Entscheidungsstichwort (Thema)
Verfahrensmäßige Trennung zwischen KSt-Veranlagung und gesonderter Einkünftefeststellung
Leitsatz (NV)
Die verfahrensmäßige Trennung zwischen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer einerseits und der vorgreiflichen gesonderten Feststellung gemeinsamer Einkünfte andererseits gehört zur Grundordnung des Verfahrensrechts. Ein Verstoß dagegen ist im Revisionsverfahren auch ohne Rüge zu beachten.
Normenkette
AO 1977 § 171 Abs. 10; FGO § 40 Abs. 2, § 74
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob eine Beteiligung des Klägers und Revisionsklägers (Klägers zu 2.) an der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin zu 1.) als typische oder als atypische stille Beteiligung zu werten ist.
Die Klägerin zu 1. ist eine GmbH, die chemische Produkte herstellt und vertreibt. An ihrem Stammkapital von 50 000 DM waren in den Streitjahren der Kläger zu 2. zu 42 v.H. und die J mit 58 v.H. beteiligt. Der Kläger zu 2. war zugleich Alleingeschäftsführer der Klägerin zu 1. In seinem Anstellungsvertrag war unter anderem festgelegt, dass er neben einem Festgehalt von … DM pro Monat eine ergebnisorientierte Tantieme von 10 v.H. des Jahresergebnisses erhalten und ab dem 65. Lebensjahr Anspruch auf eine Pension haben sollte.
Durch Beschluss der außerordentlichen Gesellschafterversammlung vom 27. April 1993 wurde das Stammkapital der Klägerin zu 1. um 10 000 DM erhöht. Die neue, allein dem Kläger zu 2. zuzurechnende Stammeinlage wurde durch Einbringung beweglicher Sachen des Einzelunternehmens des Klägers zu 2. in die Klägerin zu 1. erbracht. Der die Summe der vorgenannten Stammeinlage übersteigende Wert der eingebrachten Sachen sollte dem Kläger zu 2. nach Maßgabe eines noch am gleichen Tage zu schließenden Gesellschaftsvertrages über die Errichtung einer stillen Gesellschaft als stille Einlage zugerechnet werden. Nach dem "Vertrag über die stille Gesellschaft" sollte der Kläger zu 2. mit Wirkung ab dem 1. Januar 1993 entsprechend dem Verhältnis seiner Stammeinlage zu seiner stillen Einlage am Gewinn der Klägerin zu 1. beteiligt werden. Am Verlust war er bis zur Höhe seiner stillen Einlage beteiligt. Bei Beendigung der stillen Gesellschaft sollte ihm ein Auseinandersetzungsanspruch in Höhe des Nominalwerts der stillen Einlage zuzüglich oder abzüglich des Betrages, welcher sich aus dem Gesellschafterverrechnungskonto ergab, zustehen.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) veranlagte die Klägerin zu 1. zunächst auf der Grundlage der von ihr eingereichten Steuererklärungen. Auf Grund der Feststellungen einer Betriebsprüfung gelangte er später zu dem Ergebnis, dass die Klägerin zu 1. statt als typische stille Gesellschaft als atypische stille Gesellschaft einzustufen sei. Das FA erließ daraufhin für die Streitjahre Feststellungsbescheide, in denen es die Einkünfte aus der Geschäftstätigkeit der Klägerin zu 1. jeweils zur Hälfte dieser und dem Kläger zu 2. zurechnete. Außerdem ergingen für die Streitjahre Körperschaftsteuerbescheide und die weiteren im Tenor angegebenen Steuerbescheide.
Gegen die Bescheide legten Klägerin zu 1. und Kläger zu 2. gemeinsam Einsprüche ein, die das FA zurückwies. Die dagegen gemeinschaftlich erhobenen Klagen vor dem Finanzgericht (FG) blieben erfolglos. Das Urteil des FG ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2002, 604 veröffentlicht.
Dagegen wenden sich die Kläger mit ihrer Revision, mit der sie die Verletzung materiellen Rechts rügen. Sie beantragen, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und der Klage stattzugeben.
Dem ist das FA, welches während des Revisionsverfahrens durch Bescheide vom 24. Oktober 2001 den Einheitswertbescheid auf den 1. Januar 1993 aufgehoben, denjenigen auf den 1. Januar 1995 gemäß den Angaben der Kläger geändert und den Gewerbesteuermessbetrag 1994 auf 0 DM festgesetzt hat, entgegengetreten. Es beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
A. 1. Der Rechtsstreit wegen einheitlicher und gesonderter Feststellung von Besteuerungsgrundlagen 1993 bis 1994 sowie wegen Gewerbesteuermessbetrag 1993 bis 1994 wird abgetrennt und an den nach dem Geschäftsverteilungsplan des Bundesfinanzhofs (BFH) zuständigen VIII. Senat abgegeben.
