Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsbehelfe gegen einzelne Ermittlungsmaßnahmen des FA; Außenprüfung auch bei möglicherweise eingetretener Verjährung
Leitsatz (NV)
1. Die Anordnung des FA, sich für Ermittlungsmaßnahmen des FA bereitzuhalten und bestimmte Unterlagen vorzulegen, stellt einen anfechtbaren Verwaltungsakt dar.
2. Das FA handelt nicht ermessensfehlerhaft, wenn es eine Außenprüfung auf Zeiträume erstreckt, für die Steuerfestsetzungen möglicherweise wegen Verjährung nicht mehr durchgeführt werden können.
Normenkette
AO 1977 §§ 88, 118, 193ff
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Inhaber von zwei landwirtschaftlichen Betrieben, die er seit dem 1. Juli 1977 verpachtet hat; die Betriebsaufgabe hat er nicht erklärt. Seinen Gewinn ermittelt er durch Bestandsvergleich. Der Kläger hat dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) in der Vergangenheit seine Buchführungsunterlagen zur Ermittlung von Richtsätzen für landwirtschaftliche Betriebe zur Verfügung gestellt; dies ist zuletzt für das Wirtschaftsjahr 1975/76 geschehen. Im September 1976 kündigte das FA dem Kläger eine Betriebsprüfung an. Die Prüfung wurde jedoch nicht durchgeführt; zwischen dem Kläger und dem FA wurde nach Feststellung des Finanzgerichts (FG) Übereinkunft erzielt, daß eine Betriebsprüfung so lange nicht stattfinde, als er seine Buchführungsunterlagen für Richtsatzprüfungen zur Verfügung stelle.
Schließlich ordnete das FA im April 1981 eine Außenprüfung für die Jahre 1977 bis 1979 an. Zusätzlich wurde in der Prüfungsanordnung ausgeführt, daß im Rahmen der Außenprüfung auch die vorläufigen Veranlagungen 1974 bis 1976 überprüft werden sollten. Dem Prüfer sollten insbesondere alle Grundstücksverträge und die erforderlichen Verzeichnisse vorgelegt werden. Hierauf beantragte der Kläger, die angeordnete Betriebsprüfung ,,abzusetzen". Das FA sah darin eine Beschwerde, die es der zuständigen Oberfinanzdirektion (OFD) zur Entscheidung vorlegte; gleichzeitig setzte das FA die Vollziehung der Prüfungsanordnung bis zur Entscheidung über die Beschwerde aus. Die OFD wies die Beschwerde im März 1982 zurück.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger Klage zum FG. Gleichzeitig beantragte er, die Vollziehung der Prüfungsanordnung auszusetzen. Das FG wies diesen Antrag im Januar 1983 zurück. Das FG hob die Prüfungsanordnung hinsichtlich der Zeiträume 1974, 1975 und 1977 auf, weil mögliche Steuernachforderungen für diese Jahre verjährt seien; im übrigen wies es die Klage ab.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung der Abgabenordnung (AO 1977).
Das FA beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Auf die Revision des FA muß das angefochtene Urteil aufgehoben und die Klage im ganzen abgewiesen werden.
1. Das FG ist davon ausgegangen, daß das FA auch für die Jahre 1974 bis 1976 eine Außenprüfung angeordnet hat. Dem kann nicht gefolgt werden.
Welche Bedeutung ein Verwaltungsakt hat, muß ggf. im Wege der Auslegung ermittelt werden, dazu ist auch das Revisionsgericht berufen. Im Streitfall sollte sich die Außenprüfung nach dem Wortlaut der Prüfungsanordnung auf die Einkommensteuer 1977 bis 1979 (Wirtschaftsjahre 1976/77 bis 1979/80), die Vermögensteuer zum 1. Januar 1977, 1. Januar 1978 und 1. Januar 1979 sowie die Umsatzsteuer 1976 bis 1979 beziehen. Wenn außerdem ausgesprochen ist, daß im Rahmen der Außenprüfung die vorläufigen Veranlagungen 1974 bis 1976 mit zu überprüfen seien, kann damit nicht die Ausdehnung der Außenprüfung auf diesen Zeitraum gemeint gewesen sein. In diesem Fall hätte das FA, um den Umfang der Außenprüfung gemäß § 196 AO 1977 näher zu umschreiben, die zu prüfenden Steuerarten angegeben, wie dies für die Vorjahre geschehen ist. Dem FA mußte auch bekannt sein, daß eine Ausdehnung des Prüfungszeitraums über die letzten drei Besteuerungszeiträume hinaus nach § 4 Abs. 2 der Betriebsprüfungsordnung (Steuer) - BpO(St) - vom 27. April 1978 (BStBl I, 195) nur in Ausnahmefällen zulässig war und daß diese Voraussetzungen näher erläutert werden mußten.
Da nicht angenommen werden kann, daß das FA alle diese Anforderungen übersehen hat, läßt sich die Anordnung entsprechend ihrem Wortlaut nur dahin verstehen, daß der Prüfer Einzelermittlungen hinsichtlich der vorläufig gemäß § 100 Abs. 2 der Reichsabgabenordnung (AO) ergangenen und nunmehr unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 AO 1977) stehenden Veranlagungen anstellen sollte, um dadurch die endgültige Veranlagung vorzubereiten oder diese selbst durchzuführen. Derartige zusätzliche Einzelermittlungen können mit einer Außenprüfung verbunden und dem Außenprüfer übertragen werden (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790). Allerdings stellt auch eine Anordnung, sich für derartige Ermittlungsmaßnahmen bereitzuhalten und bestimmte Unterlagen vorzulegen, einen Verwaltungsakt dar, der vom Betroffenen angefochten werden kann (vgl. Urteil in BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790).
2. Gegen die Rechtmäßigkeit dieser Anordnungen und auch gegen die vom FG beanstandete Anordnung der Betriebsprüfung für 1977 bestehen keine Bedenken. Insbesondere mußte das FA entgegen der Auffassung des FG von Prüfungsmaßnahmen nicht deshalb Abstand nehmen, weil die Steueransprüche für die genannten Zeiträume, wie vom FG angenommen, verjährt waren.
Wie der VIII. Senat des BFH in seiner Entscheidung vom 23. Juli 1985 VIII R 48/85 (BFHE 145, 3, BStBl II 1986, 433) ausgeführt hat, handelt das FA nicht ermessensfehlerhaft, wenn es die Außenprüfung auf Zeiträume erstreckt, für die Steuerfestsetzungen möglicherweise wegen Verjährung nicht mehr durchgeführt werden können. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an. Über den Eintritt der Festsetzungsverjährung kann verbindlich erst im Veranlagungsverfahren befunden werden. Es mag anders zu entscheiden sein, wenn der Eintritt der Festsetzungsverjährung auf der Hand liegt und sich daraus Anhaltspunkte für eine sachwidrige Ausübung des Ermessens ergeben. So liegen die Verhältnisse im Streitfall aber nicht. Insbesondere ist rechtlich eher wahrscheinlich, daß der Antrag auf Aussetzung der Vollziehung der Prüfungsanordnung einem Antrag auf Hinausschieben der Prüfung i. S. von § 171 Abs. 4 AO 1977 gleichsteht und verjährungshemmend wirkt.
Daß im übrigen gegen die Prüfungsanordnung des FA keine Bedenken bestehen, weil der Kläger auch als Verpächter zu den in § 193 Abs. 1 AO 1977 genannten Unternehmern gehört, ist vom FG rechtsfehlerfrei ausgeführt worden.
Fundstellen