Leitsatz (amtlich)
Ein aus einer Offsetdruckmaschine und einem Kopiergerät für die Herstellung der Druckvorlage kombiniertes Vervielfältigungssystem ist als einheitliche Ware der Tarifst. 84.35 A II GZT zuzuweisen.
Normenkette
GZT ATV 3; GZT Tarifnr. 84.35; GZT Tarifnr. 90.10
Tatbestand
Die Klägerin beantragte am 24. März 1980 bei der Beklagten (Oberfinanzdirektion – OFD –) die Erteilung einer verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) über zwei Waren, die sie als „Vervielfältiger Systeme 4 und 5” bezeichnete und durch Prospekte veranschaulichte. Die Waren sollen aus den USA eingeführt und zur Herstellung von Offsetdrucken verwendet werden. Die Waren bestehen aus einem Kopiergerät und einer Offsetdruckmaschine. Im System 4 besitzt die Druckmaschine ein Druckwerk, im System 5 zwei Druckwerke. In jedem System arbeitet das Kopiergerät mit der Druckmaschine zusammen. Die äußeren Abmessungen der beiden Systembestandteile sind aufeinander abgestimmt, Kopiergerät und Druckmaschine sind jeweils in einem eigenen Stahlblechgehäuse untergebracht und haben einen voneinander unabhängigen eigenen Antrieb. Die beiden Gehäuse sind durch ein Bodenblech mit Seitensichtblenden miteinander verbunden. Von der Steuerung der Druckmaschine läuft eine Signalleitung zur Steuerung des Kopiergerätes.
Die Systeme arbeiten wie folgt. Das Kopiergerät zieht eine auf seiner Eingabeebene angelegte Druckvorlage (Original) in sein optisches System ein und überträgt sie durch Belichten auf eine Zinkoxidfolie. Dabei laden sich die belichteten Stellen elektrostatisch auf, so daß das Original durch das unterschiedliche Ladungspotential auf der Folie gespeichert ist. Durch Auftragen eines schwarzen Pulvers, das an den aufgeladenen Stellen haftet, wird das Bild sichtbar gemacht und dann durch Einbrennen fixiert. Die schwarzen Flächen des Bildes nehmen später in der Druckmaschine Druckfarbe an und geben diese an das Druckwerk weiter. Durch Einschalten verschiedener Optiken sind Verkleinerungen der Originale möglich. Das Kopiergerät kann innerhalb des Systems auch zur Herstellung von Einzelkopien unabhängig von der Arbeit der Druckmaschine verwendet werden. Die vom Kopiergerät fixierten Zinkoxidfolien (Offsetfolien) werden automatisch ausgegeben. Sie fallen auf die mit endlos umlaufenden Förderbändern arbeitende Einlaufbrücke der Offsetdruckmaschine, werden deren Folienzylinder zugeführt und dort automatisch eingespannt. Die Druckmaschine stellt sodann eine an ihrem Bedienungspaneel vorgewählte Menge von Vervielfältigungen her, sammelt diese in einem Ablagefach, wirft nach Beendigung des Arbeitsablaufs die gebrauchte Offsetfolie in ein zweites Ablagefach aus und gibt zugleich über die Signalleitung den Befehl zum Einzug des nächsten Originals in das Kopiergerät. Das Papier wird dem Druckwerk von einem im Maschinengehäuse unter der Transporteinheit gelegenen Magazin zugeführt. Mit dem System 4 können die Druckbogen in einem Durchgang nur einseitig, beim System 5 dagegen zweiseitig oder mehrfarbig bedruckt werden.
Die OFD erteilte am 24. September 1980 die vZTA Nr. 910/1980. Sie wies darin die „Vervielfältiger Systeme 4 und 5” den Tarifst. 90.10 A (Kopiergerät) und 84.35 A II (Druckmaschine) des Gemeinsamen Zolltarifs (GZT) zu. Dagegen legte die Klägerin Einspruch mit der Begründung ein, die Systeme stellten nicht zwei Geräte, sondern eine aus dem Kopiergerät und der Druckmaschine bestehende Maschineneinheit dar, die nach der Allgemeinen Tarifierungsvorschrift (ATV) 3 b der Tarifst. 84.35 A II GZT zugeordnet werden müsse. Die OFD wies den Einspruch als unbegründet zurück.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist begründet. Der Vervielfältiger System 4 gehört zur Tarifst. 84.35 A II GZT. Das gleiche gilt für den Vervielfältiger System 5. Da sich beide Systeme nur in für die Tarifierung unwesentlichen Punkten unterscheiden – darüber sind sich die Beteiligten einig –, gilt das im folgenden zum System 4 Gesagte entsprechend auch für das System 5.
