Leitsatz (amtlich)
1. Die Finanzbehörden überschreiten das ihnen in § 3 ZRFG eingeräumte Ermessen nicht dadurch, daß sie Sonderabschreibungen nur für abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens zulassen, die vom Steuerpflichtigen zum ausschließlichen oder fast ausschließlichen eigenbetrieblichen Gebrauch errichtet oder erworben worden sind (Anschluß an BFH-Urteil vom 21. April 1983 IV R 217/82, BFHE 138, 292, BStBl II 1983, 532).
2. Hat das FA einem Steuerpflichtigen aufgrund dessen unrichtiger Angaben Sonderabschreibungen nach dem ZRFG bewilligt, die es bei vollständiger Kenntnis des Sachverhalts in diesem Umfang nicht gewährt hätte, kann es die Bewilligung der Sonderabschreibungen insoweit zurücknehmen.
Normenkette
ZRFG § 3; AO 1977 § 130 Abs. 2 Nr. 3
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Campingplatz. Im Jahre 1974 errichtete er auf diesem Grundstück ein Wirtschaftsgebäude und ein Waschgebäude. Mit Schreiben vom 24. Mai 1977 beantragte der Kläger, ihm für diese Wirtschaftsgüter Sonderabschreibungen nach § 3 des Zonenrandförderungsgesetzes (ZRFG) zu gewähren. Er erklärte hierzu, daß er die Wirtschaftsgüter des unbeweglichen Anlagevermögens sowie Ausbauten und Erweiterungen zu 100 v. H. eigenbetrieblich nutze. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) entsprach dem Antrag. Bei einer Betriebsprüfung ergaben sich zusätzliche Herstellungskosten des Wirtschaftsgebäudes.
In dem Betriebsprüfungsbericht ist ausgeführt, daß das Wirtschaftsgebäude wie folgt genutzt wurde:
Für eigene Wohnzwecke des Klägers seit Fertigstellung 77,88 qm (18,45 v. H. der gesamten Nutzfläche),
seit 1975 als Supermarkt, Restaurant und Imbiß, die an fremde Unternehmer vermietet bzw. verpachtet sind, 273,54 qm (64,81 v. H. der gesamten Nutzfläche),
ab Fertigstellung Vermietung von zwei Appartements an Feriengäste, 70,65 qm (16,74 v. H. der gesamten Nutzfläche).
Das FA sah daraufhin bei dem Wirtschaftsgebäude eine eigengewerbliche Nutzung nur hinsichtlich der zwei Appartements als gegeben an und widerrief die darüber hinaus für das Wirtschaftsgebäude bewilligten Sonderabschreibungen.
Der Kläger erhob nach erfolgloser Beschwerde Klage mit dem Begehren, die Rücknahmeverfügung des FA aufzuheben. Er trug vor, die Nutzung auch der vermieteten oder verpachteten Teile des Wirtschaftsgebäudes sei als eine eigenbetriebliche anzusehen, weil sie unmittelbar dem vom Kläger selbst betriebenen Campingplatz zugute komme. Die in dem Wirtschaftsgebäude betriebene Gaststätte und der Laden bildeten mit dem Campingplatz eine unlösbare Einheit. Der Campingplatz liege außerhalb der Ortschaft. Gerade die Dauergäste würden den Platz nicht nutzen ohne entsprechende Einkaufsmöglichkeiten und Gastronomie. Die Pächter der Gaststätte und des Ladengeschäfts seien vertraglich verpflichtet, ihre Betriebe entsprechend dem Bedarf des Campingplatzes zu führen. Gaststätte und Ladengeschäft seien zwar in der äußeren Form Fremdbetriebe, seien aber infolge ihrer Abhängigkeit vom Betrieb des Klägers notwendiger Bestandteil des Campingplatzes.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Gegen das Urteil des FG legte der Kläger Revision ein.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat zutreffend entschieden, daß die Rücknahme gewährter Sonderabschreibungen nach § 3 ZRFG rechtmäßig ist.
a) In der Entscheidung vom 28. Oktober 1981 I R 156/78 (BFHE 134, 335, BStBl II 1982, 88), auf die auch das FG hingewiesen hat, hat der erkennende Senat ausführlich dargelegt, daß die nach § 3 ZRFG zu erlassenden Entscheidungen der Finanzverwaltung Ermessensentscheidungen sind. Innerhalb abgesteckter Grenzen sei der Verwaltung ein Spielraum eingeräumt worden, unter einer Mehrzahl zulässiger Verhaltensweisen zu wählen.
