Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertungsrechtlicher Wohnungsbegriff; Anforderungen an die Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit einer Rechtsfrage
Leitsatz (NV)
1. Der für die Abgrenzung der Grundstücksarten "Einfamilienhaus" und "Zweifamilienhaus" verwendete Wohnungsbegriff und sein zeitlicher Anwendungsbereich sind durch die Rechtsprechung des BFH geklärt.
2. Zur Darlegung der erneuten Klärungsbedürftigkeit der Frage der "rückwirkenden" Anwendung dieser Rechtsprechung reicht es nicht aus, wenn auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts verwiesen wird, die in ganz anderem Zusammenhang Ausführungen zum verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes enthält, aber keinen unmittelbaren Bezug zu der herausgestellten Rechtsfrage erkennen läßt.
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 3; BewG § 75 Abs. 5-6
Gründe
Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger ist als unzulässig zu verwerfen, da ihre Begründung nicht den gesetzlichen Anforderungen (§ 115 Abs. 3 Satz 3 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --) entspricht.
Die Kläger machen als Zulassungsgrund grundsätzliche Bedeutung geltend. Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO, wenn eine Rechtsfrage zu entscheiden ist, an deren Beantwortung ein allgemeines Interesse besteht, weil ihre Klärung das Interesse der Allgemeinheit an der Fortentwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Es muß sich um eine aus rechtssystematischen Gründen bedeutsame und auch für die einheitliche Rechtsanwendung wichtige Frage handeln (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 27. Juni 1985 I B 23/85, BFHE 144, 133, BStBl II 1985, 605 m. w. N.). Das Vorliegen dieser Voraussetzungen muß in der Beschwerdeschrift dargelegt werden (§ 115 Abs. 3 Satz 3 FGO). Dafür reicht die bloße Behauptung, die Sache habe grundsätzliche Bedeutung, nicht aus. Vielmehr müssen die Beschwerdeführer konkret auf die Rechtsfrage und ihre Bedeutung für die Allgemeinheit eingehen. Dazu gehört insbesondere eine Darlegung, daß es sich um eine bisher strittige und nicht geklärte Rechtsfrage handelt. Diesen Anforderungen genügt die Beschwerdebegründung nicht.
Der vom Finanzgericht (FG) für die Abgrenzung der Grundstücksarten "Einfamilienhaus" und "Zweifamilienhaus" verwendete Wohnungsbegriff entspricht der nunmehr ständigen Rechtsprechung des BFH und ist nach dieser Rechtsprechung erstmalig bei der Bewertung von Wohngrundstücken anzuwenden, die im Laufe des Jahres 1973 bezugsfertig errichtet, aus- oder umgebaut wurden, und zwar für Stichtage ab 1. Januar 1974 (vgl. Urteile vom 5. Oktober 1984 III R 192/83, BFHE 142, 505, BStBl II 1985, 151; vom 12. Februar 1986 II R 192/78, BFHE 146, 96, BStBl II 1986, 320; vom 3. März 1993 II R 34/91, BFH/NV 1994, 9, und vom 4. August 1993 II R 23/91, BFH/NV 1994, 531). Damit ist nicht nur die materiell bewertungsrechtliche Frage des Wohnungsbegriffs, sondern auch im bezeichneten Umfang die Anwendung dieser Rechtsprechung auf vorher errichtete oder geplante Gebäude geklärt.
Allerdings ist es nicht ausgeschlossen, daß auch eine durch Rechtsprechung des BFH geklärte Rechtsfrage erneut klärungsbedürftig werden kann. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn neue gewichtige Gesichtspunkte und Stimmen auftauchen, die diese Rechtsprechung in Frage stellen und eine erneute Überprüfung in einem Revisionsverfahren als veranlaßt erscheinen lassen. Derartige gewichtige Zweifel an einer BFH-Rechtsprechung können sich auch aus Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und anderer oberster Bundesgerichte ergeben, wenn diese zumindest mittelbar die BFH- Rechtsprechung in Frage stellen.
Mit der Nichtzulassungsbeschwerde stellen die Kläger nicht die Rechtsprechung zum materiellen bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriff selbst in Frage, wohl aber deren Anwendung auf zurückliegende Zeitpunkte bzw. vorher errichtete Gebäude. Zur schlüssigen Darlegung, daß es sich insoweit um eine erneut klärungsbedürftige Rechtsfrage handelt, genügt allerdings nicht der Hinweis auf einen Beschluß des BVerfG, der zwar Ausführungen über den verfassungsrechtlichen Grundsatz des Vertrauensschutzes enthält (im Zusammenhang mit Strafgefangenen), aber keinen unmittelbaren Bezug zu der von den Klägern herausgestellten Frage der Anwendung von BFH- Rechtsprechung auf zurückliegende Sachverhalte erkennen läßt. Zur Schlüssigkeit der Darlegung der von den Klägern behaupteten grundsätzlichen Bedeutung wäre es vielmehr unerläßlich gewesen, daß diese in Auseinandersetzung mit der vorhandenen Literatur und Rechtsprechung zur Frage einer rückwirkenden Anwendung einer verschärften Rechtsprechung (vgl. z. B. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 25. Juni 1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751, und BFH-Urteil vom 19. November 1985 VIII R 4/83, BFHE 145, 375, BStBl II 1986, 289, 293) und unter Berücksichtigung der Regelung des § 22 Abs. 3 Sätze 2 und 3 des Bewertungsgesetzes dartun, daß insoweit eine ungeklärte, im Interesse der Allgemeinheit aber klärungsbedürftige Rechtsfrage vorliegt.
Fundstellen