Leitsatz (amtlich)
Ein Angehöriger der steuerberatenden Berufe, der Liquidator einer KG ist, kann im Steuerprozeß der KG als ihr Prozeßvertreter auftreten. Da er von Gesetzes wegen vertretungsbefugt ist, kann ihm die Vorlegung einer Prozeßvollmacht der KG nicht aufgegeben werden.
Normenkette
FGO § 62; VGFG-EntlG Art. 3 § 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine in Liquidation befindliche GmbH & Co. KG, wendet sich gegen die einheitliche Gewinnfeststellung für 1976. Liquidator ist der Wirtschaftsprüfer und Steuerberater X. Dieser erhob gegen den Feststellungsbescheid nach erfolglosem Vorverfahren Klage. In der Klageschrift bezeichnete er als Klägerin die KG "vertreten durch mich als Liquidator". Die Klageschrift ist auf Briefbogen des Wirtschaftsprüfers und Steuerberaters X abgefaßt und von ihm unterschrieben worden.
Das Finanzgericht (FG) setzte dem Wirtschaftsprüfer und Steuerberater X gemäß Art. 3 § 1 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit vom 31. März 1978 - VGFG-EntlG - (BGBl I 1978, 446) eine Ausschlußfrist zur Vorlage der Prozeßvollmacht; dieser legte die von ihm in seiner Eigenschaft als Liquidator ausgestellte Vollmacht erst nach Fristablauf vor. Das FG wies die Klage wegen der verspäteten Vorlegung der Vollmacht als unzulässig ab, weil X die Klage als Prozeßbevollmächtigter und nicht als Liquidator erhoben habe. Das ergebe sich aus dem Inhalt der Klageschrift, die er nicht als Liquidator mit der Firma der KG unterzeichnet habe, ferner aus dem Antrag, die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, und auch aus der Vorlegung der angeforderten Vollmacht. Erst nach Ablauf der Ausschlußfrist habe er erklärt, in Wahrheit als Liquidator tätig geworden zu sein.
Hiergegen richtet sich die Revision, mit der geltend gemacht wird, daß X nach dem Inhalt der Klageschrift den Rechtsbehelf als Liquidator eingelegt habe; darum werde in der Klage auch nicht auf eine Prozeßvollmacht Bezug genommen. Das FG habe die Vollmacht zu Unrecht angefordert; ihre Einreichung sei überflüssig gewesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG; das FG hat die Regeln über die gerichtliche Vertretung der Prozeßbeteiligten verkannt.
Die Klägerin wurde als nichtprozeßfähige Personenvereinigung im Steuerprozeß durch ihren gesetzlichen Vertreter vertreten (§ 58 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Nach Beginn der Liquidation war hierzu der Liquidator berufen (§ 149 Satz 2 des Handelsgesetzbuches - HGB -). Ist ein Rechtsanwalt Liquidator, so kann dieser als Prozeßvertreter für die Partei auftreten. In § 78 Abs. 3 der Zivilprozeßordnung ist vorgesehen, daß ein Rechtsanwalt sich selbst vertreten kann; dementsprechend kann ein Rechtsanwalt, der gesetzlicher Vertreter einer Prozeßpartei ist, für diese auch als Prozeßvertreter tätig werden (vgl. Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 42. Aufl., § 78 Anm. 3). In einem solchen Fall treffen den Rechtsanwalt die besonderen prozessualen Rechte und Pflichten eines Prozeßbevollmächtigten. Der Wille des Rechtsanwalts, in dieser Weise aufzutreten, ergibt sich meist daraus, daß er sich zum Anwalt der gesetzlich vertretenen Partei bestellt. Doch kann sich eine entsprechende Absicht auch aus den Umständen ergeben; im Zweifel ist sogar anzunehmen, daß der Anwalt Prozeßvertreter sein will (vgl. Entscheidung des Kammergerichts vom 27. April 1954 2 U 2012/53, Neue Juristische Wochenschrift 1955, 593).
Einer Prozeßvollmacht bedarf es in diesem Fall nicht. Das Vertretungsrecht ergibt sich vielmehr aus der sachlich-rechtlichen Vertretungsmacht, die auch die gerichtliche Vertretung des gesetzlich Vertretenen umfaßt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, a. a. O., § 80 Anm. 1 E).
Von diesen Grundsätzen ist nach § 155 FGO auch im Rahmen der durch § 62 FGO geregelten Vertretung im Steuerprozeß auszugehen. Das FG hat danach zu Recht angenommen, daß X als Prozeßvertreter der Klägerin aufgetreten ist. Hierzu bedurfte er jedoch keiner besonderen Vollmacht, weil er nach § 149 Satz 2 HGB sachlich-rechtlich zur gerichtlichen Vertretung der KG befugt war; dies schließt auch eine Tätigkeit als Prozeßvertreter ein. Die Anforderung der Prozeßvollmacht durch das Gericht und die Versäumung der Vorlegungsfrist blieben demnach wirkungslos. Art. 3 § 1 VGFG-EntlG sieht eine Ausschlußfrist nur für die Einreichung der Prozeßvollmacht, nicht aber für den Nachweis der sachlich-rechtlichen Vertretungsmacht vor.
Fundstellen
BStBl II 1985, 60 |
BFHE 1985, 106 |