Nach § 3 Abs. 5 ZRFG gelten für die zu gewährenden Maßnahmen die Vorschriften des § 131 Abs. 2, 3 Satz 1 und Abs. 4 der Reichsabgabenordnung (AO) sinngemäß. Das bedeutet, daß für bestimmte Gruppen gleichgelagerter Fälle durch die obersten Finanzbehörden Richtlinien aufgestellt werden können. Der Gesetzgeber ist aufgrund seiner Gestaltungsfreiheit befugt, wirtschaftspolitische Zielsetzungen dadurch zu verwirklichen, daß er im Rahmen eines Gesetzes die Finanzverwaltung ermächtigt, unter mehreren tatbestandlichen Voraussetzungen und innerhalb bestimmter Höchstgrenzen Steuererleichterungen zu gewähren. In dem Schreiben des Bundesministers für Wirtschaft und Finanzen (BMWF) vom 18. August 1971 (BStBl I 1971, 386) und in entsprechenden Erlassen der Finanzminister der Länder sind die näheren Vorschriften für die Maßnahmen aufgrund des ZRFG -- hier insbesondere für die Gewährung von Sonderabschreibungen -- geregelt. In Abschn. I Nr. 2 Abs. 1 des Schreibens des BMWF ist bestimmt, daß Sonderabschreibungen für im Zonenrandgebiet belegene abnutzbare unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens nur in Betracht kommen, wenn sie vom Steuerpflichtigen zum ausschließlichen oder fast ausschließlichen eigenbetrieblichen Gebrauch errichtet oder erworben worden sind. Das aufgestellte Erfordernis des eigenbetrieblichen Gebrauchs des errichteten oder erworbenen abnutzbaren unbeweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens begegnet ebensowenig Bedenken, wie die Beschränkung auf neue und nicht auch gebrauchte Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens (Urteile des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 28. April 1977 IV R 163/75, BFHE 122, 121, BStBl II 1977, 553; vom 27. Juli 1977 I R 169/74, BFHE 123, 327, BStBl II 1978, 10, und vom 24. Juli 1980 IV R 117/77, BFHE 131, 356, BStBl II 1980, 762). Jeder Investor muß selbst in seiner Person und mit seiner Betriebsstätte die Voraussetzungen für Vergünstigungen erfüllen und kann sich nicht auf die Verhältnisse bei einem Dritten berufen. In Übereinstimmung mit dem Urteil des BFH vom 21. April 1983 IV R 217/82 (BFHE 138, 292, BStBl II 1983, 532) sieht es der erkennende Senat im Hinblick auf den Zweck des ZRFG nicht als sachwidrig an, wenn die Begünstigungen nur für solche abnutzbaren unbeweglichen Anlagegüter gewährt werden, die in einer bestimmten Weise genutzt werden.
