Leitsatz (amtlich)
Datenträger, auf denen Adressen gespeichert sind und mit deren Hilfe Adreßbücher gedruckt werden, sind immaterielle Wirtschaftsgüter, für die eine Investitionszulage nicht gewährt wird.
Normenkette
BerlinFG § 19
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) betreibt in Berlin (West) eine Druckerei. Sie stellt Telexbranchenverzeichnisse und Adreßbücher her. Im Streitjahr 1979 erwarb sie (im Revisionsverfahren allein noch streitig) von der Firma A vier Magnetbänder mit Telexadressen. Der Erwerbspreis betrug ... DM. Auf den Datenträgern sind sämtliche Telexadressen der Bundesrepublik Deutschland, der DDR, Österreichs, der Schweiz und Liechtensteins erfaßt. Die Adressen hat die A bereits vorhandenen Telexbüchern entnommen. Von der Klägerin werden die Adressen nach drei Gesichtspunkten sortiert: Nach Namen, nach Orten und nach Branchen. Die Aktualisierung des Adressenbestandes wird von der Klägerin vorgenommen. Mit Hilfe der Datenbestände stellt die Klägerin Telexverzeichnisse her.
Den Antrag der Klägerin, ihr für die Magnetbänder die Berlinzulage gemäß § 19 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) in Höhe von 25 v.H. der Anschaffungskosten zu gewähren, lehnte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) ab. Das FA sah in den Magnetbändern immaterielle Wirtschaftsgüter. Ebenso behandelte das FA weitere von der Klägerin zum Preis von ... DM erworbene Magnetbänder mit Adressen von Ärzten als immaterielle Wirtschaftsgüter. Insoweit besteht zwischen den Verfahrensbeteiligten im Revisionsverfahren kein Streit mehr.
Nach erfolglosem Einspruch hatte die Klage hinsichtlich der Magnetbänder mit den Telexadressen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat unter Hinweis auf seine frühere Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 27.Oktober 1982 II 138/80, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1983, 438) die Auffassung, daß die Klägerin mit den von der A erstellten Datenbeständen materielle Wirtschaftsgüter erworben habe. Denn die Speicherung der Adressen auf den Magnetbändern und die so gewonnene Materialisierung der Daten habe eine eigene wirtschaftliche Bedeutung erlangt, die selbständig neben die der gespeicherten Daten tritt. Im vorliegenden Fall habe die Klägerin den Kaufpreis in erster Linie für den Arbeitsvorgang der Speicherung und die Datenträger gezahlt. Aus ihrer Sicht sei die Investition weniger für den Erhalt der Information, d.h. für die Daten selbst getätigt worden, da sie diese Information auf andere Weise einfacher und billiger hätte erlangen können, indem sie nämlich die allgemein zugänglichen Telexbücher gekauft hätte.
Gegen die Vorentscheidung wendet sich das FA mit der Revision.
Das FA beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist begründet.
1. Computerprogramme sind nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. Grundsatzurteil vom 3.Juli 1987 III R 7/86, BFHE 150, 259, BStBl II 1987, 728) immaterielle Wirtschaftsgüter. Eine Berlinzulage wird deshalb für solche Programme, da sie nach der herkömmlichen Terminologie keine beweglichen Wirtschaftsgüter sind, nicht gewährt. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz hat der Senat in seinem Urteil vom 5.Februar 1988 III R 49/83 (BFHE 153, 269, BStBl II 1988, 737) für möglich gehalten, wenn ein Programm keine Befehlsstruktur enthält, sondern nur allgemein bekannte und jedermann zugängliche Daten, z.B. Zahlen und Buchstaben auf ihm gespeichert sind, die bei Bedarf in den Computer eingelesen werden. Der Senat hat in diesem Urteil aber bereits zum Ausdruck gebracht, daß wiederum etwas anderes gelten könne, wenn sich ein Programm (Datenträger), obwohl es nur einen bestimmen Datenbestand enthält, unter anderen rechtlichen Gesichtspunkten als ein immaterielles Wirtschaftsgut darstellt. Der Senat hat in diesem Zusammenhang beispielhaft auf die Kundenkartei und das Verlagsarchiv verwiesen, die beide immaterielle Wirtschaftsgüter sind.
