Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordnungsgeld gegen Zeugen (Steuerberater)
Leitsatz (NV)
1. Die Verjährung des gegen einen nicht erschienenen Zeugen festgesetzten Ordnungsgelds tritt nicht vor dem rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens ein.
2. Das Ordnungsgeld kann dem oberen Bereich des Betragsrahmens entnommen werden, wenn der Zeuge (Steuerberater) seine wirtschaftlichen Verhältnisse nicht in geeigneter Weise darlegt und ein Büroversehen bei der Versäumung des Zeugentermins ausscheidet.
Normenkette
ZPO §§ 380-381; EGStGB Art. 6, 9
Tatbestand
Die Sache befindet sich im dritten Rechtsgang.
Steuerberater P (Beschwerdeführer), gleichzeitig Prozeßbevollmächtigter der Kläger, war ordnungsgemäß als Zeuge zu der münd lichen Verhandlung am 9. Februar 1988 ge laden worden. Als er ausblieb, setzte das Finanzgericht (FG) gegen ihn ein Ordnungsgeld von 800 DM, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft, fest und erlegte ihm die durch sein Ausbleiben verursachten Kosten auf. Die Beschwerde hatte Erfolg. Der erkennende Senat hob den FG-Beschluß auf und verwies die Sache an das FG zurück (Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 1. Juni 1988 X B 41/88, BFHE 153, 310, BStBl II 1988, 838). Der Senat führte aus: Werde das Ordnungsgeld wie hier dem oberen Bereich des Betragsrahmens entnommen, bedürfe die Festsetzung einer besonderen Begründung; abzustellen sei insbesondere auf die Bedeutung der Rechtssache sowie die Bedeutung der Aussage für die Entscheidung, ferner auf die Schwere der Pflichtverletzung und die wirschaftlichen Verhältnisse des Zeugen. Das FG erneuerte mit Beschluß vom 2. März 1990 den Tenor seines aufgehobenen Beschlusses. Der erkennende Senat hob auch diese Entscheidung auf und verwies die Sache erneut an das FG zurück (BFH-Beschluß vom 6. August 1990 X B 116/90, BFH/NV 1991, 255): Es sei dem Vorbringen des Beschwerdeführers nachzugehen, daß er lediglich wegen eines Büroversehens nicht zum Termin erschienen sei; sollte dies zutreffen, sei die Annahme eines höheren Verschuldensgrades nicht gerechtfertigt.
Im dritten Rechtsgang erließ das FG am 13. Oktober 1994 einen Beschluß, der den Tenor der aufgehobenen Beschlüsse wiederholte. Das FG führte aus: Die Festsetzung eines Ordnungsgeldes von 800 DM -- also im oberen Bereich des gesetzlichen Betragsrahmens -- sei angemessen. Der Senat halte die Entschuldigung des Beschwerdeführers, der Termin vom 9. Februar 1988 sei wegen Arbeitsüberlastung nicht im Terminbuch eingetragen und deshalb versäumt worden, nicht für glaubhaft. Ein solcher Termin habe in einer Praxis von geringer Größe eine herausragende Bedeutung, so daß er selbst ohne Eintragung nur schwer vergessen werden dürfte. Es bestehe nach wie vor der Verdacht, daß der Beschwerdeführer den Termin vorsätzlich nicht wahrgenommen habe. Dieser Verdacht ergebe sich daraus, daß der Beschwerdeführer hinsichtlich des Einwurfs des Einspruchsschreibens zunächst unrichtige Angaben gemacht habe. Weitere Ermittlungen zu den wirtschaftlichen Verhältnissen des Beschwerdeführers seien nicht angebracht; dieser habe eine zeitnahe Aufklärung mit großer Zähigkeit behindert.
Der Beschwerdeführer macht mit der erneuten Beschwerde geltend: Der angegriffene Beschluß sei nichtig, weil die im Tenor auch als Prozeßbevollmächtigte bezeichnete Steuerberaterin X nicht bestellt gewesen sei. Der Anspruch auf Festsetzung des Ordnungsgeldes sei verjährt. Er habe sich wegen des Nichterscheinens entschuldigt; es könne ihm nicht angelastet werden, daß die Entschuldigung nicht in das Protokoll aufgenommen worden sei. Die Aufforderung des FG, er solle seine wirtschaftlichen Verhältnisse anhand eines Vordrucks für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe (PKH) darstellen, setze den Berufsstand der Steuerberater in unzumutbarer Weise herab. Zu Unrecht habe das FG angenommen, seine Praxis sei von geringer Größe gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unbegründet.
1. Unerheblich ist, ob das FG die Prozeßbevollmächtigten in dem Ausgangsverfahren, in dem der Beschwerdeführer als Zeuge aussagen sollte, richtig bezeichnet hat. Der Beschwerdeführer wird hier als Zeuge in Anspruch genommen; er ist von den Modalitäten des Hauptverfahrens nicht berührt. Im übrigen hat das FG als Prozeß bevollmächtigte des Ausgangsverfahrens, soweit ersichtlich, zutreffend den Beschwerdeführer und seine damalige Mitgesellschafterin aufgeführt.
