Entscheidungsstichwort (Thema)
Vorsteuerabzug: Zuordnung von Leistungsbezügen, unentgeltliche Zurverfügungstellung von Stellplätzen durch eine Bank
Leitsatz (amtlich)
1. Leistungsbezüge, die gegenständlich in unentgeltliche Leistungen des Unternehmers eingehen, werden wirtschaftlich den Ausgangsumsätzen des Unternehmers zugerechnet und daher für diese verwendet (Anschluß an BFH-Urteil vom 26.Juli 1988 X R 50/82, BFHE 154, 390, BStBl II 1988, 1015).
2. Stellt eine Bank ihren Kunden und --um weitere Kunden zu gewinnen-- anderen Autofahrern unentgeltlich Stellplätze zum Parken zur Verfügung, sind die Umsatzsteuern, die ihr für die Leistungen zur Errichtung und den Unterhalt des Parkhauses in Rechnung gestellt worden sind, im Verhältnis ihrer steuerfreien Umsätze an den gesamten Umsätzen (i.S. des § 1 Abs.1 Nr.1 bis 3 UStG) vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
Orientierungssatz
Soweit der Senat im Urteil vom 18.12.1986 V R 176/75 die Auffassung vertreten hat, die unentgeltliche Nutzungsüberlassung einer betrieblichen Schwimmhalle an Geschäftsfreunde sei eine für die Frage der Verwendung relevante Leistung, hält er hieran nicht fest.
Normenkette
UStG 1980 § 15 Abs. 2, 4, § 1 Abs. 1 Nrn. 1-3; EWGRL 388/77 Art. 17 Abs. 2
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Bank, errichtete auf einem ihrer Zweigstelle benachbarten Grundstück ein Parkhaus, das sie ihren Kunden und beliebigen anderen Personen unentgeltlich zum Parken zur Verfügung stellte.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) versagte den Abzug der von der Klägerin geltend gemachten Vorsteuerbeträge aus den Herstellungskosten und den Unterhaltskosten des Gebäudes. Er machte eine von der Klägerin gemäß § 17 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 für das Jahr 1981 vorgenommene Berichtigung des Vorsteuerabzugs rückgängig.
Der hiergegen nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) nur insoweit statt, als es den Vorsteuerabzug entsprechend dem Anteil der steuerpflichtigen Umsätze an den gesamten Umsätzen der Klägerin zuließ. Das FG führte im wesentlichen aus: Das Parkhaus sei für das Unternehmen der Klägerin errichtet worden. Es habe ihrem Bankgeschäft dienen sollen. Durch die Parkmöglichkeiten habe die Klägerin den Kunden den Geschäftsverkehr mit ihr erleichtern wollen. Soweit die Klägerin auch anderen Autofahrern das Parken ermöglicht habe, habe sie das Ziel verfolgt, neue Kunden zu gewinnen. Der Vorsteuerabzug sei nur im Verhältnis der steuerpflichtigen Umsätze zu den übrigen (steuerfreien) Umsätzen der Klägerin gerechtfertigt. Entscheidend sei der wirtschaftliche Zusammenhang der für die Gebäudeerrichtung bezogenen Leistungen mit den von der Klägerin ausgeführten (entgeltlichen) Umsätzen. Es sei nicht feststellbar, inwieweit die strittigen Vorsteuerbeträge den zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen oder den übrigen Umsätzen zuzurechnen seien. Die Aufteilung sei daher nicht nach Absatz 4 des § 15 UStG 1980, sondern nach Absatz 5 dieser Vorschrift vorzunehmen.
Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 15 Abs.1, 2 UStG 1980. Sie könne --so meint sie-- die gesamten geltend gemachten Vorsteuerbeträge abziehen. Der Vorsteuerabzug sei nicht gemäß § 15 Abs.2 Nr.3 UStG 1980 ausgeschlossen, weil die (unentgeltliche) Überlassung der Parkplätze steuerpflichtig wäre, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt worden wäre (Vermietung). Die für die Errichtung des Parkhauses und dessen Unterhalt bezogenen Leistungen seien unmittelbar der Überlassung der Stellplätze zuzurechnen, nicht den eigentlichen Bankumsätzen.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung der angefochtenen Umsatzsteuerbescheide die Umsatzsteuer für 1980 um ... DM und für 1981 um ... DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet.
1. Die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 sind zwar erfüllt. Der Vorsteuerabzug ist aber gemäß § 15 Abs.4 Satz 1 i.V.m. Abs.2 Nr.1 UStG 1980 ausgeschlossen, soweit die für das Parkhaus bezogenen Leistungen den steuerfreien (Bank-)Umsätzen der Klägerin wirtschaftlich zuzurechnen sind.
