Entscheidungsstichwort (Thema)
Dreitagesfrist; § 126 Abs. 4 FGO; Wohnmobilvermietung
Leitsatz (NV)
1. Fällt der dritte Tag des Dreitageszeitraums des § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO (Frist i.S.d. § 108 Abs. 3 AO) auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder auf einen Sonnabend, so endet dieser Zeitraum gemäß § 108 Abs. 3 AO mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags mit der Folge, dass der Verwaltungsakt an diesem Werktag als bekannt gegeben gilt (BFH-Urteil vom 14. Oktober 2003 IX R 68/98, BFHE 203, 26, BStBl II 2003, 898).
2. § 126 Abs. 4 FGO ist auch dann anzuwenden, wenn das FG die Klage zwar zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat, die Klageabweisung sich aber in der Sache rechtfertigen lässt und das FG hinreichende Feststellungen getroffen hat, die eine Entscheidung über die Begründetheit der Klage ermöglichen.
3. Die mit der Vermietung eines Wohnmobils erzielten Einkünfte sind den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 3 EStG zuzuordnen, wenn es der Vermietungstätigkeit am gewerblichen Gepräge fehlt, weil keine hinreichenden Sonderleistungen erbracht werden und keine dem Steuerpflichtigen zurechenbare, einem Autovermieter vergleichbare unternehmerische Organisation vorhanden ist.
4. Dem betreffenden (ansonsten privaten) Vermieter können nur solche Tätigkeiten gewerblicher Dritter zugerechnet werden, die der Dritte unter Beachtung der abgeschlossenen Verträge - bezogen auf den Vermieter - für diesen erbringt; die Eigenschaft als Gewerbetreibender ist dem Vermieter nicht zuzurechnen.
Normenkette
AO 1977 § 108 Abs. 3, § 122 Abs. 2 Nr. 1; FGO § 126 Abs. 4; EStG § 15 Abs. 2, § 22 Nr. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger), zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute, machten in ihrer Einkommensteuererklärung 2000 (Streitjahr) u.a. einen Verlust aus Gewerbebetrieb in Höhe von … DM aus einer von der Klägerin seit 1995 betriebenen Wohnmobilvermietung geltend. Die Vermietung erfolgte über eine Vermietungs- und Verkaufs-GmbH, die die Mieter vermittelte und dafür 20 % des erzielten Umsatzes erhielt. Im Streitjahr wurde das 1998 erworbene Wohnmobil an insgesamt 89 Tagen an 10 verschiedene Kunden vermietet.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) beurteilte die hieraus erzielten Einkünfte als solche i.S. von § 22 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) und setzte diese ohne Verlustverrechnung mit 0 DM an.
Nach erfolglosem Einspruch wies das Finanzgericht (FG) die Klage wegen Nichteinhaltung der Klagefrist als unzulässig ab. Im Übrigen wäre --so das FG-- die Klage auch mangels besonderer, der Vermietungstätigkeit als Ganzes ein gewerbliches Gepräge gebender Umstände (hinreichende Sonderleistungen, unternehmerische Organisation) als unbegründet abzuweisen.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen (§ 122 Abs. 2 Nr. 1 der Abgabenordnung --AO 1977--) und materiellen (§ 15 EStG) Rechts.
Die Kläger beantragen sinngemäß,
das FG-Urteil und die Einspruchsentscheidung des Beklagten aufzuheben und die Einkommensteuer 2000 unter Berücksichtigung von Verlusten aus Gewerbebetrieb in Höhe von 9 373 DM (entspricht 4 792,24 €) geändert festzusetzen.
Das FA beantragt,
die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet. Zwar hat das FG die Klage nach Maßgabe der zum Zeitpunkt der Vorentscheidung noch nicht bekannten, geänderten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu Unrecht wegen Nichteinhaltung der Klagefrist als unzulässig abgewiesen; seine Entscheidung erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig, so dass die Revision gemäß § 126 Abs. 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit der Maßgabe zurückzuweisen ist, dass die Klage nicht unzulässig, sondern unbegründet war.
1. Nach § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 gilt ein schriftlicher Verwaltungsakt --wie hier die Einspruchsentscheidung--, der durch die Post übermittelt wird, am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, außer wenn er nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsakts und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen. Fällt der dritte Tag dieses Dreitageszeitraums (Frist i.S. des § 108 Abs. 3 AO 1977) auf einen Sonntag, einen gesetzlichen Feiertag oder auf einen Sonnabend, so endet dieser Zeitraum gemäß § 108 Abs. 3 AO 1977 mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags mit der Folge, dass der Verwaltungsakt an diesem Werktag als bekannt gegeben gilt. Wegen der Einzelheiten der Begründung verweist der Senat auf sein Urteil vom 14. Oktober 2003 IX R 68/98 (BFHE 203, 26, BStBl II 2003, 898).
