Leitsatz (amtlich)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob die aus der Verwertung von Sicherungsgut durch den Sicherungsnehmer nach Konkurseröffnung resultierende Umsatzsteuer zu den Massekosten zu rechnen ist.
Normenkette
KO §§ 3, 58 Nr. 2
Tatbestand
Kläger ist der Konkursverwalter in dem am 18. Februar 1977 eröffneten Konkursverfahren über das Vermögen der Kommanditgesellschaft H.
Der der X-Bank zur Sicherung übereignete Maschinenpark der Gemeinschuldnerin ist von der Sicherungsnehmerin am 12. Mai 1977 zum Betrag von 900 000 DM veräußert worden. Um diesen Betrag hat das beklagte Finanzamt den Umsatz des Konkursverwalters im Vorauszahlungszeitraum Mai 1977 erhöht. Mit Umsatzsteuervorauszahlungsbescheid für den Monat Mai 1977 vom 27. September 1977 -- gerichtet an den Kläger -- hat das Finanzamt die Umsatzsteuer unter Einbeziehung anderer Feststellungen des Prüfers abweichend von der abgegebenen Voranmeldung als Massekosten auf 105 340,05 DM festgesetzt.
Das Finanzgericht hat die Umsatzsteuervorauszahlung Mai 1977 auf 94 146,45 DM herabgesetzt und die Klage im übrigen abgewiesen. In den Gründen seiner Entscheidung vertritt es die Auffassung, die Verwertung eines zur Konkursmasse gehörigen Gegenstandes, der vor Konkurseröffnung einem Dritten sicherungshalber übereignet wurde, sei ein umsatzsteuerpflichtiger Vorgang; die daraus resultierende Umsatzsteuer gehöre zu den Massekosten im Sinne des § 58 Nr. 2 KO.
Mit der Revision begehrt der Kläger die Herabsetzung der Umsatzsteuervorauszahlung Mai 1977 auf 4 957,36 DM. Nach Einlegung der Revision hat der Kläger beantragt, die Vollziehung des Umsatzsteuervorauszahlungsbescheids Mai 1977 in Höhe von 88 260,78 DM auszusetzen, nachdem ihm vom Finanzamt fernmündlich mitgeteilt worden war, für eine Aussetzung der Vollziehung sei insoweit kein Raum. Er ist der Auffassung, der Sicherungsnehmerin sei mit der Übereignung Verfügungsmacht im Sinne des Umsatzsteuerrechts verschafft worden, zumindest aber mit der vor Konkurseröffnung eintretenden Verwertungsreife.
Entscheidungsgründe
Auf Antrag des Klägers ist die Vollziehung des angefochtenen Vorauszahlungsbescheids für den Monat Mai 1977 in Höhe von 88 260,78 DM auszusetzen.
An der Rechtmäßigkeit des Vorauszahlungsbescheids bestehen insoweit ernstliche Zweifel; sie rechtfertigen gemäß § 69 Abs. 3 i. V. m. Abs. 2 Satz 2 FGO die Aussetzung der Vollziehung.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats führt der Sicherungsgeber mit der Übereignung beweglicher Gegenstände zu Sicherungszwecken unter Begründung eines Besitzmittlungsverhältnisses noch keine Lieferung im Sinne des § 3 Abs. 1 UStG 1967 aus, sondern wird der Übereignungsvorgang zur Lieferung erst, wenn der Gläubiger das Sicherungsgut im eigenen Namen mit dem Ziel der Befriedigung an Dritte veräußert oder es im Namen des Sicherungsgebers verwertet (vgl. Urteile vom 31. Mai 1972 V R 121/71, BFHE 106, 383, BStBl II 1972, 809 mit Hinweisen auf die frühere Rechtsprechung; vom 20. Juli 1978 V R 2/75, BFHE 126, 84, BStBl II 1978, 684 -- s. dazu auch den Beschluß des Bundesverfassungsgerichts vom 2. Februar 1979 1 BvR 1445/78, StRK, UStG 1967, § 3 Abs. 1, R. 7 --, und des Senats vom 17. Juli 1980 V R 124/75, BFHE 131, 120, BStBl II 1980, 673). Der Senat hat darüber hinaus in den angeführten Entscheidungen stets die Auffassung vertreten, die dabei anfallende Umsatzsteuer zähle im Konkurse zu den Massekosten im Sinne des § 58 Nr. 2 KO (vgl. dazu auch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 22. März 1972 VIII ZR 119/70, BGHZ 58, 292, und vom 12. Mai 1980 VIII ZR 167/79, BGHZ 77, 139).
Die Frage nach der Begründetheit einer Forderung im Sinne des § 3 KO ist unabhängig von der allein nach steuerrechtlichen Vorschriften zu entscheidenden Frage der Entstehung und Fälligkeit einer Steuer zu beurteilen. Es erscheint dem Senat ernstlich zweifelhaft, ob die mit der Verwertung des Sicherungsgutes entstehende und fällig werdende Umsatzsteuerforderung nicht bei Konkurseröffnung bereits begründet war und dementsprechend als Konkursforderung anzusehen ist. Die Umsatzsteuerforderung könnte möglicherweise deshalb bereits im Sinne des § 3 KO als begründet anzusprechen sein, weil alle wesentlichen Grundlagen für ihre spätere Entstehung durch die sicherungshalber erfolgte Übereignungshandlung einerseits und den regelmäßig vor Konkurseröffnung erfolgenden Eintritt der Verwertungsreife bereits vor Konkurseröffnung gelegt sind und ihre Entstehung nicht im Sinne des § 7 KO von einer (weiteren) persönlichen Handlung des Gemeinschuldners Abhängt (vgl. dazu die Urteile des Bundesfinanzhofs vom 27. August 1975 II R 93/70, BFHE 117, 176, BStBl II 1976, 77; vom 23. August 1978 II R 16/76, BFHE 126, 122, BStBl II 1979, 198, und vom 3. Juni 1981 II R 78/80, BFHE 134, 57, BStBl II 1981, 758).
Die Eigenschaft einer Konkursforderung kann der Forderung nicht deshalb abgesprochen werden, weil sie erst nach Konkurseröffnung (durch Verwertungshandlung) entsteht, zumal § 67 KO sogar aufschiebend bedingte Forderungen den Konkursforderungen zurechnet. Auch der Umstand, daß dem Konkursverwalter des Sicherungsgebers die Verwertung gemäß § 127 KO überlassen bleiben kann, der Sicherungsnehmer damit an der Verwertung des Sicherungsgutes nicht teilnimmt und damit tatsächlich ausgeschaltet sein kann, spricht nicht gegen die Annahme einer Konkursforderung (vgl. § 66 KO).
Fundstellen
Haufe-Index 74445 |
BStBl II 1983, 694 |
BFHE 1983, 534 |