Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechnungsabgrenzungsposten für Urlaubsgeld bei abweichendem Wirtschaftsjahr
Leitsatz (amtlich)
Es hängt von den Vereinbarungen der Vertragspartner ab, ob Urlaubsgeld, das bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr vor dem Bilanzstichtag für das gesamte Urlaubsjahr bezahlt wird, anteilig aktiv abzugrenzen ist.
Orientierungssatz
Ausführungen zum Begriff "Aufwand für eine bestimmte Zeit" i.S. des § 5 Abs. 4 EStG, zum Arbeitsverhältnis als schwebendes Dauerschuldverhältnis, zur Erbringung der Leistung des Arbeitnehmers im Hinblick auf Arbeitsentgelt und Urlaubsgeld (vgl. BFH-Rechtsprechung) und zur Aufgabe des BFH-Urteils vom 7.11.1963 IV 396/60 S.
Normenkette
EStG 1986 § 5 Abs. 4
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) --eine KG-- ermittelte ihren Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr (1.Juli bis 30.Juni eines Jahres). Ihre Arbeitnehmer erhalten zusätzlich zum Urlaubsentgelt ein jährliches Urlaubsgeld. Der Urlaubsanspruch richtet sich nach dem Kalenderjahr.
Der Anspruch auf das Urlaubsgeld entsteht bereits bei Antritt eines einwöchigen Urlaubs. Das Urlaubsgeld kann auch im Falle des vorzeitigen Ausscheidens eines Arbeitnehmers vor Ablauf des Urlaubsjahres nicht zurückgefordert werden.
Die Klägerin hat die im ersten Urlaubsjahr bezahlten Urlaubsgelder als Aufwand verbucht. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) vertritt demgegenüber die Ansicht, das Urlaubsgeld werde für das ganze Urlaubsjahr geleistet und sei deshalb in den Bilanzen zum 30.Juni des jeweiligen Jahres aktiv abzugrenzen. Der Einspruch blieb erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der --vom FG zugelassenen-- Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts (§ 5 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes 1986 --EStG--).
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
1. Die Klägerin war nicht verpflichtet, die gezahlten Urlaubsgelder in den Bilanzen zum 30.Juni 1986 und 30.Juni 1989 aktiv abzugrenzen.
a) Nach § 5 Abs.4 Satz 1 EStG in der für die Streitjahre geltenden Fassung sind Rechnungsabgrenzungsposten auf der Aktivseite der Bilanz nur anzusetzen, wenn die vor dem Bilanzstichtag geleisteten Zahlungen Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. "Aufwand für eine bestimmte Zeit" ist nach ständiger Rechtsprechung in dem Sinne zu verstehen, daß einer Vorleistung eine noch nicht erbrachte zeitraumbezogene Gegenleistung gegenübersteht (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 4.März 1976 IV R 78/72, BFHE 121, 318, BStBl II 1977, 380 m.w.N.; vom 4.Mai 1977 I R 27/74, BFHE 123, 20, BStBl II 1977, 802; vom 3.Mai 1983 VIII R 100/81, BFHE 138, 443, BStBl II 1983, 572 m.w.N., weitere Nachweise zur Rechtsprechung und zur herrschenden Meinung bei Bauer in Kirchhof/ Söhn, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 5 Rdnr. F 90; ebenso Abschn.31 b Abs.2 der Einkommensteuer-Richtlinien 1990 --EStR--). Gemeint sind hier Vorleistungen aus schwebenden Dauerschuldverhältnissen.
b) Das Arbeitsverhältnis ist ein solches Dauerschuldverhältnis (zur Miteinbeziehung des Urlaubsentgelts und des Urlaubsgeldes in den schwebenden Vertrag, vgl. z.B. BFH-Urteile vom 26.Juni 1980 IV R 35/74, BFHE 130, 533, BStBl II 1980, 506, und vom 30.April 1986 II R 201/83, BFHE 146, 564, BStBl II 1986, 664, 666). Der Schwebezustand des Arbeitsverhältnisses ist aber hinsichtlich der Zahlungen des Urlaubsgeldes bereits beendet.