1. Ein und dieselbe Ware kann nicht gleichzeitig unter zwei verschiedene Tarifstellen fallen. Dieser an sich selbstverständliche Grundsatz ergibt sich auch aus den ATV 2 b letzter Satz und 3 b. Diese Bestimmungen gehen davon aus, daß auch für eine aus verschiedenen Bestandteilen zusammengesetzte Ware nur eine einzige Tarifposition in Frage kommen kann. Ist also das System 4eine Ware, so kann es nicht – wie in der angefochtenen vZTA geschehen – zwei verschiedenen Tarifstellen zugeordnet werden. Zolltariflich gesehen bildet diese Ware eine Ganzheit, ist also nur einer einheitlichen Tarifierung zugänglich.
a) Gegenstand der vZTA bildet das Vervielfältigungssystem 4, wie es in der vZTA beschrieben und abgebildet ist. Es braucht daher nicht auf die Tarifierungsfragen eingegangen zu werden, die sich daraus ergeben, daß diese Ware – wie sich aus dem Klagevorbringen, nicht aber aus den Anträgen auf Erteilung einer vZTA und dieser vZTA ergibt – jeweils zerlegt eingeführt wird (vgl. ATV 2 a und ErlNRZZ in ErlZT, Abschn. XVI, Teil I Rdnrn. 52 und 53). Gegenstand der Tarifierung ist vielmehr die Ware in dem Zustand, den sie nach vollständiger Montierung erhalten hat.
b) Das System 4 besteht zwar aus zwei Geräten, der Druckmaschine und dem Kopiergerät. Das allein rechtfertigt es jedoch nur dann, das System tariflich als zwei Waren anzusehen, wenn die Geräte nicht zu einem einheitlichen Ganzen zusammengefügt sind. Das Gegenteil ist jedoch der Fall.
Wie sich aus der Abbildung des Systems in der vZTA ergibt, stellt es sich im äußeren Erscheinungsbild als eine Ware dar, der der Laie nicht ansieht, daß es aus zwei Geräten besteht, die verschiedene Funktionen ausüben. Dieses einheitliche Aussehen geht zurück auf die äußere Abstimmung der Verkleidung, die Seitensichtblenden und die feste Verbindung beider Geräte über ein Bodenblech.
Noch mehr als diese äußere Beschaffenheit der Ware sprechen die technischen und funktionellen Merkmale des Systems dafür, daß es eine Ware ist, die tariflich eine Ganzheit darstellt. Das System ist so eingerichtet, daß sich vom automatischen Originaleinzug bis zum Auswurf der Drucke alles automatisch vollzieht. Die Geräte sind technisch aufeinander abgestimmt, indem die Druckmaschine nach Beendigung eines Arbeitsganges dem Kopiergerät über eine Signalleitung den Befehl gibt zum Einzug des nächsten Originals. Bei Fehlern im Einzug geht ein Signal an die Druckmaschine und stoppt diese.
Neben dem optischen Erscheinungsbild und den funktionellen und technischen Eigenarten des Systems spricht schließlich für das Vorliegen einer Einheit auch, daß das System mehr enthält als die beiden Geräte. Das gilt nicht nur für die zum äußeren Erscheinungsbild gehörigen Zusatzteile. Es gilt auch für die Funktion wesentlicher Teile, die nur für das System, nicht aber für die einzelnen Geräte erforderlich sind. Das sind der automatische Originaleinzug am Kopiergerät, die Einlaufbrücke an der Druckmaschine und die Ausrüstung, die das Zusammenwirken beider Geräte steuert.
c) Die Einwendungen der OFD gegen diese Auffassung greifen nicht durch.
Die beiden im System 4 integrierten Geräte sind zwar jeweils in besonderen Gehäusen untergebracht und besitzen jeweils eigene unabhängig arbeitende Antriebe und unabhängige Steuerungen (daneben gibt es ein zentrales Bedienungspult); beide Geräte können auch unabhängig voneinander eingesetzt werden und sind – abgesehen von der über das Bodenblech bewerkstelligten Schraubenverbindung – nicht unmittelbar miteinander verbunden. Das sind aber keine relevanten Gesichtspunkte für die Frage, ob eine einheitliche Ware vorliegt. Wesentlich ist vielmehr insbesondere der Umstand, daß beide Geräte über die äußerliche Verbindung hinaus in der geschilderten Weise technisch und funktionell aufeinander abgestimmt sind. Daher ist es auch ohne Belang, daß die Verbindung beider Geräte innerhalb weniger Minuten gelöst werden kann.