a) Nach § 15 Abs.1 Nr.1 Satz 1 UStG 1980 kann der Unternehmer die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG 1980 gesondert ausgewiesene Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die von anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, als Vorsteuerbeträge abziehen. Ob der Unternehmer Leistungen "für sein Unternehmen" bezieht, unterliegt grundsätzlich seiner Zuordnungsentscheidung. Diese ist anzuerkennen, soweit die Leistung im Umfang des vorgesehenen Einsatzes in einem objektiven und erkennbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der unternehmerischen Tätigkeit stehen und diese fördern soll (Senatsurteil vom 26.April 1990 V R 166/84, BFHE 161, 182, BStBl II 1990, 799). Dies war hier der Fall; denn das Gebäude sollte zum einen der Vermietung der für die Bücherei bestimmten Räume und zum anderen der Abwicklung des Geschäftsverkehrs mit den Kunden und der Gewinnung neuer Kunden dienen. Ob daneben öffentliche Belange (z.B. der öffentliche Verkehr) als nichtunternehmerischer Zweck gefördert werden sollten, ist nicht ausschlaggebend.
b) Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Klägerin nicht die gesamten streitigen Vorsteuerbeträge abziehen kann, sondern daß diese aufzuteilen sind. Die Aufteilung richtet sich aber nicht nach § 15 Abs.5 UStG 1980 a.F., sondern nach § 15 Abs.4 UStG 1980.
aa) Verwendet der Unternehmer einen für sein Unternehmen gelieferten oder eingeführten Gegenstand oder eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist gemäß § 15 Abs.4 Satz 1 UStG 1980 der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist.
Bei einem Unternehmer, der sowohl Umsätze ausführt, die zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug nach § 15 Abs.2 UStG 1980 führen, als auch solche, bei denen ein solcher Ausschluß nicht eintritt, sind zunächst die Vorsteuerbeträge zu ermitteln, die ausschließlich (nicht nur zum Teil) den vorsteuerabzugsschädlichen und ausschließlich den nicht vorsteuerabzugsschädlichen Umsätzen zuzurechnen sind. Ist diese Zurechnung erfolgt und verbleiben dem Unternehmer gelieferte Gegenstände oder von ihm in Anspruch genommene Leistungen, die er nicht ausschließlich, sondern nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen, so ist bezüglich dieser restlichen Vorbezüge in den Streitjahren nach § 15 Abs.4 bis 6 UStG 1980 a.F. zu verfahren (Senatsurteil vom 12.März 1992 V R 70/87, BFHE 168, 447, BStBl II 1992, 755 unter II. 1. a).
bb) Die Klägerin hat die Leistungsbezüge für die Errichtung und den Unterhalt des Parkhauses zur Ausführung ihrer Umsätze als Bank verwendet. Denn die Leistungsbezüge für das Parkhaus sind diesen Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen. Auf die unentgeltliche Überlassung der Stellplätze kommt es für die Frage nach der Verwendung der Vorbezüge nicht an.
Ob und inwieweit eine vorsteuerabzugsschädliche Verwendung von Leistungen vorliegt, ist --wie sich insbesondere aus § 15 Abs.4 Satz 1 UStG 1980 ergibt-- nach der wirtschaftlichen Zurechnung der betreffenden Vorbezüge zu den Umsätzen des Unternehmers zu bestimmen (Senatsurteile vom 21.Juli 1988 V R 87/83, BFHE 155, 177, BStBl II 1989, 60, und vom 30.November 1989 V R 85/84, BFHE 159, 272, BStBl II 1990, 345). Dabei hat der Bundesfinanzhof (BFH) von der Sachverhaltswürdigung des FG auszugehen, daß die unentgeltliche Überlassung der Parkplätze aus unternehmerischen Gründen (Gewinnung neuer Kunden, Erleichterung des Geschäftsverkehrs mit den Kunden) erfolgte. Unentgeltliche Leistungen, die zu unternehmerischen Zwecken getätigt werden, sollen die Ausgangsumsätze des Unternehmers fördern. Sie sind selbst keine Umsätze i.S. des § 1 Abs.1 UStG 1980. Vorbezüge (hier z.B. die Bauleistungen für das Parkhaus), die gegenständlich in diese unentgeltlichen Leistungen (Überlassung der Parkplätze) eingehen, sind deshalb wirtschaftlich den Ausgangsumsätzen (§ 1 Abs.1 Nr.1 bis 3 UStG 1980) zuzurechnen (so bereits für Werbeartikel BFH-Urteil vom 26.Juli 1988 X R 50/82, BFHE 154, 390, 392, BStBl II 1988, 1015, 1016). Erst im Rahmen dieser Zurechnung zu den Ausgangsumsätzen kann es eine Rolle spielen, welches der erste Umsatz (d.h. die erste entgeltliche Leistung bzw. der Eigenverbrauch) ist, in dessen Gegenstand die bezogene Leistung eingeht. Nur wenn die Zurechnung zu mehreren steuerbaren Ausgangsumsätzen fraglich ist, kommt es auf den ersten Umsatz im bezeichneten Sinne an. Auf diese --im Streitfall nicht gegebene-- Sachlage bezieht sich das Senatsurteil vom 31.Juli 1987 V R 148/78 (BFHE 150, 473, BStBl II 1987, 754), so daß sich die Klägerin für ihre Ansicht zu Unrecht auf diese Entscheidung beruft.
