Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Zulässigkeit von Lohnsteuer-Außenprüfungen
Leitsatz (NV)
Ziel einer Lohnsteuer-Außenprüfung kann auch die Feststellung der Arbeitgebereigenschaft des Betroffenen sein.
Normenkette
AO 1977 § 193 Abs. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Gegenstand des Verfahrens ist die dem Prozeßbevollmächtigten in diesem Falle als Zustellungsbevollmächtigtem zugestellte Prüfungsanordnung des Beklagten und Revisionsklägers (Finanzamt - FA -) vom . . ., durch die eine Lohnsteuer-Außenprüfung unter Bezugnahme auf die §§ 193 f. der Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 42 des Einkommensteuergesetzes (EStG) 1975 hinsichtlich der Klägerinnen und Revisionsbeklagten (Klägerinnen), sämtlich ausländische Gesellschaften, angeordnet wurde. Die Prüfung sollte sich auf den Zeitraum vom . . . 1974 bis zum . . . 1979 erstrecken. Außerdem sollte die Prüfung in den Geschäftsräumen der Firma A in X, der gleichfalls eine entsprechende Mitteilung zugestellt worden war, durchgeführt werden. Die gegen die genannte Prüfungsanordnung erhobene Beschwerde der Klägerinnen ist durch die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion als unbegründet zurückgewiesen worden.
Mit der hiergegen von dem genannten Zustellungsbevollmächtigten erhobenen Klage hatten die Klägerinnen Erfolg. Die Prüfungsanordnung in Gestalt der Beschwerdeentscheidung wurde durch das Urteil des Finanzgerichts (FG) aufgehoben, und zwar aus folgenden Gründen: Sowohl die an die vorgenannte Firma A als auch die an die Klägerinnen gerichtete Prüfungsanordnung hätte nicht ergehen dürfen. Der Zweck dieser Prüfungsanordnung sei gewesen, festzustellen, wer im einzelnen Arbeitgeber gewesen sei. Eine Prüfungsanordnung nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 dürfe jedoch nicht erlassen werden, um bei der Prüfung Ermittlungen darüber anzustellen, ob der Steuerpflichtige Arbeitgeber sei oder nicht. Bei Erlaß einer solchen Anordnung müsse für das FA feststehen, daß der Steuerpflichtige Arbeitgeber sei, um bei ihm zu überprüfen, ob die dort bezeichneten Steuern ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt worden seien. An einer dergestalt dezidierten Feststellung fehle es indessen im Streitfalle. Denn die OFD als Beschwerdeinstanz habe hinsichtlich der Firma A entschieden, daß diese Arbeitgeber der betreffenden Leute gewesen sei, genau umgekehrt habe sie entschieden im Falle der Klägerinnen und diese, als Arbeitgeber der Leute bezeichnet. Nach dem Wortlaut des § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 beschränke sich die zulässige Prüfung darauf, ob der Arbeitgeber die Lohnsteuer ordnungsgemäß einbehalten und abgeführt habe. Die Prüfung dürfe nicht den Zweck verfolgen, zu ermitteln, ob ein Dritter Arbeitgeber sei. Dies werde im übrigen auch durch § 42 f Abs. 1 EStG bestätigt. Diese Vorschrift enthalte nicht nur die Regelung, daß das Betriebstätten-FA für die Lohnsteuer-Außenprüfung zuständig sei. Zugleich werde in dieser Vorschrift die Lohnsteuer-Außenprüfung definiert als Prüfung lediglich der ,,Einbehaltung oder Übernahme und Abführung der Lohnsteuer". Also sei nicht die Prüfung zulässig, ob ein Dritter Arbeitgeber sei.
Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es die Verletzung des § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 rügt. Das FG habe die Vorschrift des § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 dahingehend ausgelegt, daß eine Lohnsteuer-Außenprüfung nur dann zulässig sei, wenn bei Erlaß der Prüfungsordnung für das FA feststehe, daß die Adressaten der Anordnung Steuerpflichtige i. S. dieser Vorschrift, d. h. Arbeitgeber, seien. Dieser auf grammatikalischer und systematischer Auslegung beruhenden Rechtsauffassung dürfe indessen nicht gefolgt werden. Sie werde dem Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gerecht. Denn diese sei in engem Zusammenhang mit den in § 199 Abs. 1 AO 1977 niedergelegten Prüfungsgrundsätzen zu verstehen. Hiernach habe der Außenprüfer die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht und für die Bemessung der Steuer maßgebend seien, zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen zu prüfen. In diesem Grundsatz komme somit eindeutig zum Ausdruck, daß bei jeder Außenprüfung auch die Frage der Steuerpflicht selbst Gegenstand der Prüfung sein könne.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Sie beziehen sich dafür im wesentlichen auf die zu ihren Gunsten sprechenden Gründe des finanzgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
Es kann dem FG nicht darin gefolgt werden, daß eine Betriebsprüfung (hier: Lohnsteuer-Außenprüfung) nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 nur bei demjenigen angeordnet werden dürfe, der als Steuerpflichtiger i. S. des § 33 Abs. 1 AO 1977 feststehe (so auch Schick in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 193 AO 1977 Anm. 15, 390). Denn nach § 193 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 ist auch eine Außenprüfung zulässig, soweit sie die Verpflichtung dieser Steuerpflichtigen betrifft, für Rechnung eines anderen Steuern zu entrichten oder Steuern einzubehalten. Deshalb ist es im Streitfall ohne Belang, daß das FA hier sowohl die Firma A in X als auch die Klägerinnen einer Lohnsteuer-Außenprüfung unterziehen will. Denn nur auf diesem Wege ist es möglich, im einzelnen festzustellen, wer Arbeitgeber der . . . Leute gewesen ist. Die Vorschriften über die Betriebsprüfung geben nur dann einen Sinn, wenn Ziel der Außenprüfung auch die Feststellung der Arbeitgebereigenschaft des oder der Betroffenen sowie damit die seiner oder ihrer Einbehaltungs- und Abführungspflichten sein kann. Denn es muß - wie auch in § 42 f EStG näher ausgeführt - die Möglichkeit der Überprüfung schon einer potentiellen Haftungs- und Steuerschuldnerschaft in Betracht kommen können (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12. Aufl., § 193 AO 1977 Tz. 6, 9).
Auf die Revision war daher die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Fundstellen