Entscheidungsstichwort (Thema)
Antrag nach § 68 FGO; Berichtigung gem. § 129 AO
Leitsatz (NV)
1. Ein Antrag nach § 68 FGO ist auch nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung über den Änderungsbescheid zulässig.
2. Die Berichtigung eines Steuerbescheids nach § 129 AO 1977 ist zulässig, wenn der veranlagende Beamte bei Anwendung der Splittingtabelle die Hälfte des zu versteuernden Einkommens errechnet, die auf diesen Betrag entfallende Einkommensteuer irrtümlich statt aus der Grundtabelle einer nichtamtlichen Splittingtabelle entnimmt und diesen Betrag verdoppelt.
Normenkette
FGO § 68; AO 1977 § 129
Verfahrensgang
Tatbestand
Gegen die zur Einkommensteuer zusammenveranlagten Kläger erließ das Finanzamt (FA) wegen ungeklärter Aufwendungen bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für das Streitjahr einen vorläufigen Einkommensteuerbescheid. Während des Einspruchsverfahrens ergingen zwei vorläufige Änderungsbescheide. In der Einspruchsentscheidung berücksichtigte das FA einen Werbungskostenüberschuß hinsichtlich der fraglichen Einkünfte in Höhe von . . . DM und änderte den zuletzt ergangenen Bescheid entsprechend ab. Die Steuerfestsetzung wurde für endgültig erklärt. Bei der Steuerfestsetzung ging das FA von einem zu versteuernden Einkommen von . . . DM aus. Der Bearbeiter ermittelte die Steuer hinsichtlich der Hälfte des zu versteuernden Einkommens aus der Splittingtabelle und verdoppelte sodann diesen Betrag. Es ergab sich eine Einkommensteuer von . . . DM. Im Laufe des Klageverfahrens stellte das FA einen Werbungskostenüberschuß für das fragliche Grundstück in Höhe von . . . DM fest und erließ einen erneut geänderten Bescheid unter Berücksichtigung dieses Werbungskostenüberschusses, korrigierte aber gleichzeitig die Berechnung der Steuer (§§ 172 Abs. 1 Nr.2, 129 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Es ergab sich nunmehr eine Steuer von . . . DM. Auch gegen diesen Bescheid legten die Kläger Einspruch ein, der jedoch ohne Erfolg blieb. Die Einspruchsentscheidung wurde nicht angefochten. Mit dem vor Bestandskraft der Einspruchsentscheidung eingegangenen Schriftsatz stellten die Kläger den Antrag, den geänderten Bescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung nach § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und die Einkommensteuer auf . . . DM festzusetzen.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unzulässig ab und vertrat im angegriffenen Urteil den Standpunkt, ein Antrag nach § 68 FGO könne nicht mehr gestellt werden, wenn im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens über einen vorgehenden Bescheid ein Änderungsbescheid ergehe und im Vorverfahren hinsichtlich dieses Bescheids eine Einspruchsentscheidung ergangen sei. Sinn und Zweck von § 68 FGO gingen dahin, ein weiteres Vorverfahren und insbesondere eine weitere Einspruchsentscheidung überflüssig zu machen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist im Ergebnis als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 4 FGO).
Das FG hat zu Unrecht den von den Klägern im Laufe des Verfahrens gestellten Antrag nach § 68 FGO als unzulässig behandelt. Auch nach Ergehen einer Einspruchsentscheidung im Verfahren über den Änderungsbescheid, selbst nach deren Bestandskraft, ist ein derartiger Antrag zulässig (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Februar 1990 IX R 334/87, BFHE 160, 295, BStBl II 1990, 694; vom 24. April 1990 IX R 321/87, BFHE 160, 415, BStBl II 1990, 865). Die Vorentscheidung erweist sich jedoch im Ergebnis als zutreffend. Die Klage war unbegründet. Der Bescheid vom . . . in der Gestalt der Einspruchsentscheidung vom . . . , der durch den Antrag der Kläger zum Gegenstand des Verfahrens geworden ist, hält der Rechtsprüfung stand.
1. Die äußere Zusammenfassung einer Änderung sowie einer Berichtigung in einem einzigen Bescheid ist aus Gründen der Verfahrensvereinfachung zulässig, soweit die getrennt zu prüfenden Voraussetzungen von Änderung und Berichtigung vorliegen (BFH-Urteil vom 18. März 1989 X R 116/87, BFHE 156, 59, BStBl II 1989, 531).
2. Das FA war befugt, den vorgehenden Bescheid nach § 129 AO 1977 zu berichtigen. Eine Berichtigung ist ohne Zustimmung des Steuerpflichtigen und auch zu seinen Lasten jederzeit möglich, wenn der Bescheid Schreibfehler, Rechenfehler oder ähnliche offenbare Unrichtigkeiten enthält, die auf mechanischem Versehen beruhen. Fehler bei der Auslegung oder Nichtanwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung, unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts oder Fehler, die auf mangelnder Sachaufklärung oder Nichtbeachtung feststehender Tatsachen beruhen, schließen die Anwendung des § 129 AO 1977 aus (BFH-Urteile vom 8. Dezember 1967 VI R 85/67, BFHE 90, 468, BStBl II 1968, 191; vom 24. Mai 1977 IV R 44/74, BFHE 122, 393, BStBl II 1977, 853; vom 14. Juni 1991 III R 64/89, BFHE 165, 438, BStBl II 1992, 52). Voraussetzung für eine Berichtigung ist, daß keine wertenden Entscheidungen zu treffen waren, die zu einem Rechtsfehler hätten führen können, daß die Vorgaben feststehen und keinen weiteren Überlegungen zugänglich sind. Ein derartiges mechanisches Versehen ist bei dem versehentlichen Ablesen aus einer falschen Tabelle anzunehmen. Im Streitfall hat der Bearbeiter die Hälfte des zu versteuernden Einkommens errechnet, die auf diesen Betrag entfallende Einkommensteuer statt aus der Grundtabelle aus der Splittingtabelle entnommen und diesen Betrag verdoppelt. Wie im Splittingverfahren die Steuer zu errechnen ist, ergibt sich so eindeutig aus § 32a Abs. 5 EStG, daß für eine abweichende Rechtsauffassung kein Raum ist. Eine wertende Entscheidung, die zu einem Rechtsfehler führen könnte, konnte nicht vorgenommen werden. Dabei spielt es keine Rolle, daß die Einkommensteuer-Splittingtabelle in Anlage 2 zum EStG die auf die Kläger zutreffenden Beträge nicht mehr erfaßt. Auch das versehentlich falsche Ablesen aus einer nichtamtlichen Tabelle ist ein typisches mechanisches Versehen (BFH-Urteil vom 25. Oktober 1978 II R 70/78, BFHE 126, 268, BStBl II 1979, 196).
Die Unrichtigkeit des Bescheids war offenkundig, da ein Vergleich der festgesetzten Steuer mit der sich aus einer Tabelle ergebenden richtigen Steuer das Versehen ohne weiteres ergab. Die Berichtigung des vorgehenden Bescheids war deshalb zulässig.
Fundstellen