Entscheidungsstichwort (Thema)
Anforderungen an Sachaufklärungsrüge bei als verspätet zurückgewiesenem Vorbringen; Änderungsbescheid im NZB-Verfahren
Leitsatz (NV)
- Weist das FG Vorbringen nach § 79b Abs. 3 FGO als verspätet zurück, setzt eine schlüssige Sachaufklärungsrüge neben Ausführungen zu der unterlassenen Beweiserhebung auch Darlegungen dazu voraus, dass die Voraussetzungen für eine Zurückweisung des Vorbringens nicht erfüllt waren.
- Ergeht nach Erhebung einer Nichtzulassungsbeschwerde ein geänderter Bescheid, so wird dieser Gegenstand des Beschwerdeverfahrens. Das FG-Urteil ist deshalb aber ‐ im Unterschied zum Revisionsverfahren ‐ nicht aus formellen Gründen aufzuheben.
Normenkette
FGO § 68 S. 1, § 76 Abs. 1, § 79b Abs. 3, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) war Gesellschafter der A-GdbR (GbR). Zum 30. April des Streitjahrs (1997) schied er entgeltlich aus der GbR aus. Die Gesellschaft ermittelte daraus einen Veräußerungsgewinn des Klägers von 826 940,27 DM. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt ―FA―) legte diesen Gewinn dem erklärungsgemäß erlassenen Gewinnfeststellungsbescheid 1997 zugrunde. Gegen den Bescheid erhob der Kläger Einspruch, den er jedoch nicht begründete. Gegen die Einspruchsentscheidung, mit der der Einspruch mangels Begründung als unbegründet zurückgewiesen worden war, erhob der Kläger rechtzeitig Klage. Darin beanstandete er einerseits, dass ihm noch Verlustanteile zugerechnet worden seien, die den Veräußerungsgewinn erhöht hätten. Andererseits machte er Sonderbetriebsausgaben geltend, insbesondere eine von ihm gezahlte Vermittlungsprovision von 160 000 DM sowie Rechtsanwaltskosten von 30 000 DM. Der Bitte des FA, den neuen Sachvortrag durch Unterlagen und Belege nachzuweisen, kam der Kläger nicht nach. Deshalb setzte ihm der Berichterstatter des Finanzgerichts (FG) unter dem 20. Juni 2000 eine Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bis zum 2. August 2000, innerhalb deren die Vereinbarung über die Übertragung des Gesellschaftsanteils sowie der Vermittlungsvertrag und die diesbezügliche Abrechnung vorgelegt werden sollten. Außerdem sollten zur Zahlung eines Abstandshonorars von 196 394,18 DM innerhalb der Frist Tatsachen angegeben, Beweismittel bezeichnet und Urkunden vorgelegt werden.
Der Kläger reagierte auf diese Aufforderung nicht. Erst in der mündlichen Verhandlung legte er eine Rechnung der Firma B über einen Betrag von 320 000 DM, gerichtet an eine GdbR C vor. Der Prozessbevollmächtigte erklärte hierzu, die Zahlung sei über ihn gelaufen und zur Hälfte des Betrags vom Kläger getragen worden. Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten wurde eine Honorarvereinbarung mit dem Prozessbevollmächtigten aus dem Jahr 1996 über 60 000 DM vorgelegt. Hierzu trug der Kläger vor, er habe davon jeweils 15 000 DM in den Jahren 1996 und 1997 gezahlt. Wegen des Nachweises einer Zahlung von 15 000 DM im Jahr 1997 erhob das FG daraufhin Beweis durch Vernehmung des Prozessbevollmächtigten.
Das FG wies die Klage ab. Der Veräußerungsgewinn sei zutreffend berechnet worden. Die Zahlung eines Anwaltshonorars von insgesamt 30 000 DM aufgrund der Honorarvereinbarung sei zwar durch die Vernehmung des Prozessbevollmächtigten bewiesen. Der Zeuge habe aber nicht angeben können, ob eine im Dezember 1996 quittierte Teilzahlung von 15 000 DM die Schlusszahlung gewesen sei. Der Nachweis einer Zahlung im Jahr 1997, der leicht durch Vorlage entsprechender Unterlagen möglich gewesen wäre, sei unterblieben. Außerdem hätte die Zahlungsverpflichtung bereits 1996 im Rahmen einer Sonderbilanz erfasst werden müssen.
Hinsichtlich der Vermittlungsprovision wies das FG das Vorbringen in der mündlichen Verhandlung als verspätet zurück. Es sei zweifelhaft, ob der Kläger den Betrag von 160 000 DM für die Vermittlung des Gesellschaftsanteils habe zahlen müssen. Schuldner des Gesamtbetrags von 320 000 DM sei lt. Rechnung die GbR. Außerdem seien die Erwerber selbst Mitgesellschafter der GbR gewesen. Die verbleibenden Zweifel könnten in der mündlichen Verhandlung nicht ausgeräumt werden. Es müsste die Vereinbarung über die Übertragung des Gesellschaftsanteils vorgelegt werden. Außerdem wäre darzulegen, welche Leistungen der Vermittler konkret gegenüber dem Kläger erbracht habe. Ein neuer Termin würde die Erledigung des Rechtsstreits verzögern. Der Kläger sei auf die Folgen einer Fristversäumung hingewiesen worden und habe seinen verspäteten Vortrag nicht entschuldigt.
