Entscheidungsstichwort (Thema)
Rüge mangelnder Sachaufklärung; Umbau eines Gebäudes als Neubau
Leitsatz (NV)
1. Das FG ist aufgrund seiner Sachaufklärungspflicht nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten über eine aus seiner Sicht nicht entscheidungserhebliche Frage einzuholen.
2. Durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen der grundlegende Umbau eines Gebäudes einem Neubau gleichsteht.
3. Es ist nicht zweifelhaft, dass für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals “neuer Gebäude” des § 2 Abs. 3 InvZulG 1999 die für die degressive AfA des § 7 Abs. 5 EStG geltenden Grundsätze anzuwenden sind.
Normenkette
EStG § 7 Abs. 5; FGO § 76 Abs. 1, § 115 Abs. 2; InvZulG 1999 § 2 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) erwarb mit notariellem Kaufvertrag vom 18. November 1999 ein bebautes Grundstück im Fördergebiet und führte an dem Gebäude umfangreiche Renovierungsarbeiten und Umbaumaßnahmen durch. Hierfür beantragte sie eine Investitionszulage für das Kalenderjahr 1999 nach § 2 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1999. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Finanzamt --FA--) setzte die Investitionszulage ohne Berücksichtigung der Aufwendungen für die Renovierungsarbeiten und Umbaumaßnahmen fest, da die Klägerin einen Umbau durchgeführt und kein neues Gebäude hergestellt habe. Einspruch und Klage blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die Klägerin habe keinen nach § 2 Abs. 3 InvZulG 1999 begünstigten Neubau hergestellt. Im Streitfall sei weder ein Vollverschleiß tragender Gebäudeteile gegeben noch hätten die neu eingefügten Gebäudeteile das Gebäude in seinem äußeren Erscheinungsbild wesentlich geändert oder diesem in bautechnischer Hinsicht ein neues Gepräge gegeben. Es handele sich vielmehr um umfangreiche Renovierungsarbeiten, die unter Beibehaltung des äußeren Erscheinungsbildes und unter Weiterverwendung der tragenden Bauteile das Gebäude an die technischen Anforderungen der Klägerin für ihre Produktion und den modernen Baustandards angepasst hätten.
Die Klägerin rügt mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde Verfahrensmängel (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Sie führt aus, das FG hätte ein Sachverständigengutachten zur Statik des Gebäudes einholen müssen, um die statische Notwendigkeit der bautechnischen Maßnahmen festzustellen. Weiter sei die Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen, da das FG von der Entscheidung des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 31. März 1992 IX R 175/87 (BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808) abgewichen sei. Obwohl das Fundament und die Deckenkonstruktion zur Stabilisierung des Gebäudes verstärkt worden seien, habe das FG einen Neubau abgelehnt, weil die entsprechenden Gebäudeteile nur zum Teil ausgetauscht worden seien. Der BFH habe in der zitierten Entscheidung nicht zwingend darauf abgestellt, dass Gebäudeteile auszutauschen seien, um einen Neubau herzustellen. Ferner sei die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) und zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen. Klärungsbedürftig sei die Frage, ob bautechnische Veränderungen, die zur "wesentlichen Stabilisierung" des Gebäudes dienten, als Neubau anzusehen seien.
Entscheidungsgründe
II. Die Beschwerde ist unbegründet und durch Beschluss zurückzuweisen (§ 132 FGO).
1. Die von der Klägerin sinngemäß erhobene Rüge mangelnder Sachaufklärung (§ 76 Abs. 1 FGO) hat keinen Erfolg. Das FG war von sich aus nicht verpflichtet, ein Sachverständigengutachten zur statischen Notwendigkeit der bautechnischen Maßnahmen einzuholen, da diese Frage aus seiner Sicht nicht entscheidungserheblich war (vgl. BFH-Beschluss vom 9. Dezember 2002 VII B 102/02, BFH/NV 2003, 530). Das FG hat im Streitfall geprüft, ob die von der Klägerin eingefügten Gebäudeteile dem Gebäude in bautechnischer Hinsicht ein neues Gepräge gegeben haben. Für diese Frage war es aus der maßgebenden Sicht des FG indes nicht entscheidend, ob die einzelne Umbaumaßnahme aus statischen Gründen erforderlich war. Im Übrigen ist das FG sogar davon ausgegangen, dass einzelne Maßnahmen (die Isolierung und Drainage der Außenmauern einschließlich der eingebrachten Betonverstärkung) der Stabilisierung des Gebäudes dienten, so dass hinsichtlich dieser Maßnahmen auch aus diesem Grund keine weitere Sachaufklärung durch die Einholung eines Sachverständigengutachtens geboten war.
2. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 2 FGO) zuzulassen. Die von der Klägerin behauptete Divergenz zur Entscheidung des BFH in BFHE 168, 109, BStBl II 1992, 808 liegt nicht vor. In dieser Entscheidung hat der BFH ausgeführt, dass der grundlegende Umbau eines Gebäudes nur dann einem Neubau gleichsteht, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes verleihen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn verbrauchte Teile ersetzt werden, die für die Nutzungsdauer des Gebäudes bestimmend sind, wie zum Beispiel Fundamente, tragende Außen- und Innenwände, Geschossdecken und die Dachkonstruktion. Das FG ist in seiner Entscheidung entgegen der Auffassung der Klägerin von diesen Grundsätzen ausgegangen und hat im Streitfall das bautechnische Gepräge eines neuen Gebäudes infolge der durchgeführten Umbaumaßnahmen verneint. Auch soweit das FG voraussetzt, dass der (grundlegende) Umbau des Gebäudes nur dann zu einem Neubau führt, wenn die tragenden Gebäudeteile in zumindest überwiegendem Umfang ersetzt werden, steht dies im Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 25. Mai 2004 VIII R 6/01, BFHE 206, 266, BStBl II 2004, 783, m.w.N.).
3. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO). Durch die Rechtsprechung des BFH ist geklärt, unter welchen Voraussetzungen der grundlegende Umbau eines Gebäudes einem Neubau gleichsteht (vgl. BFH in BFHE 206, 266, BStBl II 2004, 783, m.w.N.). Es ist auch nicht zweifelhaft, dass für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "neuer Gebäude" des § 2 Abs. 3 InvZulG 1999 die für die degressive Absetzung für Abnutzung des § 7 Abs. 5 des Einkommensteuergesetzes geltenden Grundsätze anzuwenden sind, da sich dies bereits aus der Gesetzesbegründung ergibt (vgl. BTDrucks 13/7792, 13, sowie auch Blümich/Stuhrmann, § 2 InvZulG 1999 Rz. 67). Die Klägerin wendet sich letztlich gegen die inhaltliche Richtigkeit des Urteils, womit die Zulassung der Revision jedoch nicht erreicht werden kann (vgl. BFH-Beschluss vom 19. Juni 2002 IX B 74/01, BFH/NV 2002, 1331, m.w.N.).
4. Aus den gleichen Gründen ist die Revision schließlich nicht zur Fortbildung des Rechts (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 Alternative 1 FGO) zuzulassen. Als spezieller Tatbestand der Grundsatzrevision (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt auch dieser Zulassungsgrund voraus, dass über eine klärungsbedürftige und klärbare Rechtsfrage zu entscheiden ist (vgl. Senatsbeschluss vom 30. Januar 2006 III B 2/05, BFH/NV 2006, 910, m.w.N.).
Fundstellen
Haufe-Index 1554012 |
BFH/NV 2006, 1884 |