b) Der Kläger unterhält in seinem Campingplatz eine gewerbliche Betriebsstätte im Zonenrandgebiet (§ 3 Abs. 1 ZRFG). Das Betreiben eines Campingplatzes ist eine gewerbliche Tätigkeit (vgl. BFH-Urteile vom 6. Oktober 1982 I R 7/79, BFHE 136, 497, BStBl II 1983, 80, und vom 27. Januar 1983 IV R 215/80, BFHE 138, 93, BStBl II 1983, 426). Die gewerbliche Betätigung des Klägers ist zwischen den Beteiligten nicht streitig. Gehen auf dem vom Kläger unterhaltenen Campingplatz aufgrund besonderer Vereinbarungen andere Personen -- die Inhaber eines Ladengeschäfts, eines Restaurants, eines Schnellimbisses -- ihrem eigenen Gewerbe nach, ist deren gewerbliche Betätigung nicht der des Klägers zuzurechnen. Diese Personen, die ihren Gewerbebetrieb in den vom Kläger überlassenen Räumen ausüben, sind selbständige Gewerbetreibende, auch wenn sie sich in den Miet- oder Pachtverträgen gewissen Bindungen hinsichtlich des Sortiments, des Kundenkreises, der Platzordnung usw. unterworfen haben. Ihre Tätigkeit ist nicht allein deshalb in den eigenbetrieblichen Bereich des Klägers einzuordnen, weil sie für den Betrieb des Campingplatzes von besonderem Vorteil ist und ihn gewissermaßen ergänzen soll und die wirtschaftliche Existenz ihrer Inhaber möglicherweise von dem Fortbestand des Campingplatzes abhängt. Demnach kann, wie das FG zutreffend ausgeführt hat, die Nutzung der verpachteten oder vermieteten Gebäudeteile des Wirtschaftsgebäudes durch die fremden Unternehmer nicht als eigenbetriebliche Nutzung durch den Kläger angesehen werden.
Der Kläger hat damit keinen Anspruch auf die Gewährung von Sonderabschreibungen für die Gebäudeteile, soweit er sie für eigene Wohnzwecke oder durch Vermietung oder Verpachtung an fremde Gewerbetreibende nutzt. Die begünstigten Gebäudeteile sind von den nichtbegünstigten nach den Grundsätzen der BFH-Entscheidungen vom 26. November 1973 GrS 5/71 (BFHE 111, 242, BStBl II 1974, 132) und vom 20. Mai 1977 III R 135/74 (BFHE 122, 382, BStBl II 1977, 734) zu trennen. Die einzelnen Gebäudeteile sind als gesonderte Wirtschaftsgüter zu behandeln.
c) Das FG hat zu Recht entschieden, daß das FA den Verwaltungsakt über die Gewährung von Sonderabschreibungen rückwirkend teilweise zurücknehmen durfte. Das FA hat in den Bescheiden vom 12. September und 26. Oktober 1977 Sonderabschreibungen für das gesamte Wirtschaftsgebäude bewilligt, weil der Kläger erklärt hatte, er benutze dieses Gebäude in vollem Umfang für eigenbetriebliche Zwecke. Es hat sich später herausgestellt, daß diese Erklärung insofern unrichtig war, als von der Gebäudefläche 64,81 v.H. an fremde Unternehmer verpachtet und 18,45 v. H. für eigene Wohnzwecke verwendet wurden. Das FG hat ausgeführt, das FA hätte bei Kenntnis des Sachverhalts die Sonderabschreibungen hinsichtlich der nicht eigengewerblich genutzten Gebäudeteile nicht gewährt. Dem ist im Ergebnis zu folgen. Hätte das FA bei vollständiger Kenntnis des Sachverhalts Sonderabschreibungen für das gesamte Gebäude gewährt, hätte es die Grenzen des Ermessens, die ihm durch § 3 ZRFG und durch diese Rahmenvorschrift ausfüllende Verwaltungsanweisungen gesetzt waren, überschritten. Ermessensakte der Verwaltung können insofern rechtswidrig sein, als sie dem Zweck der gesetzlichen Ermächtigung nicht entsprechen (Tipke/Kruse, Abgabenordnung - Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 118 FGO Rdnr. 19). Soweit die Rechtswidrigkeit reicht, durfte die Finanzverwaltung die Bewilligung der Sonderabschreibungen zurücknehmen, weil der damalige Verwaltungsakt auf Angaben des Klägers beruhte, die objektiv in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren (§ 130 Abs. 2 Nr. 3 der Abgabenordnung).
Fundstellen
BStBl II 1983, 699 |
BFHE 1984, 113 |