Die Revision ließ das FG nicht zu.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde rügt der Kläger zwei Verfahrensmängel.
1. Es sei vorgetragen und durch Beweisaufnahme nachgewiesen, dass eine Honorarvereinbarung über 60 000 DM geschlossen worden sei. Davon seien auf den Kläger 30 000 DM entfallen. Da für das Jahr 1996 am 30. Dezember 1996 lediglich ein Teilbetrag von 15 000 DM quittiert worden sei, müsse der Restbetrag im Streitjahr gezahlt worden sein. Diese Zahlung hätte das FG berücksichtigen müssen.
2. Zu der Vermittlungsprovision sei in der mündlichen Verhandlung vorgetragen worden, dass 160 000 DM vom Kläger gezahlt worden seien. Die Zahlung sei über den Prozessbevollmächtigten gelaufen. Deshalb habe sich der Prozessbevollmächtigte als Zeuge für die Zahlung angeboten. Das FG habe fehlerhaft hierzu keinen Beweis erhoben. Eine Beweisaufnahme hätte die Behauptung des Klägers bestätigt.
Der Kläger beantragt, die Revision zuzulassen.
Das FA beantragt, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Es trägt vor, die Würdigung des Zeugenbeweises sei schlüssig und zutreffend. Weiteren Beweis habe das FG nicht erheben müssen, denn es habe die Richtigkeit des Vorbringens des Klägers unterstellt. Außerdem sei diese (zweite) Rüge unschlüssig, weil der Kläger nicht vorgetragen habe, inwiefern das Urteil aufgrund der Rechtsauffassung des FG auf der unterbliebenen Beweisaufnahme beruhen könne und dass die Nichterhebung des Beweises rechtzeitig gerügt worden sei oder nicht habe gerügt werden können.
Mit Bescheid vom 17. Juli 2003 hat das FA den Vorbehalt der Nachprüfung im angefochtenen Feststellungsbescheid aufgehoben.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist unzulässig und war deshalb zu verwerfen.
1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid über die Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung geworden. Er ist nach § 68 Satz 1 FGO an die Stelle des bislang angefochtenen Bescheids getreten. Im Verfahren über eine Nichtzulassungsbeschwerde folgt aus dem Erlass eines Änderungsbescheids aber nicht, dass das Urteil des FG aus formellen Gründen aufzuheben wäre. Eine unmittelbare Aufhebung kommt in diesem Verfahren nur unter den Voraussetzungen des § 116 Abs. 6 FGO in Betracht.
2. Die Verfahrensrügen betreffen keine Mängel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO oder sind nicht in einer § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO entsprechenden Form erhoben worden.
a) Nach § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO ist die Revision zuzulassen, wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Die nach § 116 Abs. 3 Satz 3 FGO erforderliche Darlegung des Verfahrensmangels setzt voraus, dass die Tatsachen genau angegeben werden, die den Mangel ergeben. Der Verfahrensmangel muss zudem schlüssig dargelegt werden. Das ist der Fall, wenn die vorgetragenen Tatsachen ―ihre Richtigkeit unterstellt― den behaupteten Verfahrensmangel ergeben (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 116 Rz. 48; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 116 FGO Rz. 191).
Eine fehlerhafte Beweiswürdigung kann mit der Verfahrensrüge nicht geltend gemacht werden (Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 3. November 1982 I R 39/80, BFHE 137, 183, BStBl II 1983, 182, unter I.1.b.; Gräber/Ruban, a.a.O., § 115 Rz. 82, m.w.N.).
b) Soweit der Kläger beanstandet, das FG habe einen Betrag von 15 000 DM aus dem gezahlten Rechtsanwaltshonorar nicht berücksichtigt, rügt er einerseits eine fehlerhafte Beweiswürdigung. Denn das FG war im Unterschied zum Kläger nicht davon überzeugt, dass die im Dezember 1996 quittierte Zahlung die erste Teilrate auf das geschuldete Honorar darstellte. Es hielt es auch für möglich, dass im Dezember 1996 die zweite Rate gezahlt worden war. Eine solche Würdigung kann mit der Verfahrensrüge nicht angegriffen werden. Außerdem fehlt es an einer schlüssigen Rüge deshalb, weil es auf die Frage der tatsächlichen Zahlung im Jahr 1997 nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des FG nicht ankam. Denn eine Gewinnminderung wäre in jedem Fall bereits in voller Höhe von 30 000 DM im Jahr 1996 eingetreten, weil in der Sonderbilanz des Klägers für das Jahr 1996 eine entsprechende Verbindlichkeit hätte ausgewiesen werden müssen.
Soweit der Kläger das Unterlassen einer Beweisaufnahme zur Zahlung der Vermittlungsprovision rügt, ist diese Rüge deshalb unschlüssig, weil sie sich nicht mit der entscheidungserheblichen Vorfrage auseinander setzt, ob das FG nach § 79b Abs. 3 FGO berechtigt war, das Vorbringen zur Vermittlungsprovision als verspätet zurückzuweisen. Nur wenn diese Frage zu verneinen wäre, könnte überhaupt eine Verpflichtung bestanden haben, den angebotenen Zeugenbeweis zu erheben.
Fundstellen