Soweit der Senat im Urteil vom 18.Dezember 1986 V R 176/75 (BFHE 149, 78, BStBl II 1987, 350, unter B.I.2.B) die Auffassung vertreten hat, die unentgeltliche Nutzungsüberlassung einer betrieblichen Schwimmhalle an Geschäftsfreunde sei eine für die Frage der Verwendung relevante Leistung, hält er hieran nicht fest.
cc) Aus § 15 Abs.2 Nr.3 UStG 1980 ergibt sich für den Streitfall nichts anderes. Nach dieser Vorschrift ist vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen die Steuer für Lieferungen und sonstige Leistungen, die der Unternehmer zur Ausführung von unentgeltlichen Lieferungen und sonstigen Leistungen verwendet, die steuerfrei wären, wenn sie gegen Entgelt ausgeführt würden. Diese unentgeltlichen Lieferungen und sonstigen Leistungen werden durch § 15 Abs.2 Satz 1 UStG 1980 als "Umsätze" --über die Definition des § 1 Abs.1 Nr.1 und 2 UStG 1980 hinaus-- fingiert. Die unentgeltlichen Leistungen müssen zu unternehmerischen Zwecken ausgeführt werden, da unentgeltliche Leistungen zu nichtunternehmerischen Zwecken in den Regelungsbereich des Eigenverbrauchs fallen und von § 15 Abs.2 Nr.1 UStG 1980 erfaßt werden.
Im Streitfall greift § 15 Abs.2 Nr.3 UStG 1980 nicht ein, weil die Überlassung der Parkplätze im Falle ihrer Entgeltlichkeit steuerpflichtig wäre (§ 4 Nr.12 Satz 2 UStG 1980). Die Verneinung dieses Ausschlußtatbestands bedeutet aber nicht, daß in Fällen fiktiv steuerpflichtiger, unentgeltlicher Leistungen der Vorsteuerabzug gegeben wäre. Die Fassung des § 15 Abs.2 Satz 1 Nr.3 UStG 1980 läßt nicht erkennen, daß im Wege eines Umkehrschlusses für diese Fälle das die Vorschrift des § 15 UStG 1980 beherrschende Prinzip wirtschaftlicher Zuordnung verdrängt werden soll. § 15 Abs.2 Nr.3 UStG 1980 steht vielmehr selbständig neben den Ausschlußtatbeständen des § 15 Abs.2 Nr.1 und 2 UStG 1980 und schränkt deren Anwendungsbereich nicht ein. Ob für die fiktiv steuerfreien, unentgeltlichen Leistungen noch ein Anwendungsbereich dieser Vorschrift verbleibt, braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden.
dd) Das Ergebnis steht in Einklang mit Art.17 Abs.2 der Sechsten Richtlinie des Rates (77/388/EWG) vom 17.Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften --ABlEG-- 1977 Nr.L 145 S.1). Nach dieser Bestimmung ist der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug nur befugt, soweit die bezogenen Gegenstände und Dienstleistungen für Zwecke seiner besteuerten Umsätze verwendet werden. Diese gemeinschaftsrechtliche Vorgabe wollte der Gesetzgeber in § 15 Abs.2 und 3 UStG 1980 umsetzen (vgl. Begründung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Umsatzsteuergesetzes vom 15.März 1978, BRDrucks 145/78, zu § 15 Abs.2).
ee) Das FG hat die Vorsteueraufteilung nach dem Umsatzschlüssel zu Unrecht auf § 15 Abs.5 UStG 1980 a.F. gestützt. Die Anwendung dieser Vorschrift stand nur dem Unternehmer zu.
Dies führt aber nicht zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die Klägerin hat in den Streitjahren weit überwiegend steuerfreie Umsätze ausgeführt (§ 4 Nr.8 UStG 1980), die den Vorsteuerabzug ausschließen (§ 15 Abs.2 Nr.1 UStG 1980). Nach Sachlage bestehen daher im Ergebnis keine Bedenken, daß die Leistungsbezüge für das Parkhaus im Schätzungswege den steuerfreien und den steuerpflichtigen Umsätzen nach ihrem Verhältnis wirtschaftlich zugerechnet worden sind (§ 15 Abs.4 Satz 1 UStG 1980). Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß die Klägerin gegenüber ihren Kunden, die das Parkhaus benutzten, um die Zweigstelle aufzusuchen, in höherem Maße steuerpflichtige Umsätze ausgeführt hätte. Soweit es darum ging, durch die Parkmöglichkeit neue Kunden zu gewinnen, ist anzunehmen, daß auch diese die steuerfreien und steuerpflichtigen Leistungen der Klägerin insgesamt im gleichen Verhältnis in Anspruch nehmen würden. Die Klägerin hat gegen diese bereits im Vorbescheid geäußerte Auffassung keine Einwendungen erhoben.
Fundstellen
Haufe-Index 64756 |
BFH/NV 1993, 49 |
BStBl II 1993, 525 |
BFHE 171, 104 |
BFHE 1994, 104 |
BB 1993, 2436 |
BB 1993, 2436-2438 (LT) |
DB 1993, 1860 (L) |
DStR 1993, 988 (KT) |
DStZ 1993, 503 (KT) |
HFR 1993, 462 (LT) |
StE 1993, 340 (K) |