Entscheidungsstichwort (Thema)
Revision des Beigeladenen nach Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache
Leitsatz (NV)
Eine Revision, die der Beigeladene eingelegt hat, nachdem die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig.
Normenkette
FGO § 60 Abs. 6 S. 1, § 122 Abs. 1, § 138; ZPO § 269 Abs. 3 S. 1
Tatbestand
I. Die Revisionsklägerin ―im Streitjahr eine GmbH, zwischenzeitlich in eine KG umgewandelt― war zum Klageverfahren der Kläger ―zusammen veranlagter Ehegatten― notwendig beigeladen worden. Die Klage richtete sich gegen den Einkommensteuerbescheid 1991 der Kläger, mit dem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) Ausschüttungen der Revisionsklägerin statt als Einnahmen bei den Einkünften des Klägers aus Kapitalvermögen als Teil seines Verkaufserlöses i.S. von § 17 des Einkommensteuergesetzes (EStG) für die von ihm veräußerte Beteiligung an der Revisionsklägerin erfasste. Die Revisionsklägerin vertritt die Ansicht, dass eine Ausschüttung nicht vorlag. Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen.
Gegen das Urteil des FG hatten zunächst nur die Kläger Revision eingelegt. Der Rechtsstreit hat sich inzwischen durch übereinstimmende Erklärungen der Kläger und des FA in der Hauptsache erledigt, nachdem das FA den Einkommensteuerbescheid während des Revisionsverfahrens entsprechend dem Klageantrag geändert hat. Im vorliegenden Verfahren ist über die Revision der Beigeladenen zu entscheiden, die diese nach Erledigung der Hauptsache mit dem Antrag eingelegt hat, ihr wegen der Versäumung der Revisionsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, das Urteil des FG aufzuheben, den Einkommensteuer-Änderungsbescheid des FA vom 26. Juni 2000 zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und die Einkommensteuer 1991 für die Kläger im Wesentlichen entsprechend dem ursprünglichen Einkommensteuerbescheid festzusetzen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig. Sie war deshalb durch Beschluss zu verwerfen (§ 126 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Die Revision ist schon deshalb unzulässig, weil sie nach Erledigung der Hauptsache eingelegt wurde. Der Beigeladene ist zwar ―auch bei einer zu Unrecht beschlossenen notwendigen Beiladung (vgl. u.a. Urteil des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 11. April 1989 VIII R 302/84, BFHE 157, 275, BStBl II 1989, 697; Gräber/ Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., § 122 Rz. 1, m.w.N.)― berechtigt, gegen eine gerichtliche Entscheidung selbständig Rechtsmittel einzulegen, soweit er dadurch den Streitgegenstand des Klageverfahrens nicht verändert (§ 60 Abs. 6 Satz 1 FGO, und dazu BFH-Urteil vom 22. Juli 1980 VIII R 114/78, BFHE 131, 429, BStBl II 1981, 101). Im Gegensatz zu den Hauptbeteiligten kann der Beigeladene über diesen Streitgegenstand nicht verfügen. Er kann deshalb weder verhindern, dass der Kläger die Klage zurücknimmt, noch sich erfolgreich gegen die Klaglosstellung durch das FA im Wege der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache zur Wehr setzen (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. ―für Klagerücknahme― BFH-Beschluss vom 4. August 1988 IV R 165-166/87, BFH/NV 1989, 240, und ―für Hauptsacheerledigung― BFH-Beschluss vom 26. Januar 1993 VI B 112/92, BFH/NV 1993, 672; Gräber/Koch, a.a.O., § 60 Rz. 105; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 16. Aufl., § 60 FGO Tz. 104, 105, m.w.N.). Erklären die Hauptbeteiligten den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt, dann tritt diese Rechtsfolge auch dann ein, wenn der Beigeladene keine Erledigungserklärung abgibt oder dieser widerspricht.
Dies gilt auch für das Revisionsverfahren. Zwar kann der Beigeladene, der (auch) selbst Revision gegen ein ihn belastendes Urteil eingelegt hat, wegen der von diesem Urteil ausgehenden Beschwer seine Revision selbständig weiterführen, wenn der Kläger seine Revision zurücknimmt (Urteil des Bundessozialgerichts ―BSG― vom 27. November 1962 3 RK 37/60, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1963, 1943); denn die Rücknahme der Revision hat nach Ablauf der Revisionsfrist zur Folge, dass das Urteil des FG auch zu Lasten des Beigeladenen rechtskräftig wird (§ 125 FGO; Gräber/Ruban, a.a.O., § 125 Rz. 5, m.w.N.). Diese Rechtslage ist aber mit derjenigen bei einer Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht vergleichbar. Denn in diesem Fall wird das Urteil des FG einschließlich der Kostenentscheidung wirkungslos (entsprechend § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 der Zivilprozeßordnung ―ZPO―, § 155 FGO, ständige Rechtsprechung, vgl. u.a. BFH-Beschluss vom 10. Dezember 1986 II R 54/84, BFH/NV 1988, 111). Damit entfällt das Rechtsschutzbedürfnis des Beigeladenen für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen dieses Urteil (Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts ―BVerwG― vom 28. Dezember 1959 III C 131/57, NJW 1960, 594; Gräber/Koch, a.a.O., § 60 Rz. 105 a.E.; Tipke/Kruse, a.a.O., § 60 FGO Tz. 105).
Fundstellen