Entscheidungsstichwort (Thema)
Beitrittsaufforderung an BMF: Gemeinnützigkeit durch Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben
Leitsatz (amtlich)
Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten, um zu der Frage Stellung zu nehmen, ob eine Kapitalgesellschaft, die öffentlich-rechtliche Pflichtaufgaben ihrer Gesellschafter wahrnimmt, selbstlos und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt.
Normenkette
KStG § 5 Abs. 1 Nr. 9; AO 1977 §§ 52, 55, 57, 58 Nr. 3; KHG § 17b
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, wurde mit Gesellschaftsvertrag gegründet. Am Stammkapital sind … beteiligt.
Nach ihrem Gesellschaftsvertrag verfolgt die Klägerin ausschließlich und unmittelbar gemeinnützige Zwecke i.S. der Abgabenordnung (AO 1977). Ihr Gesellschaftszweck, ist die den Gesellschaftern nach Maßgabe des Krankenhausfinanzierungsgesetzes ―KHG― (BGBl I 1991, 887) übertragene Aufgabe wahrzunehmen.
Der Gesellschaftsvertrag sieht weiter vor, dass die Klägerin selbstlos tätig ist und nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt. Die Gesellschafter beziehen keine Gewinnanteile und auch keine sonstigen Zuwendungen aus Mitteln der Gesellschaft. Sie erhalten bei ihrem Ausscheiden, bei Auflösung der Klägerin oder bei Wegfall der Gemeinnützigkeit nicht mehr als ihre eingezahlten Kapitalanteile und den gemeinen Wert ihrer geleisteten Sacheinlagen zurück.
Nach … des Vertrages bildet die Gesellschafterversammlung als permanentes fachliches Steuerungsgremium für die Klägerin einen Ausschuss. Die Klägerin darf Handlungen, die über den gewöhnlichen Umfang des Geschäftsbetriebes hinausgehen, nur mit vorheriger Zustimmung des Ausschusses vornehmen. Zustimmungsbedürftig im Sinne dieser Regelung sind insbesondere alle wesentlichen Entscheidungen zu den Grundstrukturen des Vergütungssystems nach § 17b KHG, des Verfahrens zur Ermittlung der Bewertungsrelationen sowie zur laufenden Pflege des Systems auf Bundesebene.
Hintergrund der Gründung der Klägerin ist die mit dem Gesetz zur Reform der gesetzlichen Krankenversicherung ab dem Jahr 2000 (GKV-Gesundheitsreformgesetz 2000) vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2626) eingeführte Regelung in § 17b KHG. Darin wurde den Selbstverwaltungspartnern auf Bundesebene die Aufgabe übertragen, die Einzelheiten eines pauschalierenden Vergütungssystems für allgemeine voll- und teilstationäre Krankenhausleistungen zu vereinbaren (§ 17b Abs. 2 KHG). Das System sollte nach den gesetzlichen Vorgaben ab dem 1. Januar 2003 zur Anwendung kommen. § 17b Abs. 4 KHG i.d.F. vom 22. Dezember 1999 sieht vor, dass die Bundesregierung den Inhalt des Vergütungssystems durch Rechtsverordnung bestimmt, falls bis zum 30. Juni 2000 eine Vereinbarung der Selbstverwaltungspartner über die Grundstrukturen des Vergütungssystems nicht zu Stande kommt.
Die Selbstverwaltungspartner hatten sich bereits in der "Vereinbarung über die Einführung eines pauschalierenden Entgeltsystems nach § 17b KHG" … darauf verständigt, dass die im Zusammenhang mit der Systemeinführung erforderlichen komplexen Arbeiten nur in einer strukturierten Organisationsform erledigt werden könnten. Die Vereinbarung sieht vor, dass sich die Vertragspartner zur Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach § 17b Abs. 2 und Abs. 3 KHG eines X bedienen. In Vollzug dieser Vereinbarung wurde die Klägerin gegründet.
