Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewilligung von Prozeßkostenhilfe nur für die Zukunft; Umfang des Betriebsvermögens eines gewerblichen Abbauunternehmens
Leitsatz (NV)
1. Die Bewilligung der PKH hat grundsätzlich keine rückwirkende Kraft. Die Bewilligung kann bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der formgerechte Antrag nebst den für die Bewilligung erforderlichen Unterlagen vorlag.
2. Eine Revision, in der die Auffassung vertreten wird, zum notwendigen Betriebsvermögens eines gewerblichen Abbauunternehmers gehöre nur der Bodenschatz, nicht auch der darüberliegende Grund und Boden, bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, so daß Prozeßkostenhilfe nicht bewilligt werden kann.
Normenkette
EStG § 4; FGO § 142; ZPO §§ 114, 117, 119
Tatbestand
Der Kläger, Revisionsbeklagte, Revisionskläger und Antragsteller (Antragsteller) hatte seit 1. Januar 1960 als Einzelunternehmer auf dem Grundstück in A, das ein Kiesvorkommen enthielt, ein Quetschwerk betrieben.
Das Unternehmen war zunächst von der X und Y OHG betrieben worden, an der der Vater des Antragstellers beteiligt war. Dieser hatte das Grundstück am . . . erworben und es der OHG zusammen mit dem Mineralgewinnungsrecht am Kiesvorkommen pachtweise überlassen. Nach dem Tod des Gesellschafters Y hatte X sen. den Betrieb als Einzelunternehmer fortgeführt. Unternehmen und Grundstück sind nach dem Tod von X sen. auf den Antragsteller übergegangen.
Die für das Einzelunternehmen X sen. aufgestellte Eröffnungsbilanz enthielt u. a. die Posten ,,Grundstück 7 000 DM" und ,,Gewerbeberechtigung 11 100 DM". Der zuerst genannte Wertansatz blieb bis zur Betriebsaufgabe durch den Antragsteller unverändert. Die Gewerbeberechtigung war bis zum 31. Dezember 1959 auf 1 DM abgeschrieben worden. In den Vermögenserklärungen hatten X sen. und der Antragsteller das Grundstück in A jeweils mit dem Einheitswert von 2 800 DM als landwirtschaftliches Vermögen erklärt. In der zur Bewertung des Mineralgewinnungsrechts eingereichten Erklärung des X sen. vom 1. April 1958 sind die ,,Flächen, auf denen sich Werksgebäude befinden" mit 3 726 qm angegeben.
1970 gab der Antragsteller den Gewerbebetrieb auf. Zur Abwendung der Enteignung nach dem Bundesfernstraßengesetz trat er das Grundstück mit Gebäuden und Maschinen an die Bundesrepublik Deutschland ab. Die Entschädigung von . . . DM wurde wie folgt errechnet:
Grund und Boden insgesamt 29 370 qm
davon ausgekieste Fläche 10 840 qm à ... DM = ... DM
übrige Fläche 18 530 qm à ... DM = ... DM
... DM
Gebäude und Maschinen ... DM
... DM.
Nach einer Betriebsprüfung ermittelte der Beklagte, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks mit . . . DM und den Gewinn aus der Veräußerung des Gebäudes und der Maschinen mit . . . DM. Dabei ging das FA davon aus, daß das Grundstück insgesamt zum Betriebsvermögen des Antragstellers gehört hat. Im einzelnen habe es sich um 3 726 qm bebaute Fläche und Werksgelände, um 10 840 qm ausgekieste Fläche und um 14 804 qm abbaufähiges Reserveland gehandelt. Außerdem wurde eine Verbindlichkeit in Höhe von 2 260 DM für das Gehalt, das der Antragsteller an seine im Betrieb beschäftigte Tochter nach Betriebsaufgabe bis einschließlich Dezember 1970 gezahlt hatte, nicht anerkannt. Das FA setzte mit Bescheid vom 7. November 1983 die Einkommensteuer 1970 aus einem zu versteuernden Einkommensbetrag von . . . DM unter Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf einen Veräußerungsgewinn von . . . DM auf . . . DM fest.