2. Bei den hier zu beurteilenden Datenträgern ist ein solcher Fall gegeben. Das Programm enthält sämtliche Teilnehmer von Telexanschlüssen im Inland und deutschsprachigen Ausland. Mit der Kundenkartei eines Unternehmens ist es damit zwar nicht vergleichbar; dafür ist es zu umfassend. Sein besonderer wirtschaftlicher Wert (Vorteil) und damit seine Beurteilung als immaterielles Wirtschaftsgut ergibt sich aber aus der Einsatzmöglichkeit innerhalb des Betriebs der Klägerin. Es befähigt die Klägerin, innerhalb kürzester Zeit Telexbücher zu erstellen, und zwar entsprechend den jeweiligen Kundenwünschen nach unterschiedlichen Gesichtspunkten. In dieser vielfältigen Einsatzmöglichkeit unterscheiden sich die (und die mittlerweile außer Streit befindlichen) Datenprogramme der Klägerin von reinen Buchstabenprogrammen, wie sie Gegenstand der Senatsentscheidung in BFHE 153, 269, BStBl II 1988, 737 waren. Dabei spielt es keine Rolle, ob das erworbene Programm unmittelbar zum Einsatz kommt oder ob die Daten, wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem FG vortragen ließ, in einem vorhergehenden Arbeitsgang nach bestimmten Gesichtspunkten geordnet werden. Diese schnelle Abrufbarkeit der Daten, die ein Computerprogramm ermöglicht, macht seinen Wert für die Klägerin aus und dafür war sie bereit, einen relativ hohen Preis zu bezahlen. Der materielle Wert der Datenträger tritt dahinter völlig zurück. Bei dieser Beurteilung kann offenbleiben, ob der Klägerin zu folgen wäre, daß die Telexanschlüsse, wären sie der Klägerin in Form eines Verzeichnisses geliefert worden, materielle Wirtschaftsgüter wären und daß die gelieferte Speicherung auf Magnetplatten nicht anders beurteilt werden könne. Neben der schnellen Abrufbarkeit bietet die Speicherung auf Datenträgern den weiteren Vorteil, daß die gespeicherten Daten einfach und schnell geändert werden können. Dadurch, daß ein sofortiger Zugriff bei jeder Speicherstelle möglich ist, kann der Bestand an Telexadressen jederzeit aktualisiert werden. Bei einem schriftlichen Adressenverzeichnis besteht eine Änderungsmöglichkeit in dieser einfachen Form nicht.
3. Unerheblich ist, daß die Telexadressen als solche jedermann zugänglich sind und daß der Arbeitsvorgang des Digitalisierens leicht zu bewerkstelligen ist. Immaterielle Wirtschaftsgüter sind nicht notwendigerweise geistig anspruchsvolle Werke, wie Patente und Urheberrechte. Auch bloße tatsächliche Vorteile und Möglichkeiten für den Betrieb können dazu gehören, wie z.B. der Geschäftswert, der Kundenstamm und das bereits genannte Verlagsarchiv. Auch ein Verlagsarchiv besteht aus einer Vielzahl von in der Regel wertlosen Einzelbeiträgen. Der immaterielle Wert besteht bei ihm in dem Ordnungsprinzip, das den Benutzer befähigt, innerhalb kurzer Zeit den gesuchten Beitrag zu finden. Auch der Klägerin stehen selbstverständlich die ausgedruckten amtlichen Telexbücher zur Verfügung, und sie waren die Grundlage für die Erstellung des Programms durch die A. Wenn sich die Klägerin trotzdem, statt selbst die Telexbücher als Vorlage beim Druck zu benutzen, durch die A mit relativ hohem finanziellen Einsatz Datenträger erstellen ließ, dann deshalb, weil sie sich damit einen betrieblichen Vorteil versprach. Das Programm ist für die Klägerin vorteilhaft, weil sie damit Telexbücher schnell und preiswert erstellen kann; sie kann die dabei notwendige Arbeit des Sortierens der Datenbestände nach den verschiedenen Gesichtspunkten einem Computer übertragen.
Da die Vorentscheidung von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen ist, war sie aufzuheben. Die Sache ist spruchreif, die Klage war abzuweisen (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Fundstellen
Haufe-Index 62452 |
BFH/NV 1989, 6 |
BStBl II 1989, 160 |
BFHE 154, 573 |
BFHE 1989, 573 |
BB 1989, 484-484 (LT1) |
BB Beilage 1989, Nr 4, 19-19 (ST) |
DB 1989, 406 (KT) |
DStR 1989, 78 (KT) |
HFR 1989, 204 (LT) |