Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtzulassungsbeschwerde: Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung; keine Umdeutung in zulassungsfreie Verfahrensrevision
Leitsatz (NV)
1. Für die ordnungsmäßige Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung einer Rechtssache genügt es nicht auszuführen, daß aus Gründen der Rechtssicherheit und der einheitlichen Handhabung des Rechts ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der Klärung einer bestimmten Rechtsfrage bestehe, denn damit werden nur die Voraussetzungen beschrieben, unter denen einer Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr sind die Gründe darzulegen, aus denen sich ergibt, daß diese Voraussetzungen erfüllt sind.
2. Die grundsätzliche Bedeutung einer Rechtssache ergibt sich nicht bereits daraus, daß der BFH sich mit bestimmten Rechtsfragen noch nicht auseinandergesetzt hat, denn allein hieraus folgt nicht, daß sie klärungsbedürftig seien.
3. Die Umdeutung einer ausdrücklich als solche eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde in eine zulassungsfreie Verfahrensrevision kommt nicht in Betracht.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3, § 116 Abs. 2 Nr. 5
Tatbestand
Im Gesellschaftsvertrag der G-KG (KG) ist u. a. folgendes bestimmt: Die Pflichteinlage jedes Gesellschafters entspricht dem Gesamtaufwand für die jeweilige Wohnungs- bzw. Teileigentumseinheit, die dem Gesellschafter im Fall seines Ausscheidens nach § 13 dieses Vertrages übertragen wird. Kommanditisten, die gemäß § 3 dieses Vertrages kündigen oder gemäß § 12 von der Gesellschaft nach der Begründung von Wohnungs- und Teileigentum ausgeschlossen werden, erhalten anstelle eines Auseinandersetzungsentgeltes die Übertragung desjenigen Wohnungs- bzw. Teileigentums der Gesellschaft, das in der notariellen Beitrittserklärung bestimmt ist. Sind mehreren Kommanditisten eine Sondereigentumseinheit zugeordnet, erhalten sie diese im Verhältnis ihrer Kommanditanteile.
Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist als Kommanditistin in die KG eingetreten. In der darüber erstellten notariellen Urkunde ist u. a. ausgeführt: Der Erschienene hat seinen Beitritt zur KG als Kommanditist mit einer handelsrechtlichen Hafteinlage (= Eigenkapital) von ... DM und einer gesellschaftsrechtlichen Pflichteinlage (= Gesamtaufwand) von ... DM erklärt. Der Erschienene erklärt hiermit, daß ihm bekannt ist, daß er bei einem evtl. späteren Ausscheiden aus der KG gemäß § 13 des Gesellschaftsvertrages als Auseinandersetzungsentgelt einen 3/4 Miteigentumsanteil an dem in der Anlage zum Gesellschaftsvertrag und im Prospekt mit der Nr. ... bezeichneten Teileigentum/Wohnungseigentum sowie einen 3/4 Miteigentumsanteil an dem Sondereigentum an zwei Tiefgaragenstellplätzen sowie einen Kleinwagenabstellplatz übertragen erhält.
Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt -- FA --) setzte gegen die Klägerin gemäß § 42 der Abgabenordnung (AO 1977) i. V. m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) Grunderwerbsteuer fest, weil sie für den Fall ihres Ausscheidens durch Kündigung einen Rechtsanspruch auf Übertragung der ihr zugeordneten Wohnungseinheit erhalten habe. Die hiergegen erhobene und u. a. mit Verjährung begründete Klage wies das Finanzgericht (FG) im wesentlichen mit folgenden Gründen zurück:"
Die Klage ist unbegründet.
Mit dem Beitritt der Klägerin zur KG wurde ein grunderwerbsteuerbarer und grunderwerbsteuerpflichtiger Tatbestand i. S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983 i. V. m. § 42 AO 1977 verwirklicht. Die Klägerin erlangte durch den Beitritt einen Rechtsanspruch auf Übertragung der ihr für den Fall ihres Ausscheidens anstelle eines Auseinandersetzungsguthabens zugeordneten Sondereigentums-/Teileigentumseinheit (vgl. aus der Rechtsprechung zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 25. März 1992 II R 46/89, BStBl II 1992, 680 m. w. N.).
Der Steueranspruch war zur Zeit der Steuerfestsetzung am 28. November 1990 auch noch nicht verjährt. Gemäß dem oben zitierten BFH-Urteil vom 25. März 1992 sind die an einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i. V. m. § 42 AO 1977 der Grunderwerbsteuer unterliegenden Erwerbsvorgang Beteiligten gemäß § 19 Abs. 1 Satz 2 GrEStG verpflichtet, dem FA hierüber Anzeige zu erstatten. Die Pflicht zur Anzeige ist eine objektive und besteht unabhängig davon, ob die Beteiligten sich ihrer bewußt sind.
Die Streitsache weist im übrigen entgegen der Ansicht der Klägerin keine derartigen Besonderheiten auf, die zur Nichtanwendung der BFH-Rechtsprechung ... (BFH-Urteil in BStBl II 1992, 680) führen könnten."