Das Finanzgericht (FG) setzte die Einkommensteuer 1970 auf . . . DM herab. Es führte aus, bei der Ermittlung des Gewinns aus der Veräußerung des Grundstücks sei nur der Teil der Entschädigung anzusetzen, der auf die als Werksgelände genutzte Grundstücksfläche entfalle; denn zum Betriebsvermögen des Antragstellers habe - neben dem Kiesvorkommen - nur diese Teilfläche, nicht aber die ausgekieste Fläche und das sog. Reserveland gehört. Aus der Zugehörigkeit des Kiesvorkommens folge nicht ohne weiteres auch die Zugehörigkeit des Grund und Bodens zum notwendigen gewerblichen Betriebsvermögen des Antragstellers. Der laufende Gewinn des Streitjahres 1970 könne nicht um eine betriebliche Verpflichtung in Höhe von 433 600 DM gemindert werden, weil der Antragsteller zur Rekultivierung der im Privatvermögen befindlichen ausgekiesten Flächen verpflichtet sei. Dagegen sei der Gewinn in Höhe des Gehalts der Tochter für die Monate Oktober bis Dezember 1970 zu Recht vom Antragsteller gemindert worden.
Gegen diese Entscheidung haben sowohl das FA als auch der Antragsteller Revision eingelegt.
Das FA rügt mit seiner Revision Verletzung von § 16 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil das FG die ausgekieste Grundstücksfläche als nicht zum gewerblichen Betriebsvermögens des Antragstellers zugehörig angesehen habe. Der Antragsteller führt zur Begründung seiner Revision aus, die gewerblich genutzte Fläche habe höchstens 1 200 qm betragen. Entgegen der Auffassung des FG seien 433 600 DM in der Aufgabebilanz 1970 als Betriebsaufwand zuzulassen, weil der Antragsteller Verluste in dieser Höhe bei der Veräußerung des im Privatvermögen befindlichen Grundstücksteils erlitten habe.
Mit Schreiben vom 24. Oktober 1989 beantragt der Antragsteller, ihm für das Revisionsverfahren Prozeßkostenhilfe (PKH) zu bewilligen und Rechtsanwalt Dr. R als Prozeßbevollmächtigten beizuordnen. Zur Begründung führt er aus, sein jetziger Prozeßbevollmächtigter Dipl. Kfm. S sei wegen Krankheit nicht in der Lage, ihn in der mündlichen Verhandlung zu vertreten. Rechtsanwalt Dr. R kenne die Prozeßmaterie aus der Vorinstanz. Seit Ende der 70er Jahre seien er und seine Ehefrau in totalen Vermögensverfall geraten. Zum Lebensunterhalt stünden ihnen lediglich Kaufpreisraten von monatlich . . . DM zur Verfügung. Zum Betriebsvermögen des Antragstellers hätten höchstens 200 qm Grundfläche gehört. Maßgebend für die Behandlung als Betriebsvermögen sei die DM-Eröffnungsbilanz und die Erklärung zur Vermögensabgabe zum 21. Juni 1948. Dort sei auf den Einheitswertsbescheid des FA vom 7. Januar 1939 Bezug genommen worden, in dem der Grundbesitz als landwirtschaftliches Vermögen ausgewiesen sei. Der erkennende Senat habe in seinem Vorbescheid vom 7. März 1989 die Abhängigkeit von Einheitswert und Betriebsvermögensansätzen zum 21. Juni 1948 nicht genügend beachtet. Eine nachträgliche Änderung der getroffenen Ansätze sei nicht mehr möglich. Mit Schreiben vom 27. November 1989 - eingegangen beim Bundesfinanzhof (BFH) am gleichen Tag - hat der Antragsteller die von der Geschäftsstelle des Senats angeforderte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse eingereicht.
Entscheidungsgründe
Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nur zum Teil begründet.
1. Nach § 142 der Finanzgerichtsordnung (FGO) i. V. m. § 114 der Zivilprozeßordnung (ZPO) erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozeßführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag PKH, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. In dem Antrag auf Bewilligung von PKH ist das Streitverhältnis darzustellen. Dem Antrag sind eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie entsprechende Belege beizufügen. Soweit Vordrucke für die Erklärung eingeführt sind, muß sich die Partei ihrer bedienen (§ 117 ZPO).
2. Die vom Antragsteller eingelegte Revision bietet keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.
Der Antragsteller begründet seine Revision und seinen PKH-Antrag im wesentlichen damit, daß weitere Teile seines Grundstücks - über die Entscheidung des FG hinaus - nicht als Betriebsvermögen anzusetzen seien. Diese Ausführungen sind nicht geeignet, der Revision des Antragstellers zum Erfolg zu verhelfen.
Der Ausgangspunkt des FG, daß zum Betriebsvermögen des Antragstellers das Kiesvorkommen und nur die als Werksgelände dienende Grundstücksfläche gehören, stimmt mit der Rechtsprechung des BFH nicht überein. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 13. September 1988 VIII R 236/81 (BFHE 154, 358, BStBl II 1989, 37) entschieden, daß zum notwendigen Betriebsvermögen eines gewerblichen Abbauunternehmers nicht nur der Bodenschatz, sondern auch der darüberliegende Grund und Boden gehört. Auch der Grund und Boden diene ausschließlich und unmittelbar dem Betrieb des Abbauunternehmens. Eine Nutzung des Bodenschatzes ohne gleichzeitige Nutzung des darüberliegenden Grund und Bodens sei nicht möglich.