Entgegen der Auffassung der OFD kommt es nicht darauf an, ob das System selbst eine Funktion erfüllt, die mehr ist als die Addition der Funktionen der Teilgeräte. Überdies besitzt der Vervielfältiger eine zusätzliche Funktion, die sich insbesondere im automatischen Ablauf vom Originaleinzug bis zum Auswurf der Drucke zeigt.
d) Aus der ATV 3 ergibt sich nicht, daß die streitbefangene Ware keine Ganzheit ist. Die Bestimmung der ATV 3 b, daß Waren, die aus verschiedenen Bestandteilen bestehen und für deren Tarifierung mehrere Tarifnummern in Betracht kommen, nach dem charakterbestimmenden Bestandteil zu tarifieren sind, enthält keine Definition des Begriffs einer einheitlichen Ware. Auch aus den dazu ergangenen ErlNRZZ (vgl. ErlZT zur ATV 3, Teil I Rdnr. 18) läßt sich für den vorliegenden Fall nichts entnehmen. Aus ihnen ergibt sich lediglich, daß eine einheitliche Ware im zolltariflichen Sinn auch dann vorliegen kann, wenn die Bestandteile der Ware abtrennbar sind, falls diese Bestandteile gewisse Mindestanforderungen erfüllen. Gedacht ist dabei, wie die in den zitierten Erläuterungen aufgeführten Beispiele zeigen, im wesentlichen an Waren, die aus verschiedenen, leicht voneinander trennbaren Teilen bestehen, wie etwa der als Beispiel ausdrücklich genannte zweiteilige Aschenbecher. Dagegen sagen diese Erläuterungen nichts aus über die Fälle, in denen mehrere Geräte, die verschiedene Funktionen erfüllen, ineiner Ware vereinigt werden. Auf das Vorbringen der Beteiligten zu den ErlZT zur ATV 3 b braucht daher im einzelnen nicht eingegangen zu werden.
2. Der Vervielfältiger System 4 ist also eine einheitliche Ware, die auch nur einheitlich tarifiert werden kann. Der GZT enthält keine Tarifnummer, die diese Ware unmittelbar erfaßt. In Frage käme allenfalls die Tarifnr. 84.35 GZT („Maschinen … zum Drucken …”), da das System dem Vervielfältigen (Drucken) eines eingegebenen Originals dient. Druckmaschinen werden aber im Regelfall die – anderweitig hergestellten – Druckformträger eingegeben, während das vorliegende System im Kopiergerät aus dem Original, das vervielfältigt werden soll, erst eine Druckvorlage herstellt.
Es liegt also eine Ware vor, für deren Tarifierung zwei Tarifnummern in Betracht kommen, die Tarifnr. 90.10 GZT (für das Kopiergerät) und die Tarifnr. 84.35 GZT (für die Druckmaschine). Für diesen Fall sieht die ATV 3 eine besondere Regelung vor. Da keine der in Frage kommenden Tarifnummern eine genauere Warenbezeichnung enthält (vgl. ATV 3 a), ist nach dem charakterbestimmenden Bestandteil zu tarifieren (ATV 3 b). Charakterbestimmend für den Vervielfältiger ist die Druckmaschine. Ausschlaggebende Kriterien sind im Regel fall die charakteristischen Merkmale und objektiven Eigenschaften der Ware (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften – EuGH – vom 26. Februar 1980 Rs. 54/79, EuGHE 1980, 311). Der Druckautomat herrscht funktions- und wertmäßig vor. Das Kopiergerät hat mehr eine Hilfsfunktion. Dem entsprechenden Vortrag der Klägerin hat die OFD auch nicht widersprochen. Die Ware ist daher der Tarifnr. 84.35 GZT und dort der Tarifst. A II zuzuordnen.
3. Da die angefochtene vZTA rechtsfehlerhaft diese Ware (und den Vervielfältiger System 5) z. T. einer anderen Tarifstelle zugeordnet hat, war sie aufzuheben. Entsprechend dem Antrag der Klägerin war die OFD zu verpflichten, der Klägerin eine vZTA zu erteilen, durch die die Ware der Tarifst. 84.35 A II GZT zugewiesen wird (vgl. Urteil des erkennenden Senats vom 30. April 1980 VII K 1/77, BFHE 131, 134, BStBl II 1980, 594).
Da sich für den erkennenden Senat keine Zweifelsfrage bei der Auslegung des GZT ergab, war er zur Anrufung des EuGH nach Art. 177 Abs. 3 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWGV) nicht verpflichtet (vgl. Urteil des Senats vom 22. Oktober 1975 VII R 105/73, BFHE 117, 313).
Fundstellen
Haufe-Index 510476 |
BFHE 1983, 22 |