Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug
Leitsatz (NV)
Dem in einer Rechnung angegebenen Leistungsempfänger steht das Recht auf Vorsteuerabzug mit Hilfe dieser Rechnung nur zu, wenn tatsächlich die Leistung für sein Unternehmen ausgeführt worden ist. Indiz dafür ist insbesondere, daß er (für sich) die Leistung in Auftrag gegeben (bestellt) hat.
Ist der Gesellschafter einer Personengesellschaft Besteller und Empfänger eines gelieferten Gegenstands, kann die Gesellschaft aus einer an sie gerichteten Rechnung den Vorsteuerabzug nicht in Anspruch nehmen.
Normenkette
UStG 1973 § 15
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine KG, machte für die Veranlagungszeiträume 1976 und 1977 abziehbare Vorsteuerbeträge aus Anlaß der Anschaffung von zwei PKW geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) verneinte die Abzugsberechtigung der Klägerin mit der Begründung, die PKW seien von den Gesellschaftern der Klägerin angeschafft worden. Bezüglich des im Jahre 1976 angeschafften PKW stützte er sich darauf, daß die Rechnung des Verkäufers auf einen der Gesellschafter ausgestellt war. Die Rechnung für das im Jahre 1977 angeschaffte Fahrzeug lautete auf die Firma der Klägerin.
Mit der Klage, die sich gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs richtet, trug die Klägerin unter Vorlage einer auf sie lautenden Rechnung für den PKW-Kauf im Jahre 1976 vor, beide PKW seien von ihr bestellt und bezahlt und außerdem ihrem Betriebsvermögen zugeordnet worden. Die polizeiliche Zulassung der PKW jeweils auf einen der beiden Gesellschafter sei allein aus Vereinfachungsgründen erfolgt. Das FA führte demgegenüber aus, die PKW seien nicht an die Klägerin, sondern an die Gesellschafter (unter gesonderter Inrechnungstellung von Umsatzsteuer) geliefert worden.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt. Nach seiner Auffassung bestätigte der Umstand, daß beide Fahrzeuge als Betriebsvermögen der Klägerin ausgewiesen seien, deren Sachvortrag über die Anschaffung der Fahrzeuge. Die tatsächliche Verwendung des Wirtschaftsguts könne ein Beweisanzeichen auch dafür sein, daß es überhaupt an den Unternehmer und nicht an den Dritten geliefert worden sei (also nicht nur dafür, daß es ,,für das Unternehmen" geliefert worden sei). Der Umstand, daß die Rechnung für das im Jahre 1976 gelieferte Fahrzeug ursprünglich auf einen der beiden Gesellschafter gelautet habe, sei insoweit unerheblich; denn die Klägerin habe beide Fahrzeuge als ihr Betriebsvermögen ausgewiesen.
Mit der vom Bundesfinanzhof (BFH) wegen Verfahrensmangels (Beschluß vom 13. September 1984 V B 10/84, BFHE 142, 164, BStBl II 1985, 21) zugelassenen Revision führt das FA aus, das Urteil beruhe auf einem Verfahrensmangel i. S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Nach den Ermittlungen der Betriebsprüfung habe zu dem 1976 gelieferten PKW zunächst eine auf den Namen des Gesellschafters lautende Rechnung des Autohauses vorgelegen. Im Klageverfahren habe die Klägerin dann eine auf ihren Namen lautende Rechnung des Autohauses vorgelegt, bei der es sich unstreitig um eine geänderte Zweitschrift handle.
Bei dieser Sachlage hätte das FG im Hinblick auf die bezüglich der Person des Leistungsempfängers unterschiedlichen Rechnungen des Autohauses der Frage nachgehen müssen, ob tatsächlich die Klägerin oder der Gesellschafter Vertragspartner des Autohauses gewesen sei. Zur Klärung dieser Frage hätte es Feststellungen darüber bedurft, wer Besteller des 1976 gelieferten PKW gewesen sei, z. B. durch eine entsprechende Rückfrage beim Autohaus. Da gemäß § 15 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1967 der Unternehmer nur die Vorsteuerbeträge abziehen könne, die ihm von anderen Unternehmern für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die für sein Unternehmen ausgeführt worden seien, gesondert in Rechnung gestellt worden seien, sei das Urteil - ohne die vorbezeichneten Feststellungen - insoweit unzutreffend, als das FG ausgeführt habe, der Umstand, daß die ursprüngliche Rechnung auf den Namen des Gesellschafters gelautet habe, sei unbedeutend, weil die Klägerin den PKW als ihr Betriebsvermögen ausgewiesen habe. Dieser Gesichtspunkt sei allein bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals ,,für sein Unternehmen" zu würdigen; er setze die vorherige Bestimmung des Leistungsempfängers voraus.
