Entscheidungsstichwort (Thema)
Lebenslängliches Wohnungsrecht eines Dritten; Anschaffungskosten eines Zweifamilienhauses bei vorbehaltenem Wohnungsrecht des Veräußerers an einer Wohnung
Leitsatz (NV)
1. Ein Hauseigentümer kann solche Aufwendungen, die er für eine mit einem lebenslangen Wohnungsrecht eines Dritten belastete Wohnung erbringt, mangels Einkünfteerzielung nicht als Werbungskosten, und zwar auch nicht als vorab entstandene Werbungskosten im Hinblick auf eine nach Erlöschen des Wohnungsrechts beabsichtigte Vermietung der Wohnung abziehen (Anschluß an BFH-Urteil vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660).
2. Zur Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Anschaffungskosten eines Zweifamilienhauses, an dessen einer Wohnung sich der Veräußerer ein unentgeltliches Wohnungsrecht vorbehalten hat, sind die Anschaffungskosten für das Gebäude um den Anteil zu kürzen, der dem Nutzflächenanteil der mit dem Wohnungsrecht belasteten Wohnung entspricht und der zuvor um den kapitalisierten Wert des Wohnungsrechts ohne Berücksichtigung eines Bodenwertanteils vermindert worden ist.
Normenkette
EStG §§ 7b, 9 Abs. 1, § 21 Abs. 1 Nr. 1; BGB § 1093
Verfahrensgang
Tatbestand
Die verstorbene Mutter der Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1), die von dieser beerbt worden ist, und der Kläger und Revisionskläger zu 2 (Kläger zu 2) erwarben mit notariell beurkundeten Verträgen vom 22. September 1983 und 8. März 1984 je zur Hälfte ein Zweifamilienhaus. Der "Barkaufpreis" betrug 160 000 DM. Darüber hinaus behielt sich die Verkäuferin ein lebenslanges unentgeltliches Wohnungsrecht an der im Erdgeschoß des Hauses gelegenen Wohnung, die 50 v. H. der Gesamtwohnfläche des Hauses ausmacht, sowie ein lebenslängliches Nutzungsrecht an dem Garten vor; die Nutzungsrechte wurden als beschränkt persönliche Dienstbarkeiten im Grundbuch eingetragen. Nach dem Besitzübergang zum 1. Dezember 1983 wurde die Wohnung im Obergeschoß vermietet.
Mit ihren Erklärungen zur gesonderten und einheitlichen Feststellung machten die Mutter der Klägerin zu 1 und der Kläger zu 2 Werbungskostenüberschüsse für die Jahre 1983 bis 1985 (Streitjahre) in Höhe von 29 792 DM für 1983, 20 731 DM für 1984 und 26 909 DM für 1985 geltend. Nachdem der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) in den gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) unter den Vorbehalt der Nachprüfung gestellten Feststellungsbescheiden zunächst nur einen Teil der Werbungskostenüberschüsse berücksichtigt hatte, stellte er mit der Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 1989 die Einkünfte in Höhe von ./. 4 069 DM für 1983, ./. 6 242 DM für 1984 und ./. 7 908 DM für 1985 fest. Im Hinblick auf das Wohnungsrecht der Verkäuferin berücksichtigte er hierbei von den anerkannten Werbungskosten lediglich einen Anteil von 50 v. H. Die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen nach § 7 b des Einkommensteuergesetzes (EStG) berechnete das FA in der Weise, daß es den "Barkaufpreis" sowie die Nebenkosten (insgesamt: 167 921 DM) zugrunde legte und nach einer Wertermittlung des Bausachverständigen von einem Gebäudewertanteil von 58,4 v. H. (= 98 066 DM) ausging.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Da die Kläger im Hinblick auf das Wohnungsrecht der Verkäuferin nur in bezug auf 50 v. H. der Wohnfläche des Zweifamilienhauses Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielten, könnten auch nur die Hälfte der Werbungskosten berücksichtigt werden. Das FA habe auch die Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen zutreffend ermittelt; entgegen der Ansicht der Kläger sei der Kapitalwert des Wohnungsrechts insoweit nicht zu berücksichtigen, da die Einräumung des Wohnungsrechts kein Entgelt für den Erwerb des Zweifamilienhauses darstelle.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung der §§ 21 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2, 9 Abs. 1 EStG. Sie sind der Ansicht, sämtliche von ihnen getätigten Aufwendungen seien als Werbungskosten abziehbar. Dies gelte auch insoweit, als sie auf die zunächst noch mit dem Wohnungsrecht belastete Wohnung entfielen; es sei nicht zulässig, das Zwei familienhaus in zwei getrennte Wirtschaftsgüter aufzuteilen. Zudem habe das FG zu Unrecht die Einräumung des Nutzungsrechts nicht als Entgelt des -- unter fremden Dritten vorgenommenen -- Erwerbs berücksichtigt.