Zuvor war durch das "Gesetz zur Änderung des Krankenhausfinanzierungsgesetzes und der Bundespflegesatzverordnung (DRG-Systemzuschlags-Gesetz)" vom 27. April 2001 (BGBl I 2001, 772) § 17b KHG auf entsprechende Anregung der Selbstverwaltungspartner durch Einfügung eines 5. Absatzes wie folgt ergänzt worden:
"Zur Finanzierung der ihnen übertragenen Aufgaben nach den Absätzen 1 und 3 vereinbaren die Vertragsparteien nach Abs. 2 Satz 1
1. einen Zuschlag für jeden abzurechnenden Krankenhausfall, mit dem die Entwicklung, Einführung und laufende Pflege des zum 1. Januar 2003 einzuführenden Vergütungssystems finanziert werden (DRG-Systemzuschlag). Der Zuschlag dient der Finanzierung insbesondere der Entwicklung der DRG Klassifikation und der Kodierregeln, der Ermittlung der Bewertungsrelationen, der Bewertung der Zu- und Abschläge und der Vergabe von Aufträgen, auch soweit die Vertragspartner die Aufgaben durch ein eigenes DRG-Institut wahrnehmen lassen. …
4. …
Ein Einsatz der Finanzmittel zur Deckung allgemeiner Haushalte der Vertragsparteien oder zur Finanzierung herkömmlicher Verbandsaufgaben im Zusammenhang mit dem Vergütungssystem ist unzulässig. Der DRG-Systemzuschlag ist von den Krankenhäusern je voll- und teilstationären Krankenhausfall dem selbstzahlenden Patienten oder dem jeweiligen Kostenträger zusätzlich zu den tagesgleichen Pflegesätzen oder einer Fallpauschale in Rechnung zu stellen; er ist an die Vertragsparteien oder eine von ihnen genannte Stelle abzuführen. …"
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) versagte der Klägerin die Gemeinnützigkeit wegen fehlender Selbstlosigkeit (§ 55 AO 1977) und setzte die Körperschaftsteuer 2001 entsprechend fest.
Die nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage, mit der die Klägerin geltend machte, sie sei gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) von der Körperschaftsteuer befreit, blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 222 veröffentlicht.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin eine Verletzung des § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG i.V.m. § 52 Abs. 1 und § 55 Abs. 1 AO 1977 geltend.
Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG und den Körperschaftsteuerbescheid für 2001 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 4. September 2003 ersatzlos aufzuheben und das FA zu verpflichten, wegen der Steuerbefreiung gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG einen Freistellungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2001 zu erlassen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Im Streitfall ist die Rechtsfrage entscheidungserheblich, ob eine Kapitalgesellschaft, die öffentlich-rechtliche Pflichtaufgaben ihrer Gesellschafter wahrnimmt, selbstlos und unmittelbar gemeinnützige Zwecke verfolgt.
1. Das FA ist verpflichtet, der Klägerin einen Freistellungsbescheid zur Körperschaftsteuer 2001 gemäß § 155 Abs. 1 Satz 3 AO 1977 zu erteilen, wenn die Klägerin nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreit ist. Nach dieser Vorschrift sind von der Körperschaftsteuer befreit Körperschaften, die nach der Satzung und nach der tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen Zwecken dienen (§§ 51 bis 68 AO 1977).
a) Eine Körperschaft verfolgt gemeinnützige Zwecke, wenn ihre Tätigkeit darauf gerichtet ist, die Allgemeinheit auf materiellem, geistigem oder sittlichem Gebiet selbstlos zu fördern (§ 52 Abs. 1 AO 1977). Eine Förderung der Allgemeinheit setzt voraus, dass der Kreis der Personen, denen die Förderung zugute kommt, weder fest abgeschlossen ist noch dauernd nur klein sein kann (§ 52 Abs. 1 Satz 2 AO 1977). § 52 Abs. 2 AO 1977 nennt beispielhaft (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 14. September 1994 I R 153/93, BFHE 176, 229, BStBl II 1995, 499) gemeinnützige Zwecke, u.a. die Förderung des öffentlichen Gesundheitswesens.
Das öffentliche Gesundheitswesen i.S. des § 52 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 fördern insbesondere alle Tätigkeiten, die der Gesundheit der Bürger, zumal durch Verhinderung und Bekämpfung von Seuchen und Krankheiten, dienen (s. Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, Schriftenreihe des Bundesministeriums der Finanzen ―BMF―, Heft 40, 1988, S. 110; s. auch Anlage 1 zu § 48 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung ―EStDV― Abschn. A Nr. 1).
b) Die Tätigkeit der Klägerin könnte diese Voraussetzungen erfüllen.
Ziel und einziger Unternehmensgegenstand der Klägerin ist es, entsprechend den Vorgaben des § 17b KHG ein durchgängiges, leistungsorientiertes und pauschalierendes Vergütungssystem für allgemeine Krankenhausleistungen zu entwickeln. Durch die Einführung von Fallpauschalen statt der bisherigen Abrechnung bei Krankenhausaufenthalten nach Behandlungstagen soll die Effizienz von Krankenhäusern gesteigert und das Krankenversicherungssystem bezahlbar bleiben, damit auch zukünftig weite Teile der Bevölkerung, insbesondere auch die finanzschwächeren Kreise, eine qualitativ hochstehende und umfassende medizinische Versorgung erhalten können (vgl. BTDrucks 14/1245, 1, 113). Da die Tätigkeit der Klägerin darauf gerichtet ist, eine leistungsfähige und bezahlbare medizinische Versorgung zu sichern, könnte sie das öffentliche Gesundheitswesen fördern.