In dieser Entscheidung hat der Senat darauf hingewiesen, daß der BFH bereits früher mehrfach ausgesprochen hat, bei einem Unternehmer, der gewerblich Kiessand oder andere Bodenschätze im Tagebau fördere, gehöre nicht nur der Bodenschatz, sondern auch der darüberliegende Grund und Boden zum notwendigen Betriebsvermögen (vgl. Urteile vom 28. Mai 1979 I R 66/76, BFHE 128, 226, BStBl II 1979, 624; vom 28. Oktober 1982 IV R 73/81, BFHE 137, 32, BStBl II 1983, 106; vom 1. Juli 1987 I R 197/83, BFHE 150, 534, BStBl II 1987, 865).
Unter diesen Umständen ist es nicht geboten, den Grundbesitz des Antragstellers in größerem Umfang seinem Privatvermögen zuzurechnen und den Gewinn aus der Veräußerung des Grundstücks entsprechend zu mindern. Hierauf hat der Senat bereits in seinem Beschluß vom 30. September 1988 VIII S 29/85 BFH / NV 1989, 164 wegen Aussetzung der Vollziehung des Einkommensteuerbescheids 1970 hingewiesen.
Auch die Ausführungen des Antragstellers zur Behandlung des Grundstücks bei der Einheitsbewertung führen nicht dazu, der beabsichtigten Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg zuzuerkennen. Für die einkommensteuerrechtliche Behandlung von Grundstücken und Grundstücksteilen als Betriebsvermögen kommt es nicht darauf an, wie ein Grundstück bei der Einheitsbewertung, der Vermögensteuer und der Vermögensabgabe behandelt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1960 I 103/60 S, BFHE 72, 259, BStBl III 1961, 97; Abschn. 14 Abs. 12 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 1969; Abschn. 14 Abs. 10 EStR 1987; Herrmann / Heuer / Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, § 4 EStG Anm. 11 a; Bordewin in Hartmann / Böttcher / Nissen / Bordewin, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4, 5 Rz. 111; Birkholz in Lademann / Söffing / Brockhoff, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, §§ 4, 5 Anm. 103). Eine Bindungswirkung i. S. des § 218 der Reichsabgabenordnung - AO - (§ 182 der Abgabenordnung - AO 1977 -) besteht für die Zuordnung nicht. Die Zuordnung eines Grundstücks zu einem gewerblichen Betriebsvermögen richtet sich bei der Einkommensteuer nach anderen Grundsätzen als bei der Bewertung (vgl. § 57 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes - BewG - 1934; § 99 Abs. 2 BewG 1985; Urteil in BFHE 72, 259, BStBl III 1961, 57).
3. Für die vom FA eingelegte Revision ist dem Antragsteller PKH zu bewilligen, soweit Kosten nach dem 26. November 1989 entstehen.
Eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Revision hat insoweit zu unterbleiben, denn nach § 119 Satz 2 ZPO ist in einem höheren Rechtszug nicht zu prüfen, ob die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint, wenn der Gegner das Rechtsmittel eingelegt hat.
Der Antragsteller ist nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht in der Lage, die Kosten der Prozeßführung aufzubringen. Auch eine Ratenzahlung kommt nicht in Betracht, da das Einkommen unter den in der Tabelle zu § 115 Abs. 1 ZPO genannten Beträgen liegt.
Die Bewilligung der PKH erfordert in der Revisionsinstanz gemäß Art. 1 Nr. 1 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs auch die Beiordnung eines Prozeßbevollmächtigten.
Die Bewilligung der PKH hat grundsätzlich keine rückwirkende Kraft. Die Bewilligung kann bis zu dem Zeitpunkt erstreckt werden, in dem der formgerechte Antrag nebst den für die Bewilligung erforderlichen Unterlagen vorlag (Beschluß des Bundesgerichtshofs vom 30. September 1981 IV b ZR 694/80, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1982, 446; vom 6. Dezember 1984 VII ZR 223 /83, NJW 1985, 921; BFH-Beschluß vom 7. August 1984 VII B 27/84, BFHE 141, 494, BStBl II 1984, 838; Gräber / Ruban, Finanzgerichtsordnung, 2. Aufl., § 142 Rz. 24). Dem Antragsteller kann somit PKH frühestens ab dem Zeitpunkt bewilligt werden, zu dem der Vordruck ,,Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse" dem BFH vorlag.
Fundstellen
Haufe-Index 416801 |
BFH/NV 1990, 292 |