Entscheidungsstichwort (Thema)
Beginn der Frist zur Einlegung der Gegenvorstellung analog § 321a ZPO gegen durch einfachen Brief bekannt gegebene Entscheidungen
Leitsatz (amtlich)
Richtet sich eine Gegenvorstellung analog § 321a ZPO gegen eine durch einfachen Brief bekannt gegebene Entscheidung des Gerichts, gilt für den Beginn der Frist zur Erhebung der Gegenvorstellung die Bekanntgabefiktion analog § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977, § 4 Abs. 1 VwZG (Drei-Tages-Frist).
Normenkette
ZPO § 321a; FGO § 53 Abs. 1, § 155; VwZG § 4 Abs. 1
Tatbestand
Der Kläger, Beschwerdeführer und Antragsteller (Kläger) hatte gegen die Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Finanzgerichts (FG) vom 11. Dezember 2002 Beschwerde zum Bundesfinanzhof (BFH) erhoben. Der beschließende Senat hatte diese Beschwerde mit Beschluss vom 20. März 2003 IV B 33/03 als unzulässig verworfen, u.a. auch wegen fehlender Postulationsfähigkeit des Klägers. Der Beschluss wurde dem Kläger mit einfachem Brief ―Aufgabe zur Post am 18. Juli 2003― bekannt gegeben. Mit am 14. August 2003 eingegangenem, das Datum vom 2. August 2003 tragenden Telefax erhob der Kläger Gegenvorstellung. Auf den Vertretungszwang gemäß § 62a der Finanzgerichtsordnung (FGO) hingewiesen, teilte der Kläger mit, die Gegenvorstellung bezwecke nichts anderes als die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, weil vergeblich versucht worden sei, einen postulationsfähigen Rechtsvertreter zu erhalten. Zu diesem Zweck sei der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe gestellt worden. Diesen Antrag hatte der Senat ebenfalls mit Beschluss vom 20. März 2003 IV S 2/03 (PKH) abgelehnt, wogegen sich die Gegenvorstellung unter dem Az. IV S 11/03 richtet.
Der Kläger macht geltend, die Gegenvorstellung bedürfe keines Prozessvertreters und sei nicht fristgebunden. Das Gericht dürfe keine Umdeutung in eine Beschwerde vornehmen. Der BFH habe lediglich die Falschbehauptungen des FG wiederholt. Seine Entscheidung gehe fundamental am Kern des Problems vorbei und müsse sich im Einzelnen wie insgesamt den Vorwurf gefallen lassen, dass die Pflicht rechtlicher Gehörsgewährung verletzt worden sei. Wegen des weiteren Vorbringens, das Rügen betreffend das FG, die Finanzbehörden und den Petitionsausschuss des Bayerischen Landtags betrifft, wird auf den Schriftsatz vom 8. September 2003, eingegangen am 18. September 2003, mit Anlagen Bezug genommen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt ―FA―) hat sich zu der Gegenvorstellung nicht geäußert.
Entscheidungsgründe
Die Gegenvorstellung hat keinen Erfolg.
1. Allerdings hält der beschließende Senat im Anschluss an seinen Beschluss vom 5. Dezember 2002 IV B 190/02 (BFHE 200, 42, BStBl II 2003, 269) eine Gegenvorstellung auch gegen Entscheidungen des BFH für grundsätzlich statthaft (Senatsbeschluss vom 26. Februar 2004 IV S 12/03, BFH/NV 2004, 972). § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) enthält den allgemeinen Rechtsgrundsatz, dass die Beseitigung schweren Verfahrensunrechts nach Ergehen einer mit förmlichen Rechtsmitteln nicht anfechtbaren Entscheidung durch das entscheidende Gericht selbst zu erfolgen hat. Die Vorschrift gilt deshalb entsprechend auch für die Gerichte anderer Gerichtsbarkeiten - insbesondere der Finanzgerichtsbarkeit. Die entsprechende Anwendung ist auch nicht auf Gerichte der ersten Instanz beschränkt (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. Mai 2002 6 B 28, 29/02, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 2002, 2657). Sie ist vielmehr immer dann geboten, wenn die Entscheidung eines Gerichts nicht mehr anfechtbar ist. Für die entsprechende Anwendung des § 321a ZPO spricht auch der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 7. Oktober 2003 1 BvR 10/99 (BGBl I 2004, 124, NJW 2003, 3687). Dort ist unter B.II.4. bestimmt, dass bis zum In-Kraft-Treten einer gesetzlichen Neuregelung die Möglichkeit besteht, die Fortführung des Verfahrens vor dem Gericht zu beantragen, dessen Entscheidung wegen der behaupteten Verletzung rechtlichen Gehörs angegriffen wird. Dieser Antrag soll innerhalb von 14 Tagen nach Zustellung der Entscheidung zu stellen sein. Diese Frist ist offensichtlich an die des § 321a Abs. 2 Satz 2 ZPO angelehnt.
2. Die Gegenvorstellung ist danach zwar statthaft, hat aber schon deshalb keinen Erfolg, weil sie nicht rechtzeitig erhoben worden ist.