Ein schwebendes Geschäft endet, wenn der zur Sachleistung verpflichtete Vertragspartner --hier also der Arbeitnehmer-- seine Leistungen erbracht hat (vgl. z.B. --für Veräußerungsverträge-- BFH-Urteile vom 29.April 1987 I R 192/82, BFHE 150, 412, BStBl II 1987, 797; vom 26.April 1989 I R 147/84, BFHE 157, 121, BStBl II 1991, 213, und vom 10.April 1991 II R 118/86, BFHE 164, 448, BStBl II 1991, 620, sowie --für Nutzungsrechte-- BFH-Urteil vom 20.Mai 1992 X R 49/89, BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904 m.w.N. und --für Dienstleistungsverträge-- z.B. BFH-Urteile vom 8.Dezember 1982 I R 142/81, BFHE 137, 448, BStBl II 1983, 369). Die Leistung ist erbracht, wenn der Arbeitnehmer nach dem zugrundeliegenden Rechtsverhältnis alles für den Erwerb der Gegenleistung Erforderliche getan hat. Für das Arbeitsentgelt bedeutet dies regelmäßig, daß "für den jeweils vergangenen Zeitraum eine teilweise Erfüllung des Dauerschuldverhältnisses anzunehmen ist" (vgl. zuletzt --für Mietverhältnisse-- BFH-Urteil in BFHE 168, 182, BStBl II 1992, 904). Für das Urlaubsgeld gilt nichts anderes. Ob und inwieweit hier das Arbeitsverhältnis durch Erbringung der Arbeitsleistung bereits teilweise erfüllt ist, hängt von den --individuellen oder kollektiven-- Vereinbarungen der Vertragspartner ab.
Wird das Urlaubsgeld z.B. mit der Verpflichtung zur Rückzahlung bei vorzeitigem Ausscheiden gewährt, ist eine Vorleistung im Rahmen eines insoweit noch schwebenden Vertrages anzunehmen. Entsteht der Anspruch des Arbeitnehmers auf das Urlaubsgeld jedoch --wie im Streitfall-- ohne weitere Voraussetzungen bereits mit Antritt eines einwöchigen Urlaubs und ist eine Rückforderung ausgeschlossen, so ist die Zahlung des Urlaubsgeldes keine (teilweise) Vorleistung, sondern die endgültige Erfüllung des Anspruchs.
c) Soweit sich aus dem --inhaltlich Urlaubsentgelt betreffenden-- Urteil des BFH vom 7.November 1963 IV 396/60 S (BFHE 78, 311, BStBl III 1964, 123) etwas anderes ergeben sollte, ist daran nicht mehr festzuhalten. Der Streitfall betrifft Urlaubsgeld, das vom Arbeitgeber aufgrund zusätzlicher Vereinbarungen neben dem Urlaubsentgelt gewährt wird. Die Zahlung von Urlaubsgeld kann an andere Voraussetzungen geknüpft sein als die Zahlung von Urlaubsentgelt. Es ist zudem zu berücksichtigen, daß sich die Rechtslage mit der Regelung der Bilanzierung von Rechnungsabgrenzungsposten in § 5 Abs.3 EStG 1969 geändert hat (vgl. dazu Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 20.Aufl., § 5 EStG Anm.2000 "Urlaubsentgelt" m.w.N.).
Fundstellen
BFH/NV 1993, 62 |
BStBl II 1993, 709 |
BFHE 171, 221 |
BFHE 1994, 221 |
BB 1993, 1769 |
BB 1993, 1769 (LT) |
DB 1993, 1751 (LT) |
DStZ 1993, 603 (KT) |
HFR 1993, 634 (KT) |
StE 1993, 446 (K) |
WPg 1993, 690 (ST) |
StRK, Akt. RAP R. 5 (LT) |
Information StW 1993, 544 (KT) |