2. Fraglich ist indessen, ob die Klägerin diese Ziele selbstlos fördert.
Eine Unterstützung oder Förderung ist nach § 55 AO 1977 selbstlos, wenn die Körperschaft nicht in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke verfolgt und die besonderen Voraussetzungen des § 55 Nrn. 1 bis 5 AO 1977 erfüllt sind.
a) Eine Körperschaft verfolgt in erster Linie eigenwirtschaftliche Zwecke, wenn sie vorrangig und somit nicht nur nebenbei ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen oder die ihrer Mitglieder fördert (BFH-Urteil vom 23. Oktober 1991 I R 19/91, BFHE 165, 484, BStBl II 1992, 62). Allerdings führt nicht jede auf Verbesserung der Einkünfte oder des Vermögens gerichtete Tätigkeit zum Ausschluss der Selbstlosigkeit. Bei vielen Körperschaften ist die Förderung der Mitglieder notwendiges Nebenprodukt der Tätigkeit. An der Selbstlosigkeit fehlt es erst dann, wenn der Eigennutz der Mitglieder in den Vordergrund tritt (BFH-Urteil vom 13. Dezember 1978 I R 39/78, BFHE 127, 330, BStBl II 1979, 482).
b) In der Literatur wird die Auffassung geäußert, der Staat sei generell gemeinnützigkeitsunfähig. Das Kriterium der Selbstlosigkeit könnten nur Private erfüllen, denen die Grundrechte prinzipiell die Freiheit zum Eigennutz eröffneten. Für den Privaten sei die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 51 ff. AO 1977 das Werk freier Entscheidung. Dagegen sei für die staatlichen wie die kommunalen Körperschaften die ausschließliche, unmittelbare und selbstlose Erfüllung der Gemeinwohlaufgaben von vornherein Wesensbestimmung und verfassungsrechtliche Pflicht. Daraus folge, dass die Gemeinnützigkeit als staatliche Förderung des privaten Altruismus der hoheitlichen Verwaltung insgesamt verschlossen bleiben müsse (Isensee/Knobbe-Keuk, Gutachten der Unabhängigen Sachverständigenkommission zur Prüfung des Gemeinnützigkeits- und Spendenrechts, 1988, 331, Sondervotum S. 404 ff.; Isensee, Festschrift für Dürig, 1990, 33, 57 ff.; Hüttemann, Wirtschaftliche Betätigung und steuerliche Gemeinnützigkeit, 71, offen gelassen in BFH-Urteil vom 15. Dezember 1993 X R 115/91, BFHE 173, 254, BStBl II 1994, 314, m.w.N.).
Aus dem Umstand, dass dem Staat die selbstlose und ausschließliche Erfüllung seiner Aufgaben zum Wohle der Allgemeinheit durch die Verfassung vorgegeben und seinem Wesen nach zu Eigen ist, könnte jedoch auch das Gegenteil folgen: Da der Staat per definitionem uneigennützig handelt, erfülle er zwangsläufig die subjektiven Voraussetzungen der steuerlichen Gemeinnützigkeit (so Seer/Wolsztynski, Steuerrechtliche Gemeinnützigkeit der öffentlichen Hand, 2002, 86). Der Staat stehe stellvertretend für die Allgemeinheit (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 55 AO 1977 Tz. 5). Die hoheitliche Tätigkeit der öffentlichen Hand diene ebenfalls dem gemeinen Wohl und sei daher ebenso wenig steuerwürdig wie die Tätigkeit gemeinnütziger Körperschaften (Hey, Die Steuerbegünstigung der gemeinnützigen Tätigkeit der öffentlichen Hand, Steuer und Wirtschaft ―StuW― 2000, 467; Seer/Wolsztynski, a.a.O., 57).
c) Es wird auch die Ansicht vertreten, eine GmbH, die Pflichtaufgaben ihrer Gesellschafter ―Körperschaften des öffentlichen Rechts― erfülle, nehme damit eigenwirtschaftliche Interessen ihrer Gesellschafter und nicht die der Allgemeinheit wahr. Sie könne daher auch dann nicht nach § 5 Abs. 1 Nr. 9 KStG steuerbefreit sein, wenn sie objektiv gemeinnützige Zwecke verfolge (Thiel, Die gemeinnützige GmbH Wesensmerkmale - Erscheinungsformen - Steuerpflicht, Deutsche Steuerjuristische Gesellschaft ―DStJG―, Bd. 20, 103, 113).