Die Kläger beantragen sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung und Änderung der Einspruchsentscheidung vom 16. Mai 1989 die Werbungskostenüberschüsse um die nicht berücksichtigten Werbungskosten zu erhöhen.
Das FA beantragt, die Revision als teilweise unbegründet zurückzuweisen, im übrigen das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Während die Werbungskostenkürzung zu Recht erfolgt sei, sei die Sache zur Ermittlung der -- nach Maßgabe des Senatsurteils vom 7. Juni 1994 IX R 33, 34/92 (BFHE 175, 70, BStBl II 1994, 927) -- zutreffenden Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen an das FG zurückzuverweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --).
1. Zutreffend hat das FG entschieden, daß nur diejenigen Aufwendungen als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, die auf die von den Klägern vermietete Wohnung im Obergeschoß des Zweifamilienhauses entfallen. Nach ständiger Rechtsprechung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird, kann ein Hauseigentümer solche Aufwendungen, die er für eine mit einem Wohnungsrecht eines Dritten belastete Wohnung erbringt, mangels Einkünfteerzielung nicht als Werbungskosten abziehen (vgl. z. B. Senatsurteile vom 16. Oktober 1984 IX R 81/82, BFHE 143, 310, BStBl II 1985, 390; vom 13. Februar 1990 IX R 99/85, BFH/NV 1990, 628, sowie in BFHE 175, 70, BStBl II 1994, 927, jeweils m. w. N.). Entgegen der Ansicht der Kläger kommt eine Berücksichtigung solcher Aufwendungen auch nicht unter dem Gesichtspunkt sog. vorab entstandener Werbungskosten in Betracht (vgl. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 7. Dezember 1982 VIII R 166/80, BFHE 139, 23, BStBl II 1983, 660, unter 1. b).
2. Die angefochtene Entscheidung kann jedoch insoweit keinen Bestand haben, als das FG die Klage auch in bezug auf die berücksichtigungsfähigen erhöhten Absetzungen nach § 7 b EStG in vollem Umfang abgewiesen hat.
Zwar ist das FG hinsichtlich der Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen zu Recht davon ausgegangen, daß die Einräumung des Wohnungsrechts zugunsten der Verkäuferin keine Gegenleistung der Erwerber für die Übertragung des Grundstücks darstellt; vielmehr mindert das Wohnungsrecht von vornherein den Wert des übertragenen Vermögens (BFH-Urteile vom 10. April 1991 XI R 7, 8/84, BFHE 164, 343, BStBl II 1991, 791; vom 24. April 1991 XI R 5/83, BFHE 164, 352, BStBl II 1991, 793). Mithin ist der "Barkaufpreis" nicht um den Kapitalwert des Wohnungsrechts zu erhöhen.
Mit Urteil in BFHE 175, 70, BStBl II 1994, 927, auf das insoweit Bezug genommen wird, hat der Senat -- in einem dem Streitfall vergleichbaren Fall -- jedoch entschieden, daß zur Ermittlung der berücksichtigungsfähigen Anschaffungskosten die Anschaffungskosten für das Gebäude um den Anteil zu kürzen sind, der dem Nutzflächenanteil der mit dem Wohnungsrecht belasteten Wohnung entspricht und der zuvor um den kapitalisierten Wert des Wohnungsrechts ohne Berücksichtigung eines Bodenwertanteils vermindert worden ist. Zur Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die erhöhten Absetzungen sind im Streitfall mithin zunächst die Anschaffungskosten des Gebäudes im Verhältnis der Nutzflächen der beiden Wohnungen des Zweifamilienhauses aufzuteilen. Sodann sind die hiernach auf die Wohnung im Erdgeschoß entfallenden Anschaffungskosten um den Kapitalwert des Wohnungsrechts der Verkäuferin zu mindern; die Differenz ist von den Anschaffungskosten des Gebäudes (in Höhe von 98 066 DM) abzuziehen.
3. Mangels der hierzu notwendigen tatsächlichen Feststellungen ist die Sache nicht spruchreif. Das FG wird im zweiten Rechtsgang sowohl das Nutzflächenverhältnis der beiden Wohnungen in dem Zweifamilienhaus der Kläger als auch den Kapitalwert des Wohnungsrechts der Verkäuferin zu ermitteln haben.
Fundstellen
Haufe-Index 65825 |
BFH/NV 1996, 808 |