Das FA beantragt, das angefochtene Urteil bezüglich der Umsatzsteuer 1976 aufzuheben.
Die Klägerin tritt der Revision entgegen und trägt im wesentlichen vor: Die vom FA gerügte Nichtaufklärung des maßgeblichen Sachverhalts hätte zu keinem Ergebnis geführt, weil entsprechende Unterlagen bei dem Autohaus nicht mehr vorhanden gewesen seien. Dies sei dem FG mit Schreiben vom . . . mitgeteilt worden. Im übrigen sei darauf hingewiesen worden, daß nach einem Erlaß des Bundesministers der Finanzen - BMF - (BStBl I 1974, 508) die Berichtigung einer Rechnung zulässig sei, wenn irrtümlich ein falscher Adressat in der Rechnung ausgewiesen worden sei.
Nach dem Urteil des Senats in dieser Sache vom 3. Mai 1988 wurde bekannt, daß der Bevollmächtigte der Klägerin zuvor verstorben war. Der Senat hob das Urteil mit Beschluß vom 9. Februar 1989 auf. Am 20. März 1989 zeigte die neue Bevollmächtigte der Klägerin deren Vertretung an. Die Anzeige wurde dem FA am 23. Mai 1989 zugestellt.
Die Klägerin beantragt weiterhin, die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen. Dazu macht sie geltend: Der Sachverhalt sei durch das FG, soweit noch möglich, aufgeklärt. Weitere Zeugen oder Beweismittel könnten nicht benannt werden. Der Gesellschafter P sei am . . . 1988 verstorben. Die nachträglich vorgelegte, auf den . . . 1976 datierte Rechnung sei eine zulässig berichtigte Rechnung, die auf den Zeitpunkt der ursprünglichen Rechnung zurückwirke.
Entscheidungsgründe
Das durch den Tod des Bevollmächtigten unterbrochene Revisionsverfahren kann gemäß § 155 FGO, § 246 Abs. 1 der Zivilprozeßordnung (ZPO) aufgrund der Aufnahme durch die neue Bevollmächtigte der Klägerin fortgeführt werden.
Die Revision des FA ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung.
Das FA rügt zu Recht, daß das angefochtene Urteil auf einem Verfahrensmangel, nämlich unzureichender Sachaufklärung, beruht (§ 76 FGO). Nach dem (insoweit maßgeblichen) materiell-rechtlichen Standpunkt des FG hätte sich ihm angesichts des gesamten Sachverhalts die Notwendigkeit einer weiteren Sachaufklärung aufdrängen müssen.