Dagegen wird eingewandt, die Übertragung hoheitlicher Aufgaben auf Körperschaften des privaten Rechts ändere nichts daran, dass es sich um Tätigkeiten handelt, die der Förderung der Allgemeinheit dienen (Tipke/Kruse, a.a.O., § 55 AO 1977 Tz. 5). Sie würden dadurch nicht zu eigennützigen Tätigkeiten ihrer Gesellschafter. Fördere die Eigengesellschaft durch ihre Tätigkeit gleichzeitig nichtwirtschaftliche, mithin uneigennützige Interessen ihrer Gesellschafter, indem sie hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, so liege darin lediglich ein "gleichsam in der Natur der Sache liegender Reflex" (Urteil des FG Hamburg vom 5. März 1986 II 144/83, EFG 1986, 516; Fischer in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 55 AO 1977 Rz. 62).
Für diese Auffassung spricht, dass die Träger öffentlicher Verwaltung ―jedenfalls im Bereich der Leistungsverwaltung― nicht verpflichtet sind, in hoheitlicher Form zu handeln. Sie können vielmehr die ihnen durch öffentlich-rechtliche Bestimmung zugewiesenen Aufgaben auch in privatrechtlichen Formen erledigen (Wolff/Bachof/Stober, Verwaltungsrecht Band 1, 11. Aufl., § 23 IV 1 Rz. 16; Erichsen/Ehlers, Hrsg., Allgemeines Verwaltungsrecht, 12. Aufl., § 2 IV 3 Rz. 78; Urteil des Bundesgerichtshofs ―BGH― vom 5. April 1984 III ZR 12/83, BGHZ 91, 84, 95 f., m.w.N.). Dadurch ändert sich der Charakter der Tätigkeit nicht. Diese bleibt "öffentliche Verwaltung" und unterliegt den gleichen Bindungen, wie wenn sie unmittelbar in öffentlich-rechtlicher Form ausgeübt werden würde (Wolff/Bachof/Stober, a.a.O., § 23 V 1 Rz. 18, 29 ff.; Erichsen/Ehlers, a.a.O., § 2 IV 3 Rz. 83 ff.).
Wenn aber die Tätigkeit ihren gemeinwohlorientierten Charakter nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen durch das Handeln in privatrechtlicher Form nicht verliert, erscheint fraglich, ob hiervon abweichend im Gemeinnützigkeitsrecht die Auffassung vertreten werden kann, die Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben durch eine GmbH, deren Gesellschafter Körperschaften des öffentlichen Rechts sind, sei eine eigennützige Tätigkeit im Dienste ihrer Gesellschafter.
Folgte man der Auffassung, dass die Wahrnehmung öffentlich-rechtlicher (Pflicht-)Aufgaben der Gesellschafter durch eine Kapitalgesellschaft nicht notwendiger Weise eine eigenwirtschaftliche Zweckverfolgung i.S. des § 55 Abs. 1 AO 1977 ist, könnte dies jedoch Auswirkungen auf die Entscheidung in der Sache I R 8/04 haben, in der der Senat das BMF ebenfalls zum Beitritt aufgefordert hat (Senatsbeschluss vom 25. Januar 2005, BFH/NV 2005, 986). Dort hat der Senat die Frage aufgeworfen, ob das Unterhalten eines strukturell dauerdefizitären Betriebes gewerblicher Art (BgA) durch eine Gebietskörperschaft ohne Verlustausgleich und angemessenen Gewinnaufschlag durch die Trägerkörperschaft auch dann zur Annahme einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) führt, wenn der BgA kommunale (Pflicht-)Aufgaben der Trägerkörperschaft wahrnimmt.
d) Geht man davon aus, die Erfüllung einer staatlichen öffentlichen Aufgabe bleibe für den Bereich der Gemeinnützigkeit auch dann im öffentlichen Interesse, wenn sie auf eine Kapitalgesellschaft übertragen wurde, könnte im Streitfall die Auffassung vertreten werden, die Klägerin handele selbstlos.
Ihre Tätigkeit ist nicht auf Mehrung ihres Vermögens oder das ihrer Gesellschafter gerichtet. Sie verfolgt vielmehr ausschließlich das in § 17b KHG niedergelegte Ziel, ein pauschalierendes Vergütungssystem für allgemeine Krankenhausleistungen zu entwickeln. Sie entlastet zwar dadurch ihre Gesellschafter, denen § 17b KHG diese öffentliche Aufgabe zuweist. Dies ändert jedoch nichts am uneigennützigen Charakter der Betätigung. Die Schaffung von Strukturen im öffentlichen Gesundheitswesen, die die Effektivität der Leistungen der Krankenhäuser steigert, kommt, da höhere Kosten an die Versicherten weitergegeben werden, in erster Linie den Versicherten und damit der Allgemeinheit zugute.