2. Der Rechtsstreit wegen der Einheitswertfeststellung des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1993 und den 1. Januar 1995 wird abgetrennt und an den danach zuständigen II. Senat abgegeben.
B. 1. Die von der Klägerin zu 1. gegen die Körperschaftsteuerbescheide 1993 und 1994, die Bescheide zur gesonderten Feststellung gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) zum 31. Dezember 1993 und 1994 und die Bescheide zur Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 1993 und 1994 eingelegte Revision ist begründet. Die vom VIII. Senat vorgreiflich zu beantwortende Frage danach, ob die Beteiligung des Klägers zu 2. an der Klägerin zu 1. eine typische oder eine atypische stille Gesellschaft darstellt, wirkt sich auf die vorgenannten Bescheide als Folgebescheide (§ 171 Abs. 10 der Abgabenordnung ―AO 1977―) unmittelbar aus. Die verfahrensmäßige Trennung zwischen der Veranlagung zur Körperschaftsteuer einerseits und der vorgreiflichen gesonderten Feststellung gemeinsamer Einkünfte andererseits, gehört zur Grundordnung des Verfahrensrechts; ein Verstoß hiergegen stellt einen wesentlichen, ohne Rüge im Revisionsverfahren zu beachtenden Mangel dar (BFH-Urteil vom 3. Februar 1976 VIII R 29/71, BFHE 118, 135, 138, BStBl II 1976, 396). Die Sache ist allerdings mangels Entscheidungsreife nach § 126 Abs. Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) an das FG zurückzuverweisen, welches unter Aussetzung der Verhandlung gemäß § 74 FGO das Ergebnis des Revisionsverfahrens zur einheitlichen und gesonderten Feststellung vor dem VIII. Senat abzuwarten hat (vgl. dazu BFH-Urteile vom 1. Februar 1989 VIII R 49/84, BFH/NV 1990, 6; vom 9. August 1995 XI R 109/92, BFH/NV 1996, 404).
2. Die Revision des Klägers zu 2. ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Der Kläger zu 2. ist hinsichtlich der Körperschaftsteuerbescheide 1993 und 1994, der Bescheide zur gesonderten Feststellung gemäß § 47 KStG zum 31. Dezember 1993 und 1994 sowie der Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs zur Körperschaftsteuer zum 31. Dezember 1993 und 1994 nicht klagebefugt. Da das Gesetz nichts anderes bestimmt, setzt die Zulässigkeit einer Anfechtungsklage voraus, dass der Kläger geltend macht, durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO). Das bedeutet, der Kläger muss substantiiert und schlüssig darlegen (BFH-Urteil vom 28. Oktober 1987 I R 275/83, BFHE 152, 138, BStBl II 1988, 292; Gräber/von Groll, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 40 Rz. 57, m.w.N.), der Bescheid beeinträchtige ein ihm zustehendes Recht. Es reicht somit nicht aus, die Rechtswidrigkeit des Bescheids darzulegen. Der Kläger muss vielmehr auch geltend machen, durch den Bescheid selbst beschwert zu sein (BFH-Urteil vom 14. September 1994 I R 153/93, BFHE 176, 229, BStBl II 1995, 499). Die vom Kläger zu 2. angegriffenen Steuerbescheide richten sich nicht an ihn, sondern an die Klägerin zu 1. Sie unterliegt als Körperschaft der Körperschaftsteuer und für sie sind daher Feststellungen nach § 47 KStG und zum verbleibenden Verlustabzug zu treffen. Der Kläger kann hingegen aus seiner Stellung als Anteilseigner der Klägerin keine eigene Betroffenheit in seinen subjektiven Rechten ableiten.
3. Die Übertragung der Kostenentscheidung auf das FG beruht auf § 143 Abs. 2 FGO. Dem FG ist wegen des Grundsatzes der Einheitlichkeit der Kostenentscheidung auch bei teilweiser Zurückverweisung der Sache die Entscheidung über die gesamten Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 13. Februar 1980 I R 178/78, BFHE 130, 48, BStBl II 1980, 386; vom 2. April 1998 III R 67/97, BFHE 186, 79, BStBl II 1998, 613; Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 143 FGO Tz. 15, m.w.N.).
Fundstellen