Das FG ging bei der Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973 davon aus, daß die Frage, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer (oder ein Dritter) Leistungsempfänger sei, grundsätzlich nicht nach Maßgabe der tatsächlichen Verwendung des Leistungsgegenstands im Unternehmen zu beurteilen sei (es handle sich dabei vielmehr um die Frage, ob die Leistung ,,für das Unternehmen" ausgeführt worden sei); die tatsächliche Verwendung könne jedoch ein Beweisanzeichen auch dafür sein, ob der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer Leistungsempfänger sei. Es hat die Frage nach dem Leistungsempfänger jedoch ohne weitere Prüfung der Leistungsbeziehungen nach der Behandlung der Fahrzeuge im Unternehmen der Klägerin - als Betriebsvermögen - beantwortet. Daß die Rechnung für das im Jahre 1976 gelieferte Fahrzeug ursprünglich auf einen der Gesellschafter gelautet hatte, hielt das FG insoweit für unerheblich. Von weiteren Ermittlungen über die Bestellung des 1976 gelieferten Fahrzeugs nahm das FG offenbar aufgrund der Äußerung der Klägerin (Schreiben vom . . .), sie sei außerstande, für die Lieferung der Kfz schriftliche Unterlagen über Bestellung und Auftragsbestätigung dem Gericht vorzulegen, Abstand. Ferner führte das FG in den Entscheidungsgründen aus, das FA habe die Behauptung der Klägerin, die Fahrzeuge habe sie bestellt, sie seien an sie geliefert worden und sie habe auch die Anschaffungskosten getragen, nicht in Abrede gestellt. Die letztere Darstellung des FG widerspricht seiner eigenen Feststellung über den Klageabweisungsantrag des FA (mit der Begründung, die PKW seien für die Gesellschafter der Klägerin angeschafft worden). Das FG geht selbst davon aus, daß die Benennung des Leistungsempfängers in der Rechnung ein (maßgebliches) Indiz für die Bestimmung des tatsächlichen Leistungsempfängers ist. Die von der Klägerin während des Klageverfahrens vorgelegte - auf sie lautende - Rechnung vom . . . 1976 stellte sich, nach nochmaliger Nachfrage des FG aufgrund eines Beweisantritts des FA, als eine geänderte Zweitrechnung heraus. Das FA hat zutreffend vorgetragen, das Vorhandensein der ursprünglichen, auf den Gesellschafter lautenden Rechnung könne darauf hindeuten, daß dieser Gesellschafter mit dem Autohaus den Kaufvertrag abgeschlossen habe und aus diesem Vertrag berechtigt und verpflichtet gewesen sei. Danach wäre der Gesellschafter Leistungsempfänger gewesen und hätte zutreffend auch die Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erhalten.
Bei dieser Sachlage hätte das FG der Frage nach den Vertragsbeziehungen, auf denen die PKW-Lieferung im Jahre 1976 beruhte, nachgehen müssen. Es hätte prüfen müssen, wann und aufgrund welcher Unterlagen die während des finanzgerichtlichen Verfahrens vorgelegte, auf den . . . 1976 datierte Rechnung auf den Namen der Klägerin vom Autolieferanten ausgestellt worden war, zumal während der Ende 1979 durchgeführten Betriebsprüfung dem Prüfer nur die auf den Gesellschafter lautende Rechnung über den Autokauf im Jahre 1976 vorlag, andererseits aber nach dem Begleitschreiben vom 18. November 1982, mit dem die Klägerin die geänderte Rechnung vorlegte, Unterlagen über Bestellung und über Korrespondenz nicht mehr vorhanden waren und auch - ausweislich des Schreibens vom . . . - der auf die Lieferfirma lautende Bestellschein bei der Firma nicht mehr vorhanden war. Ergeben die erneuten Ermittlungen des FG, daß die auf die Klägerin lautende Rechnung ihr im Veranlagungszeitraum 1976 noch nicht vorlag, so scheiden schon aus diesem Grunde im Besteuerungszeitraum 1976 abziehbare Vorsteuerbeträge aus (§ 16 Abs. 2 Satz 1, § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1973). Die Klage wäre dann abzuweisen. Sollte hingegen - was das FG offenbar unterstellt hat - die Rechnung schon im Jahre 1976 geändert worden sein, so konnte das FG die Klärung der dargestellten widersprüchlichen Behauptungen zum einen nicht mit der Begründung unterlassen, die Klägerin habe den PKW als ihr Betriebsvermögen ausgewiesen, zum anderen durfte das FG von weiteren Ermittlungen nicht aufgrund der bloßen Behauptung der Klägerin, Unterlagen bei ihr oder beim Autolieferer seien nicht mehr vorhanden, absehen. Ggf. hätte das FG durch Einvernahme der Gesellschafter der Klägerin und durch Beweiserhebung unter Heranziehung des Lieferers weitere Ermittlungen vornehmen müssen. Das FG wäre möglicherweise - wie das FA geltend macht - zu einer anderen rechtlichen Folgerung über den Leistungsempfänger als im Urteil dargestellt gekommen, wenn es die Vertragsbeziehungen bezüglich der PKW-Lieferung im Jahre 1976 näher aufgeklärt hätte.
Die Sache war zurückzuverweisen. Wegen des Verfahrensmangels konnte der Senat zur Sache selbst nicht entscheiden, wie die Klägerin offenbar anregen wollte.
Fundstellen
Haufe-Index 416423 |
BFH/NV 1990, 331 |