3. Fraglich könnte allerdings sein, ob die Klägerin ihre Ziele unmittelbar verwirklicht.
Es ließe sich die Auffassung vertreten, die Klägerin unterstütze ihre Gesellschafter bei der Wahrnehmung ihrer Pflichtaufgabe und verfolge damit unmittelbar deren Zwecke.
a) Eine Körperschaft verfolgt gemäß § 57 AO 1977 ihre ideellen Zwecke unmittelbar, wenn sie diese Zwecke selbst, also durch ihre Hilfspersonen, verwirklicht. Entscheidend ist, dass sie durch eigenes Tätigwerden die gemeinnützigen Zwecke verfolgt (Tipke/Kruse, a.a.O., § 57 AO 1977 Rz. 1; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 57 AO 1977 Rz. 19, m.w.N.). Diejenige Körperschaft soll von der Steuervergünstigung ausgeschlossen werden, die nicht selbst eine Förderung der Allgemeinheit anstrebt, sondern die finanzielle, sachliche oder personelle Unterstützung der gemeinnützigen Zweckverfolgung anderer zum Ziel hat (Hüttemann, a.a.O., 26). Unmittelbar bedeutet demnach, dass die Förderung herbeigeführt wird, ohne dass eine weitere Körperschaft durch eigenes satzungsmäßiges Handeln die den Erfolg bewirkende Zwischenursache setzt (Hüttemann, a.a.O., 28 f.; Fischer in Hübschmann/Hepp/Spitaler, a.a.O., § 57 AO 1977 Rz. 19). Macht sich daher eine Körperschaft gemeinnützige Ziele einer anderen Körperschaft zu Eigen und verfolgt sie diese Ziele selbst, liegt ein unmittelbares Handeln vor.
b) Ausgehend von diesem eher technischen Verständnis des Tatbestandsmerkmals der "Unmittelbarkeit" hat die Klägerin in den Streitjahren ihren satzungsmäßigen Zweck, ein pauschalierendes Vergütungssystems für allgemeine Krankenhausleistungen zu entwickeln, durch Hilfspersonen selbst verwirklicht. Sie bewirkt durch ihre Tätigkeit zwar nicht unmittelbar eine Senkung oder Stabilisierung der Kosten für die Krankenversicherung. Das Vergütungssystem bedarf vielmehr der gesetzlichen und tatsächlichen Umsetzung. "Verwirklichen" i.S. des § 57 AO 1977 bedeutet jedoch nicht, dass die Bestrebungen zum Ziele führen müssten (Tipke/Kruse, a.a.O., § 57 AO 1977 Tz. 1). Selbst bloße Vorbereitungshandlungen für das Ziel der eigentlichen Förderung sind von der Steuervergünstigung erfasst (Fischer in Hübschmann/ Hepp/Spitaler, a.a.O., § 57 AO 1977 Rz. 22 ff., mit Beispielsfällen).
c) Folgte man der Auffassung, die Klägerin unterstütze ihre Gesellschafter lediglich bei der Verwirklichung von deren Aufgaben, ohne sich diese selbst zu Eigen zu machen, wäre zu prüfen, ob dies als steuerlich unschädliche Betätigung i.S. des § 58 Nr. 3 AO 1977 gewertet werten könnte.
4. Von der Beantwortung der aufgeworfenen Rechtsfragen hängt der Ausgang des Rechtsstreites ab. In Anbetracht der Bedeutung dieser Fragen nicht nur für die Träger öffentlicher Verwaltung, sondern auch anderer Körperschaften i.S. der §§ 52 bis 54 AO 1977, die ihre satzungsmäßigen Zwecke teilweise durch eigenständige Kapitalgesellschaften verwirklichen wollen, hält es der Senat für zweckmäßig, wenn das BMF zu diesen Fragen Stellung nimmt. Das BMF wird daher aufgefordert, dem Verfahren beizutreten.
Fundstellen
Haufe-Index 1385318 |
BFH/NV 2005, 1655 |
BStBl II 2006, 198 |
BFHE 2005, 489 |
BFHE 209, 489 |
BB 2005, 1670 |
BB 2005, 1888 |
DB 2005, 2221 |
DStRE 2005, 957 |
DStZ 2005, 543 |
HFR 2005, 878 |