Entscheidungsstichwort (Thema)
Milchgarantiemengenabgabe
Leitsatz (NV)
1. Die Frage, ob der Nichtvermarkter, dem neben einer "originären Referenzmenge eine vorläufige spezifische Referenzmenge zugeteilt worden ist, seine sich aus Art. 3 a Abs. 1 und 3 VO (EWG) Nr. 857/84 ergebende Verpflichtung zur Belieferung der ihm vorläufig zugeteilten spezifischen Referenzmenge nur erfüllt, wenn er diese zusätzlich zu der "originären Referenzmenge" beliefert, hat grundsätzliche Bedeutung.
2. Sind Zweifel an der Auslegung des maßgebenden Gemeinschaftsrechts nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, muß es durch Zulassung der Revision ermöglicht werden, im Revisionsverfahren eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.
Normenkette
EWGV 857/84 Art. 3a Abs. 1, 3
Tatbestand
Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Landwirt und hatte als Milcherzeuger am 1. April 1991 eine "originäre Referenzmenge" in Höhe von rd. 50 000 kg. Zusätzlich erhielt er eine vorläufige spezifische Referenzmenge nach der sog. SLOM-II-Regelung für Nichtvermarkter in Höhe von rd. 20 400 kg. In der Zeit von April 1992 bis Februar 1993 lieferte der Kläger nur insgesamt rd. 14 300 kg Milch; er hatte seine "originäre Referenzmenge" durch sog. Leasing vergeben. Der Beklagte und Beschwerdegegner (das Hauptzollamt -- HZA --), nahm die vorläufige spezifische Anlieferungs-Referenzmenge Milch (ARM) zurück, weil er auf diese keine Milch geliefert hätte.
Das Finanzgericht (FG) hielt die Rücknahme der vorläufigen spezifischen Referenzmenge durch die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen für rechtmäßig, weil der Kläger die Voraussetzungen für die Festsetzung der endgültigen Quote (Referenzmenge) durch seine Milchlieferung von nur rd. 14 300 kg in dem maßgebenden Zeitabschnitt nicht erfüllt habe. Die Festsetzung der endgültigen Quote sei nach Art. 3 a Abs. 1 letzter Unterabsatz und Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 857/84 (VO Nr. 857/84) des Rates vom 31. März 1984 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften -- ABlEG -- L 90/13) i. d. F. der Verordnung (EWG) Nr. 1639/91 (VO Nr. 1639/91) des Rates vom 13. Juni 1991 (ABlEG L 150/35) i. V. m. Art. 4 Abs. 3 der Verordnung (EWG) Nr. 3950/92 des Rates vom 28. Dezember 1992 (ABlEG L 405/1) davon abhängig, daß der Milcherzeuger der zuständigen Behörde nachweise, daß er die Direktverkäufe und/oder die Lieferungen tatsächlich wieder aufgenommen habe und daß diese in den vergangenen 12 Monaten mindestens 80 v. H. der vorläufigen Referenzmenge erreicht hätten. Anderenfalls entspreche die endgültig zuzuteilende Referenzmenge der tatsächlich gelieferten bzw. direkt verkauften Menge. Ein ausdrückliches Leasingverbot bestehe nach Art. 3 a Abs. 4 der VO Nr. 857/84 zwar nur für die vorläufige spezifische Referenzmenge. Aus dem Sinn und Zweck der Regelung lasse sich jedoch eindeutig entnehmen, daß dieses Leasingverbot nicht dadurch zu umgehen sei, daß die Altquote "verleast" und die vorläufige Quote beliefert werde. Die zugeteilten Mengen müßten tatsächlich vom Zuteilungsberechtigten erzeugt werden. An einer solchen zusätzlichen Milcherzeugung fehle es, wenn sich der Milcherzeuger erst seiner Altquote entledigen müsse, um die vorläufig zugeteilte Quote beliefern zu können.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache nach §115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtordnung zuzulassen.
Der Kläger hat die grundsätzliche Bedeutung hinreichend dargelegt.
Obgleich er eine bestimmte Rechtsfrage nicht ausdrücklich formuliert hat, läßt sich der Beschwerde doch entnehmen, daß er die dem Urteil zugrundeliegende gemeinschaftsrechtliche Frage für von grundsätzlicher Bedeutung hält, ob der Nichtvermarkter, dem neben einer "originären Referenzmenge" eine vorläufige spezifische Referenzmenge zugeteilt worden ist, seine sich aus Art. 3 a Abs. 1 und 3 VO Nr. 857/84 ergebende Verpflichtung zur Belieferung der ihm vorläufig zugeteilten spezifischen Referenzmenge nur erfüllt, wenn er diese zusätzlich zu der "originären Referenzmenge" beliefert, und damit ein Verleasen der "originären Referenzmenge" ausgeschlossen ist. Er hat im einzelnen dargelegt, daß das FG verkannt habe, daß sich Art. 3 a VO Nr. 857/84 i. d. F. der VO Nr. 1639/91 ausschließlich an frühere Nichtvermarkter richte und nur die ihnen vorläufig zugewiesene spezifische ARM betreffe. Die Frage, ob ein Milcherzeuger der Gruppe SLOM II über eine originäre Milchreferenzmenge verfüge und in welcher Weise er darüber zulässigerweise weiter verfügen dürfe, insbesondere, ob er diese gleichfalls voll oder teilweise zu beliefern habe oder ob ihm eine anderweitig zugelassene Nutzung etwa in Form eines Milchquoten-Leasing erlaubt gewesen sei, werde von der Regelung dagegen nicht berührt.
Die vom Kläger geäußerten Zweifel an der Auslegung der maßgebenden Gemeinschaftsvorschriften durch das FG sind nach Ansicht des Senats nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen, so daß ermöglicht werden muß, in einem Revisionsverfahren eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) einzuholen (Art. 177 Abs. 1 Buchst. b, Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft). Im Verfahren über die Zulassung der Revision braucht noch nicht festzustehen, daß der EuGH mit der Frage zu befassen ist. Im Interesse eines wirksamen Rechtsschutzes muß es für die Darlegung der grundsätzlichen Bedeutung vielmehr genügen, daß die (nicht entfernte) Möglichkeit von Zweifeln an der Auslegung von Gemeinschaftsrecht aufgezeigt wird (vgl. Senatsbeschlüsse vom 24. September 1996 VII B 101/96, BFH/NV 1997, 272, und vom 23. April 1996 VII B 249/95, BFH/NV 1996, 862).
Ob eine Vorlagepflicht nach den dafür maßgebenden Gesichtspunkten wirklich besteht, wird erst in einem Revisionsverfahren zu entscheiden sein. Dafür bedarf es der Einlegung der Revision nach deren Zulassung.
Fundstellen