2. Verjährung ist nicht eingetreten. Die Festsetzung von Ordnungsgeld und Ordnungshaft verjährt in zwei Jahren (Art. 9 Abs. 1 des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch -- EGStGB --).
Die Verjährung begann mit der Beendigung der Handlung -- also dem Nichterscheinen des Beschwerdeführers im Termin am 9. Februar 1988 --. Die Ordnungsmittel sind zeitnah innerhalb der Zweijahresfrist noch am 9. Februar 1988 festgesetzt worden. Diese Festsetzung wirkt bis heute fort. Unerheblich ist, daß der Senat die Festsetzungsbeschlüsse zweimal aufgehoben hat. Infolge der Zurückverweisung blieb das ursprüngliche Festsetzungsverfahren anhängig. Es gilt der allgemeine Grundsatz, daß, sofern eine Festsetzung im ersten Rechtsgang ergangen ist, eine Festsetzungsverjährung nicht vor dem Zeitpunkt abläuft, in dem das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen ist (vgl. für die Strafverfolgung § 78 Abs. 3 des Strafgesetzbuches -- StGB --, für die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten § 32 Abs. 2 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten -- OWiG --). Auch Vollstrekungsverjährung ist nicht eingetreten, weil die festgesetzten Ordnungsmittel erst mit der Rechtskraft dieses Beschlusses vollstreckbar werden (Art. 9 Abs. 2 EGStGB, § 380 Abs. 3, § 572 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung -- ZPO --).
3. Bereits die zurückverweisenden Beschlüsse des Senats im ersten und zweiten Rechtsgang gingen davon aus, daß der Beschwerdeführer sein Ausbleiben im Termin vom 9. Februar 1988 nicht genügend entschuldigt hat (§ 381 Abs. 1 ZPO). Der Behauptung des Beschwerdeführers, er habe sich in dem Termin vom 9. Februar 1988 entschuldigt, ist nicht mehr nachzugehen, zumal das Protokoll eine solche Entschuldigung nicht aufführt. Das FG hatte sonach lediglich noch darüber zu befinden, ob es das Ordnungsgeld dem oberen Rahmen des von 5 DM bis 1000 DM gehenden Betragsrahmens (Art. 6 Abs. 1 Satz 2 EGStGB) entnehmen durfte. Die Erwägungen, die das FG hierzu im angegriffenen (dritten) Beschluß angestellt hat, sind im Ergebnis nicht zu beanstanden.
Der Senat kann dahingestellt sein lassen, ob das FG den Beschwerdeführer auffordern durfte, seine wirtschaftlichen Verhältnisse auf einem Vordruck für die Gewährung von PKH darzulegen. Geht man mit dem Beschwerdeführer davon aus, daß eine solche Aufforderung für ihn als Steuerberater nicht zumutbar war, hätte er seine wirtschaftlichen Verhältnisse in geeigneter anderer Weise darlegen müssen. Dies ist nicht geschehen. Seine Ausführungen in der Beschwerdeschrift zur Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse seiner Praxis 1987/88 sprechen dafür, daß der für 1986 ausgewiesene Verlust auf Sonder einflüsse (Einführung eines Computer systems) zurückzuführen war und in der Folgezeit angemessene Ergebnisse erwirtschaftet werden konnten.
Das FG hat zu Recht ein Büroversehen bei der Wahrnehmung der Zeugenladung verneint. Seine Annahme, dem Beschwerdeführer habe sich der Vorfall bei dem "geringen Umfang" seiner Praxis einprägen müssen, ist nicht zu beanstanden. Die Darlegungen der Beschwerdeschrift zum Umfang der Praxis 1986 bis 1988 stehen dieser Erwägung nicht entgegen. Die angeführten Zahlen (Umsätze bis 500 000 DM, acht bis zehn Mitarbeiter, starker eigener Arbeitseinsatz) belegen allenfalls eine Durchschnittspraxis, für die der vom FG angezogene Erfahrungssatz, daß eine Zeugenladung des Chefs ungewöhnlich sei, ebenso gilt.
Das FG hat seinen Beschluß auch auf die Erwägung gestützt, der Verdacht sei nicht ausgeräumt, daß der Beschwerdeführer vorsätzlich und in grob standeswidriger Weise der Zeugenvernehmung ferngeblieben sei. Das FG hat diesen Verdacht aus dem Verhalten des Beschwerdeführers und seinen Einlassungen im Ausgangsverfahren hergeleitet. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den geäußerten Verdacht lediglich mit allgemeinen Ausführungen, ohne auf die Umstände einzugehen, aus denen das FG seinen Verdacht hergeleitet hat. Eine Überprüfung des FG-Beschlusses ist insoweit weder veranlaßt noch möglich.
Nicht nachprüfbar bestritten wird schließlich die Annahme des FG, der Streitwert des Ausgangsverfahrens habe ca. 10 000 DM betragen. Sollte der Beschwerdeführer damit dartun wollen, daß das Ausgangsverfahren einen erheblich niedrigeren Streitwert gehabt habe und deswegen von geringer Bedeutung gewesen sei, wäre es seine Sache gewesen, den Streitwert zu konkretisieren. Abgesehen davon läßt sich von der Höhe des Streitwerts nicht immer auf die Bedeutung der Rechtssache schließen.
Fundstellen