Im Streitfall ist die Einspruchsentscheidung am 29. Mai 2002 zur Post gegeben worden. Gemäß § 122 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977 gilt sie mit dem dritten Tag nach Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Dies ist mit dem 1. Juni 2002 ein Sonnabend mit der Folge, dass die Einspruchsentscheidung mit Ablauf des nächstfolgenden Werktags als bekannt gegeben gilt, also am Montag, dem 3. Juni 2002. Die am 3. Juli 2002 beim FG eingegangene Klageschrift ist daher fristgemäß innerhalb der Monatsfrist des § 47 Abs. 1 FGO erhoben worden. Davon gehen nunmehr übereinstimmend auch die Beteiligten aus.
2. Die Revision hat gleichwohl keinen Erfolg, weil sich die Vorentscheidung aus anderen Gründen als richtig darstellt (§ 126 Abs. 4 FGO). Diese Vorschrift ist auch dann anzuwenden, wenn das FG die Klage zu Unrecht als unzulässig abgewiesen hat, die Klagabweisung sich aber in der Sache rechtfertigen lässt und das FG hinreichende Feststellungen getroffen hat, die eine Entscheidung über die Begründetheit der Klage ermöglichen (vgl. BFH-Urteile vom 14. März 1991 V R 17/87, BFH/NV 1992, 63, unter 2.; vom 24. Januar 1995 IX R 22/94, BFHE 176, 315, BStBl II 1995, 328, unter 2.; vom 21. Oktober 1996 VI R 4/94, BFH/NV 1997, 330, unter 3.). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall gegeben.
Aufgrund seiner mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen und damit den Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat das FG unter Bezugnahme auf das BFH-Urteil vom 12. November 1997 XI R 44/95 (BFHE 186, 344, BStBl II 1998, 774) und in Beachtung der Grundsätze der BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung privater Vermögensverwaltung von gewerblicher Vermietung (vgl. BFH-Urteile vom 25. Juni 1976 III R 167/73, BFHE 119, 336, BStBl II 1976, 728; vom 28. Juni 1984 IV R 150/82, BFHE 141, 330, BStBl II 1985, 211; vom 24. Oktober 2000 IX R 58/97, BFH/NV 2001, 752; vom 14. Januar 2004 X R 7/02, BFH/NV 2004, 945; letztere m.w.N.) die aus der Wohnmobilvermietung erzielten Einkünfte den sonstigen Einkünften i.S. des § 22 Nr. 3 EStG zugeordnet. Danach reichen die von der Klägerin neben der bloßen Vermietung erbrachten Leistungen (Ausstattung des Wohnmobils mit Geschirr und Gewürzen, Versorgung mit Gas und Wasser, Endreinigung) nicht aus, ihrer Vermietungstätigkeit einen gewerblichen Charakter zu geben. Diese Würdigung des FG ist möglich, sie verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze; daher ist die Abweisung der Klage "auch als unbegründet" revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
Auch sind die von der eingeschalteten Vermietungsagentur angebotenen übrigen Leistungen der Klägerin nicht zuzurechnen. Denn Tätigkeiten gewerblicher Dritter können dem betreffenden Vermieter nur zugerechnet werden, wenn sie der Dritte nach dem Inhalt der abgeschlossenen Verträge für den Vermieter erbringt; die Eigenschaft der Vermietungsagentur als Gewerbetreibender ist der Klägerin nicht zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 18. Mai 1999 III R 65/97, BFHE 188, 490, BStBl II 1999, 619; in BFHE 119, 336, BStBl II 1976, 728). Insbesondere wurden die großformatigen (auch andere Wohnmobile betreffenden) Vermietungs-Anzeigen im eigenen Namen der Vermietungsagentur ohne Hinweis auf die Klägerin als Vermieterin geschaltet.
3. Ob hinsichtlich der nicht verrechneten Verluste eine Feststellung nach § 10d EStG i.V.m. § 22 Nr. 3 Satz 4 EStG in Betracht kommt, ist in diesem die Einkommensteuer betreffenden Verfahren nicht zu entscheiden.
Fundstellen