Entscheidungsstichwort (Thema)
Urteilsergänzungsverfahren statt Revision
Leitsatz (NV)
1. Die Revision ist unzulässig, wenn nur eine Ergänzung des finanzgerichtlichen Urteils angestrebt wird.
2. Die Ergänzung eines lückenhaften Urteilstenors kann nur mit dem fristgebundenen Antrag nach § 109 FGO oder - wenn es sich um ein offenbares Versehen handelt - mit dem Antrag auf Urteilsberichtigung nach § 107 FGO erreicht werden.
3. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Revisionsverfahren kann bei versehentlich unvollständiger Urteilstenorierung durch das FG gemäß § 8 Abs. 1 GKG abgesehen werden.
4. Ein Mitverschulden an der Entstehung der Revisionskosten, weil ein rechtzeitiger Antrag nach § 109 FGO nicht gestellt wurde, ist für die Entscheidung gemäß § 8 Abs. 1 GKG ohne Bedeutung.
Normenkette
FGO §§ 107, 109, 118 Abs. 1 S. 1, § 120 Abs. 2, § 126 Abs. 3; GKG § 8 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Streitig ist die Höhe der im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung 1977 zu berücksichtigenden Verluste des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) aus Beteiligungen an der A-KG sowie der B-KG.
In dem ursprünglichen Einkommensteuerbescheid für 1977 vom 21. Januar 1980 berücksichtigte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) Verlustanteile betreffend die A-KG in Höhe von null DM und betreffend die B-KG in Höhe von 21 033 DM. Nach Einspruchseinlegung des Klägers setzte das FA mit Einspruchsentscheidung vom 25. März 1982 insoweit jeweils null DM an. Hiergegen hat der Kläger Klage erhoben. Am 10. Dezember 1982 hat das FA einen Änderungsbescheid gemäß § 175 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) erlassen, der auf Antrag des Klägers gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Verfahrens geworden ist.
Hinsichtlich der Beteiligung des Klägers an der A-KG hat das FA einen Verlust in Höhe von 1 002 DM angesetzt. Diesem Ansatz liegt eine Mitteilung des für die einheitliche und gesonderte Feststellung zuständigen FA M vom 16. August 1982 zugrunde, nach der für den Kläger ein entsprechender Verlustanteil festgestellt worden ist.
Hinsichtlich der Beteiligung des Klägers an der B-KG hat das FA den Ansatz des vom Kläger erklärten Verlustes abgelehnt. Ein Feststellungsbescheid lag insoweit noch nicht vor. Mit der Klage hat der Kläger den Ansatz von Verlustanteilen aus der A-KG von 9 374 DM und aus der B-KG von 88 511,60 DM geltend gemacht und beantragt, das zu versteuernde Einkommen 1977 entsprechend herabzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) hat die Klage als begründet angesehen und den Einkommensteuerbescheid vom 10. Dezember 1982 wegen eines wesentlichen Verfahrensmangels gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufgehoben, da das FA den sich aus der Beteiligung des Klägers an der B-KG ergebenden Verlustanteil nicht selbst gemäß § 162 Abs. 3 AO 1977 geschätzt habe. Für eine eigene Beurteilung des Wohnsitz-FA seien weder die Mitteilung des FA K vom 28. August 1981 noch der Aktenvermerk der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 13. Juli 1981 - im Hinblick auf die Anforderungen an die Vollständigkeit der Sachverhaltsdarstellung - eine ausreichende Grundlage gewesen. ,,Die angefochtenen Bescheide" seien daher gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO aufzuheben, weil das zu versteuernde Einkommen des Klägers unter Berücksichtigung des B-KG-Verlustanteils das vom FA im Einkommensteuerbescheid vom 10. Dezember 1982 festgesetzte zu versteuernde Einkommen unterschreiten könne und weil die insoweit erforderliche Aufklärung einen erheblichen Aufwand an Kosten und Zeit erfordere.
Bezüglich der Verluste aus der A-KG-Beteiligung sei die Klage unbegründet wegen der Bindung des Wohnsitz-FA an die vom Betriebs-FA nach § 180 Abs. 1 Nr. 2 AO 1977 vorgenommene Feststellung gemäß § 182 Abs. 1 AO 1977.