Die Revision hat das FG nicht zugelassen. Mit der hiergegen erhobenen Beschwerde macht die Klägerin grundsätzliche Bedeutung geltend und rügt Abweichung von Entscheidungen des Bundesfinanzhofs (BFH).
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde ist insgesamt unbegründet.
1. Soweit die Klägerin unter I. 1. der Beschwerdeschrift grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) geltend macht, ist die Beschwerde unzulässig. Die Ausführungen der Klägerin genügen nicht den Anforderungen des § 115 Abs. 3 Satz 3 FGO. Sie beschreibt lediglich die Voraussetzungen, unter denen einer Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn sie vorträgt, daß aus Gründen der Rechts sicherheit und der einheitlichen Hand habung des Rechts ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der Frage bestehe, ob grundsätzlich alle Gesellschaftsverträge, die als Auseinander setzungsentgelt beim Ausscheiden eines Gesellschafters die Übertragung von Grundstücken oder Miteigentumsanteilen vorsehen, mit der "steuerlichen Erbsünde" anfallender Grunderwerbsteuer als Folge automatischen Gestaltungsmißbrauchs behaftet sind, selbst wenn es vernünftige außersteuerliche Gründe für die Rechtswahl und die Gestaltung gibt. Die Klägerin hat es jedoch unterlassen, die Gründe darzulegen, aus denen sich die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache ergeben könnte. Dazu hätte die Klägerin substantiiert darlegen müssen, daß die aufgeworfene Rechtsfrage im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig sei, weil die erstrebte Revisionsentscheidung etwa wegen Unklarheit des Gesetzes, wegen widerstreitender Entscheidungen der FG oder wegen unterschiedlicher Beurteilung in der Literatur der Rechtsklarheit und/oder der Rechtsentwicklung dienen könne (vgl. BFH-Beschlüsse vom 13. September 1991 IV B 105/90, BFHE 165, 469, BStBl II 1992, 148, und vom 7. November 1990 II B 106/90, BFH/NV 1991, 691 m. w. N.).
Entsprechendes gilt für die Ausführungen unter I. 2. und 3. der Beschwerdeschrift. Im übrigen ist es nicht von grundsätzlicher Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn durch eine bestimmte Auslegung des Gesetzes -- nach Auffassung der Klägerin -- der Gleichbehandlungsgrundsatz tangiert wird oder eine bestimmte Rechtsfrage vom FG unzutreffend entschieden worden ist. Grundsätzliche Bedeutung ergibt sich auch nicht bereits daraus, daß der BFH sich mit bestimmten Rechtsfragen nicht auseinandergesetzt hat, denn allein hieraus folgt nicht, daß sie klärungsbedürftig seien.
2. Soweit die Klägerin ihre Beschwerde auf Divergenz (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 FGO) stützt, ist sie unbegründet. Die geltend gemachte Abweichung der Vorentscheidung von den im Beschwerdeschriftsatz näher bezeichneten Urteilen des BFH liegt nicht vor. Entgegen der Auffassung der Klägerin kann dem Urteil des FG nicht entnommen werden, das FG habe seiner Entscheidung die Rechtsauffassung zugrunde gelegt, daß allein die gewählte Gestaltung stets und unabänderlich den Mißbrauch i. S. des § 42 AO 1977 indiziere und Gründe, welche es rechtfertigen könnten, die gewählte Gestaltung als angemessen zu beurteilen und damit in ihrer steuerlichen Auswirkung zu beachten sei, grundsätzlich nicht anzuerkennen seien. Der insoweit entscheidende Satz aus der Vorentscheidung, daß die Streitsache im übrigen entgegen der Ansicht der Klägerin keine derartigen Besonderheiten aufweise, die zur Nichtanwendung der im BFH-Urteil vom 25. März 1992 II R 46/89 (BFHE 167, 448, BStBl II 1992, 680) aufgestellten Rechtsgrundsätze führen könnten, enthält zwar kaum rechtliche Substanz, es kann ihm aber in Verbindung mit dem zitierten Urteil immerhin entnommen werden, daß "Besonderheiten", also beachtliche Gründe i. S. des § 42 AO 1977 eine andere Beurteilung auch nach Auffassung des FG rechtfertigen könnten.
3. Eine zulassungsfreie Revision (§ 116 FGO) kommt nicht in Betracht, selbst wenn die von der Klägerin gerügten Mängel i. S. des § 116 Abs. 1 Nr. 5 FGO von Bedeutung sein könnten. Da die Klägerin, die durch einen Rechtsanwalt vertreten ist, keine Revision erhoben, sondern ausdrücklich Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat, ist es dem erkennenden Senat verwehrt, die Vorentscheidung unter dem Gesichtspunkt des § 116 FGO zu überprüfen. Eine Umdeutung der Nichtzulassungsbeschwerde in eine zulassungsfreie Verfahrensrevision kommt nicht in Betracht (BFH-Beschluß vom 9. Juni 1986 IX B 90/85, BFHE 146, 395, BStBl II 1986, 679).
Fundstellen