Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmangel: Übernahme der Beurteilungen aus Strafverfahren
Leitsatz (NV)
1. Das FG darf sich grundsätzlich tatsächliche Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtliche Beurteilungen aus einem Strafverfahren zu Eigen machen, wenn und soweit es zu der Überzeugung gelangt ist, dass diese zutreffend sind.
2. Werden substantiierte Einwendungen gegen die im Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen erhoben, muss es ihnen aber nachgehen und aufklären, ob die Feststellungen den Tatsachen entsprechen.
Normenkette
FGO § 96 Abs. 1, § 115 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
FG München (Urteil vom 20.02.2003; Aktenzeichen 14 K 1246/98) |
Gründe
Von der Wiedergabe des Sachverhalts wird gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) abgesehen.
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist begründet. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) wird aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen (§ 116 Abs. 6 FGO).
Es liegt ein von der Klägerin geltend gemachter Verfahrensmangel vor, auf dem die angefochtene Entscheidung des FG beruhen kann (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO).
Gemäß § 96 Abs. 1 FGO hat das FG nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden. Dazu muss es den Sachverhalt, der die tatsächliche Grundlage seiner Entscheidung bildet, von Amts wegen unter Ausschöpfung aller verfügbaren Beweismittel bis zur Grenze des Zumutbaren so vollständig wie möglich aufklären (§ 76 Abs. 1 Satz 1 FGO; Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 26. April 1988 VII R 124/85, BFHE 153, 463, m.w.N.). Das FG darf sich zwar tatsächliche Feststellungen, Beweiswürdigungen und rechtliche Beurteilungen aus einem Strafverfahren zu Eigen machen, wenn und soweit es zu der Überzeugung gelangt ist, dass diese zutreffend sind (Senatsurteil vom 13. Juli 1994 I R 112/93, BFHE 175, 489, BStBl II 1995, 198). Werden substantiierte Einwendungen gegen die im Strafverfahren getroffenen tatsächlichen Feststellungen erhoben, muss es ihnen aber nachgehen und aufklären, ob die Feststellungen den Tatsachen entsprechen (BFH-Entscheidungen vom 10. Januar 1978 VII R 106/74, BFHE 124, 305, BStBl II 1978, 311; in BFHE 153, 463; vom 17. Dezember 1991 VII B 163/91, BFH/NV 1992, 612; vom 9. August 1999 VII B 282/98, BFH/NV 2000, 74; vom 20. August 1999 VII B 6/99, BFH/NV 2000, 215; vom 14. Oktober 1999 IV R 63/98, BFHE 190, 37, BStBl II 2001, 329; vom 20. Dezember 2000 I B 93/99, BFH/NV 2001, 639).
Gegen diese Grundsätze hat das FG in dem angefochtenen Urteil verstoßen. Das FG hat unter Verstoß gegen § 96 Abs. 1 Satz 1 FGO den Schriftsatz der Klägerin vom 3. Februar 2003 unberücksichtigt gelassen, in dem sich die Klägerin substantiiert gegen die Übernahme der Feststellungen im Urteil des Oberlandesgerichts München vom Mai 1999 in Bezug auf die Aussagen des damaligen Geschäftsführers der Klägerin, S., wendet, denn das Urteil lässt nicht erkennen, dass das FG den Schriftsatz und dessen Inhalt zur Kenntnis genommen hat. Es hat sich auch nicht damit auseinander gesetzt, dass die Klägerin ihr Begehren auf Vorsteuerabzug auf die Rechnungen vom 14. Dezember 1988 stützt und dass die Verfügungsmacht bis dahin übertragen worden sein kann. Es ist nicht auszuschließen, dass das FG, hätte es die Einwendungen der Klägerin im Schriftsatz vom 3. Februar 2003 berücksichtigt, zu keiner anderen Entscheidung hätte kommen können. Sein Urteil ist mithin i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO verfahrensfehlerhaft zustande gekommen und kann auf dem dem FG unterlaufenen Verfahrensfehler beruhen.
Fundstellen