte. Im Jahr 1997 ―dem Jahr vor der Einlage der Aktien― überstiegen z.B. die Aufwendungen des BgA Musikschule die Einnahmen um ca. … DM (Teilnehmerentgelte ca. … DM, Zuweisungen/Zuschüsse ca. … DM, Ausgaben ca. … DM). Das Defizit des BgA Volkshochschule betrug 1997 ca. … DM (Teilnehmerentgelte ca. … DM, Zuweisungen und Zuschüsse ca. … DM, sonstige Einnahmen ca. … DM, Ausgaben ca. … DM).
Nicht erörtert haben die Verfahrensbeteiligten bisher jedoch, ob die in den Jahren vor dem Streitjahr entstandenen Verluste die Folge verdeckter Gewinnausschüttungen (vGA) waren. Für die Annahme von vGA könnte sprechen, dass das Verhältnis zwischen einem BgA und seiner Trägerkörperschaft steuerrechtlich wie das zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Alleingesellschafter beurteilt wird und ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einer Kapitalgesellschaft die Musikschule und die Volkshochschule nur betrieben hätte, wenn ihm die Gesellschafter, in deren Interesse die Schulen unterhalten werden, den Ausgleich der Verluste und einen Gewinnaufschlag zugesagt hätten.
Im Streitfall kann diese Frage jedoch ―da nicht entscheidungserheblich― offen bleiben. Ob die BgA in den Jahren bis zum Streitjahr der Gewerbesteuer unterlagen, ist nur in Bezug auf den etwaigen Verlustabzug gemäß § 10a GewStG im Streitjahr von Bedeutung. Sollten die BgA vor dem Streitjahr ohne Gewinnerzielungsabsicht betrieben worden sein, scheidet ein Abzug der vor dem Streitjahr entstandenen Fehlbeträge aus, da sie in der Zeit vor Eintritt in die Steuerpflicht entstanden sind. Ist aufgrund von vGA die Gewinnerzielungsabsicht zu bejahen, führt der Ansatz der vGA dazu, dass keine Fehlbeträge auszuweisen sind.
c) Durch die Einlage der Aktien änderte sich die Ertragslage der Betriebe grundlegend. Aus den dem beschließenden Senat vorliegenden Gewinn- und Verlustrechnungen ergeben sich dazu im Wesentlichen für die Jahre 1998-2000 folgende auf TDM abgerundeten Jahresüberschuss-Beträge: …
Diese Zahlen und die Art und der Wert der eingelegten Wirtschaftsgüter lassen bei summarischer Prüfung der Sachlage nur den Schluss zu, dass der Antragsteller jedenfalls ab dem Zeitpunkt des Beschlusses seines Kreistages über die Einlage der Aktien die beiden BgA mit Gewinnerzielungsabsicht betrieb.
Im Zeitpunkt der Beschlussfassung war bereits absehbar, dass die künftigen jährlichen Erträge der eingelegten Aktien weit höher als die bisherigen jährlichen Defizite des jeweiligen BgA sein würden und dass die BgA somit aufgrund der Erträge aus den Finanzanlagen auch nach deren Saldierung mit den Erträgen der weiterhin verlustbringenden Schulbetriebe Gewinne erzielen würden. Hauptzweck der Einlagen war zwar offensichtlich, die Verluste der Schulbetriebe mit den Erträgen aus den Finanzanlagen verrechnen zu können und dadurch aufgrund der im Streitjahr bestehenden Rechtslage und der körperschaftsteuerrechtlichen Verlustvorträge eine volle Erstattung der anrechenbaren Steuern sowie der Kapitalertragsteuer zu erreichen (s. dazu Dötsch in Dötsch/ Eversberg/Jost/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 4 KStG n.F. Rz. 2). Die Zuordnung der Aktien zu den Betriebsvermögen der BgA ist deshalb jedoch nicht missbräuchlich i.S. des § 42 der Abgabenordnung ―AO 1977― (vgl. Senatsurteil vom 17. Oktober 2001 I R 97/00, BFHE 197, 63, BFH/NV 2002, 240). Sie hat aber zwangsläufig zur Folge, dass die Erträge dieses gewillkürten Betriebsvermögens Teil des Gewinns der BgA sind. Dies entsprach ―zumindest als Nebenzweck der Einlagen― auch der Absicht des Antragstellers, da durch die Einlage der Aktien in die BgA die Ertragslage der Betriebe gerade verbessert werden sollte.
Aufgrund der Höhe der Erträge der eingelegten Aktien und der absoluten Höhe der jeweiligen Finanzanlagen ist der Schluss gerechtfertigt, dass bei Fortführung der BgA im bisherigen Umfang die Erträge der Finanzanlagen auf Dauer die Defizite der Schulbetriebe übersteigen werden und daher durch jeden der BgA ein Totalgewinn erzielt werden wird. Der Antragsteller hat nicht behauptet, es sei geplant, die Leistungen der BgA so auszuweiten und/oder die Teilnehmerentgelte so zu senken, dass keine Jahresüberschüsse mehr entstehen und die künftigen Verluste die seit 1998 erzielten Gewinne aufzehren werden.
d) Es besteht entgegen der Auffassung des FG auch keine Unsicherheit hinsichtlich der Beurteilung der Rechtsfrage, ob die BgA gemäß § 3 Nr. 6 GewStG sachlich von der Gewerbesteuer befreit sind. Diese Frage ist eindeutig zu verneinen. Eine unmittelbare oder entsprechende Anwendung des § 3 Nr. 6 GewStG ist bereits dadurch ausgeschlossen, dass die BgA nicht die satzungsmäßigen Voraussetzungen der Steuerbefreiung erfüllen. Zudem sind die BgA wirtschaftliche Geschäftsbetriebe, die von der sachlichen Steuerbefreiung ausgenommen sind (§ 3 Nr. 6 Satz 2 GewStG).
Die Rechtsfrage, ob die BgA aufgrund einer entsprechenden Anwendung des § 3 Nr. 13 GewStG sachlich von der Gewerbesteuer befreit sind, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich. Selbst wenn die Vorschrift entsprechend anwendbar sein sollte, wären die BgA nur hinsichtlich ihrer durch den Schulbetrieb erzielten Gewerbeerträge von der Gewerbesteuer befreit. Diese sind jedoch unstreitig negativ.
Fundstellen
Haufe-Index 782006 |
BFH/NV 2002, 1341 |