Die Frist zur Erhebung der Gegenvorstellung begann mit der Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses. Dem steht nicht entgegen, dass der Beschluss durch einfachen Brief bekannt gegeben worden ist. Einer förmlichen Zustellung nach § 53 FGO bedurfte der Beschluss über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht. Zwar sind nach § 53 Abs. 1 FGO alle Entscheidungen förmlich zuzustellen, durch die eine Frist in Lauf gesetzt wird. Die Frist analog § 321a Abs. 2 Satz 2 ZPO ist aber keine Frist i.S. des § 53 Abs. 1 FGO, denn nach Auffassung des Senats sind nur für förmliche Rechtsmittel geltende Fristen von dieser Vorschrift umfasst. Die Anerkennung der Gegenvorstellung als nicht förmlicher Rechtsbehelf hat deshalb nicht zur Folge, dass alle verfahrensabschließenden Entscheidungen des Gerichts förmlich zugestellt werden müssen.
Die Bekanntgabe des Beschlusses erfolgte in analoger Anwendung der Drei-Tages-Frist gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977), § 4 Abs. 1 des Verwaltungszustellungsgesetzes am 21. Juli 2003. Demgemäß endete die Frist für die Erhebung der Gegenvorstellung mit Ablauf des 4. August 2003. Das am 14. August 2003 eingegangene Telefax war mithin verspätet.
Der Senat kann dahinstehen lassen, ob dem Kläger wegen unverschuldeter Versäumnis der Frist zur Erhebung der Gegenvorstellung Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden könnte. Denn die Gegenvorstellung leidet an weiteren formellen Mängeln, die in jedem Fall zur Zurückweisung führen würden.
3. Die Gegenvorstellung ist nicht von einer postulationsfähigen Person erhoben worden. Der Kläger selbst ist nicht postulationsfähig. Nach § 62a Abs. 1 FGO, der auch für die Erhebung einer Gegenvorstellung gilt, sofern diese ein seinerseits dem Vertretungszwang unterliegendes Verfahren betrifft (BFH-Beschluss vom 27. Januar 2004 X S 22/03, juris), muss sich vor dem BFH jeder Beteiligte durch eine Person i.S. des § 3 Nr. 1 des Steuerberatungsgesetzes (StBerG), also einen Steuerberater, Steuerbevollmächtigten, Rechtsanwalt, Wirtschaftsprüfer oder einen vereidigten Buchprüfer als Bevollmächtigten vertreten lassen. Zur Vertretung berechtigt sind nach § 62a Abs. 2 FGO auch Gesellschaften i.S. des § 3 Nr. 2 und Nr. 3 StBerG. Der Kläger konnte deshalb nicht selbst wirksam eine Gegenvorstellung erheben. Wie der Senat im angefochtenen Beschluss ausgeführt hat, kann sich der Kläger auch nicht darauf berufen, keinen Prozessvertreter gefunden zu haben.
4. Die Gegenvorstellung kann schließlich auch deshalb keinen Erfolg haben, weil die Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs nicht schlüssig erhoben worden ist.
Die Rügeschrift muss die Darlegung der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör enthalten (§ 321a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO). Dazu gehört, dass der Rügeführer substantiiert vorträgt, zu welchen Sach- oder Rechtsfragen er sich im vorangegangenen Verfahren nicht äußern konnte oder welches entscheidungserhebliche Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen hat (BFH-Beschlüsse vom 5. April 2000 VIII B 20/00, BFH/NV 2000, 1131; vom 22. Januar 2003 III B 120/02, juris; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl. 2002, § 119 Rz. 14).
Daran fehlt es hier. Der Kläger trägt nicht vor, inwieweit ihm der Senat bei Erlass des angefochtenen Beschlusses das rechtliche Gehör versagt haben soll. Die Ausführungen des Klägers betreffen teils die Entscheidung über die Nichtzulassungsbeschwerde inhaltlich überhaupt nicht oder beziehen sich auf Umstände, die für die Entscheidung nicht erheblich sind. Im Übrigen beinhalten sie nur den Vorwurf, der Senat habe in der Sache fehlerhaft entschieden. Mit diesem Vorbringen kann der Kläger aber im Rahmen einer Gegenvorstellung analog § 321a ZPO nicht gehört werden.
5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 2 FGO. Eine Kostentragungspflicht ergibt sich aus der analogen Anwendung der Nr. 1960 des Kostenverzeichnisses zum Gerichtskostengesetz. Wird die Gegenvorstellung zurückgewiesen, fällt eine Festgebühr in Höhe von 50 € an. Die analoge Anwendung des § 321a ZPO gebietet zugleich die analoge Anwendung der entsprechenden Kostenfolge (Senatsbeschluss in BFH/NV 2004, 972).
Fundstellen
Haufe-Index 1275664 |
BFH/NV 2005, 307 |
BStBl II 2005, 142 |
BFHE 2005, 501 |
BFHE 207, 501 |
BB 2005, 35 |
DB 2005, 205 |
DStRE 2005, 113 |
DStZ 2005, 8 |
HFR 2005, 138 |