Mit der Revision macht der Kläger geltend, daß sich die Klage gegen den Einkommensteuerbescheid vom 21. Januar 1980 in der Form der Einspruchsentscheidung vom 25. März 1982 gerichtet, das FG aber lediglich über den gemäß Antrag vom 7. Februar 1983 zum Gegenstand des Verfahrens gemachten geänderten Einkommensteuerbescheid 1977 vom 10. Dezember 1982 entschieden habe. Durch die Aufhebung des letztgenannten Bescheides sei der ursprüngliche Bescheid wieder in Kraft getreten.
Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Der Senat kann offenlassen, ob im Streitfall die für die Revision und die Revisionsbegründung vorgeschriebene Schriftform (§ 120 Abs. 1 Satz 1 FGO) gewahrt ist, insbesondere, ob die Unterzeichnung der Revisions- und der Revisionsbegründungsschrift durch den Prozeßbevollmächtigten des Klägers den an eine ordnungsgemäße Unterschrift zu stellenden Anforderungen genügt (vgl. hierzu Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Dezember 1984 IV R 274/83, BFHE 143, 198, BStBl II 1985, 367). Die Revision ist jedenfalls deshalb unzulässig, weil der Kläger mit ihr nur eine Ergänzung des finanzgerichtlichen Urteils anstrebt. Die Ergänzung eines lückenhaften Urteilstenors kann aber nicht mit der Revision, sondern nur mit dem fristgebundenen Antrag nach § 109 FGO oder - wenn es sich um ein offenbares Versehen handelt - mit dem Antrag auf Urteilsberichtigung nach § 107 FGO erreicht werden. Dies folgt aus dem Wesen der Revision, mit der nur die Aufhebung eines rechtsfehlerhaften, nicht aber die Ergänzung eines unvollständigen Urteils begehrt werden kann (vgl. § 118 Abs. 1 Satz 1, § 120 Abs. 2, § 126 Abs. 3 FGO; Beschlüsse des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Juni 1970 VI B 22.69, Buchholz, Sammel- und Nachlschlagewerk der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, 310, § 132 VwGO Nr. 62, und vom 22. November 1979 7 B 146.78, Buchholz, a. a. O., 310, § 132 VwGO Nr. 180; Hübschmann / Hepp / Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 109 FGO Anm. 6; Ziemer / Haarmann / Lohse / Beermann, Rechtsschutz in Steuersachen, Tz. 9117; Baumbach / Lauterbach / Albers / Hartmann, Zivilprozeßordnung, 44. Aufl., § 321 Anm. 1B).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO. Von der Erhebung von Gerichtskosten für das Revisionsverfahren wird gemäß § 8 Abs. 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG) abgesehen, weil diese Kosten bei richtiger Behandlung der Sache nicht entstanden wären. Der Tenor des finanzgerichtlichen Urteils ist insofern unvollständig, als sich das FG darauf beschränkt hat, den während des finanzgerichtlichen Verfahrens ergangenen geänderten Einkommensteuerbescheid vom 10. Dezember 1982 aufzuheben. Die Aufhebung dieses Bescheides hatte zur Folge, daß der ursprüngliche mit der Klage angefochtene Einkommensteuerbescheid in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 25. März 1982 wieder in Kraft trat (BFH-Urteile vom 27. Februar 1975 I R 178/73, BFHE 115, 301, BStBl II 1975, 514, und vom 8. Oktober 1975 II R 129/70, BFHE 117, 390, BStBl II 1976, 195). Das FG hätte deshalb, um dem Klagebegehren voll Rechnung zu tragen, auch den ursprünglichen Einkommensteuerbescheid und die Einspruchsentscheidung aufheben müssen.
Die Unvollständigkeit des Tenors beruht erkennbar auf einem Versehen des FG; dafür spricht auch der Aktenvermerk des Berichterstatters des FG vom 18. Juli 1983 über ein mit den Beteiligten geführtes Telefongespräch, in dem dieser die Ansicht vertritt, der Tenor des finanzgerichtlichen Urteils sei unvollständig. Die Kosten des Revisionsverfahrens wären dem Kläger nicht entstanden, wenn das FG den Urteilstenor nicht lückenhaft abgefaßt hätte. Es erscheint deshalb angebracht, nach § 8 Abs. 1 Satz 1 GKG von einer Erhebung der Kosten abzusehen. Daß den Kläger an der Entstehung dieser Kosten ein Mitverschulden trifft, weil er es unterlassen hat, rechtzeitig einen Antrag nach § 109 FGO zu stellen, ist für die Entscheidung nach § 8 Abs. 1 GKG ohne Bedeutung (Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., Vorbemerkungen vor §§ 135 ff. FGO Tz. 19).
Fundstellen