Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Versagung der USt-Befreiung einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung allein mit der Begründung, der Nachweis einer solchen Lieferung sei nicht rechtzeitig erbracht worden
Leitsatz (amtlich)
1. Die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, ist mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar.
2. Die Nachweispflichten des Unternehmers sind keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat (Änderung der Rechtsprechung).
3. Kommt der Unternehmer diesen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind.
4. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der formellen Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die erforderlichen Nachweise nicht entsprechend §§ 17a, 17c UStDV erbrachte.
Normenkette
UStG 1993 § 6a; UStDV 1993 §§ 17a, 17c; EWGRL 388/77 Art. 22, 28c Teil A
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Rechtsnachfolger einer KG, die im Streitjahr (1994) Organträger einer Autohaus-GmbH (GmbH) war. Die GmbH verkaufte als Vertragshändler der A-AG für diese PKW.
Im Frühjahr 1994 bestellte der belgische Autohändler B bei der GmbH 20 Vorführwagen der Marke A zum Preis von insgesamt 1 018 200 DM. Hierüber schlossen B und die GmbH einen schriftlichen Kaufvertrag ab. B überwies die Kaufpreise netto auf ein speziell für die Abwicklung eingerichtetes Konto der GmbH und holte die Fahrzeuge nach Eingang des Geldes mit einem eigenen Transporter vom Hof der GmbH ab.
Da der GmbH aus Gebietsschutzgründen nur für Verkäufe an Abnehmer in der näheren Umgebung ein Provisionsanspruch gegenüber der A-AG zustand, schaltete sie den Kfz-Händler S ein. Gegen eine Provision von … DM pro Fahrzeug erklärte sich dieser dazu bereit, die Vorführwagen pro forma an- und weiterzuverkaufen. Die GmbH schloss daraufhin mit S "Kaufverträge" über die o.g. PKW ab und stellte hierüber Rechnungen unter Ausweis von Umsatzsteuer aus. S überlies der GmbH Blanko-Rechnungsformulare, auf denen sodann im Namen von S Rechnungen über die Lieferungen der Vorführwagen an B ausgestellt wurden.
In seinen Umsatzsteuer-Voranmeldungen für die Monate Juli, August und September 1994 machte S ihm von der GmbH in Rechnung gestellte Umsatzsteuer (152 730 DM) als Vorsteuer geltend; diese sollte anschließend an die GmbH weitergeleitet werden.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) führte im Oktober 1994 eine Umsatzsteuer-Sonderprüfung bei S durch. Das FA wertete die Verkäufe der GmbH an S als Scheinlieferungen, weil S nur formal als "Strohmann" zwischengeschaltet gewesen sei. Daher versagte das FA dem S den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen.
Der Kläger, der den Vorgang zunächst als steuerpflichtigen Umsatz behandelt hatte, erfuhr am 15. November 1994 von dem Ergebnis der Umsatzsteuer-Sonderprüfung und setzte daraufhin S mit Gutschriften vom 23. November 1994 davon in Kenntnis, dass die Rechnungen vom Juli bis September 1994 "gegenstandslos" seien. Außerdem stornierte er am 25. November 1994 die jeweiligen Buchungen. Die entsprechenden Erlöse buchte er sodann auf dem Konto "steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen" und berücksichtigte diesen Vorgang dementsprechend in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für November 1994.
Das FA erließ am 27. Juni 1996 gegenüber der KG einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 1994, in dem es die Umsatzsteuer aus den Rechnungen an S nach § 14 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) festsetzte, weil diese Lieferungen nicht ausgeführt worden seien. Diese Umsatzsteuer wurde im Jahr 2001 erlassen.
Durch weiteren Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1994 vom 12. Februar 1998 gegenüber dem Kläger als Rechtsnachfolger der KG erhöhte das FA die steuerpflichtigen Umsätze um 1 018 200 DM. Es versagte dem Kläger für die Lieferung der Vorführwagen an B die Steuerfreiheit, weil die dafür erforderlichen Aufzeichnungen nicht laufend und unmittelbar nach Ausführung des jeweiligen Umsatzes vorgenommen worden seien.
Einspruch und Klage gegen diesen Bescheid hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte der Auffassung des FA. Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 301 abgedruckt.
Auf die Revision des Klägers hat der Senat das Revisionsverfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt (Beschluss vom 10. Februar 2005 V R 59/03, BFHE 208, 502, BStBl II 2005, 537):
"1. Darf die Finanzverwaltung die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung, die zweifelsfrei vorliegt, allein mit der Begründung versagen, der Steuerpflichtige habe den dafür vorgeschriebenen Buchnachweis nicht rechtzeitig geführt?
2. Kommt es zur Beantwortung der Frage darauf an, ob der Steuerpflichtige zunächst bewusst das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung verschleiert hat?"
Der EuGH hat diese Fragen wie folgt beantwortet (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-146/05, Collée, Umsatzsteuer-Rundschau --UR-- 2007, 813, Internationales Steuerrecht --IStR-- 2007, 747, BFH/NV Beilage 2008, 34, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung --HFR-- 2007, 1256):
"Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage in der durch die Richtlinie 91/680/EWG des Rates vom 16. Dezember 1991 geänderten Fassung ist in dem Sinn auszulegen, dass er der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats verwehrt, die Befreiung einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer allein mit der Begründung zu versagen, der Nachweis einer solchen Lieferung sei nicht rechtzeitig erbracht worden.
Bei der Prüfung des Rechts auf Befreiung einer solchen Lieferung von der Mehrwertsteuer muss das vorlegende Gericht die Tatsache, dass der Steuerpflichtige zunächst bewusst das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung verschleiert hat, nur dann berücksichtigen, wenn eine Gefährdung des Steueraufkommens besteht und diese vom Steuerpflichtigen nicht vollständig beseitigt worden ist."
Der Kläger beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1994 vom 12. Februar 1998 dahin gehend zu ändern, dass Umsätze in Höhe von 1 018 200 DM als steuerfrei behandelt werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es sieht davon ab, sich zu dem EuGH-Urteil zu äußern.
Beide Beteiligten haben auf eine mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Die streitigen Lieferungen sind entgegen der Auffassung des FG steuerfrei.
1. Eine --gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG steuerfreie-- innergemeinschaftliche Lieferung liegt nach § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG vor, wenn bei einer Lieferung die folgenden Voraussetzungen erfüllt sind:
1. Der Unternehmer oder der Abnehmer hat den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet;
2. der Abnehmer ist
a) ein Unternehmer, der den Gegenstand der Lieferung für sein Unternehmen erworben hat,
b) eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, oder
c) bei der Lieferung eines neuen Fahrzeuges auch jeder andere Erwerber
und
3. der Erwerb des Gegenstandes der Lieferung unterliegt beim Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat den Vorschriften der Umsatzbesteuerung.
a) Diese Vorschrift steht im Einklang mit der gemeinschaftsrechtlichen Vorgabe des Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der im Streitjahr geltenden Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG). Danach befreien die Mitgliedstaaten u.a. die Lieferungen, die durch den Erwerber nach Orten außerhalb des Inlandes, aber innerhalb der Gemeinschaft versandt oder befördert werden, wenn diese Lieferungen an einen anderen Steuerpflichtigen bewirkt werden, der als solcher in einem anderen Mitgliedstaat als dem des Beginns des Versandes oder der Beförderung des Gegenstandes handelt.
Nach der Rechtsprechung des EuGH setzt die innergemeinschaftliche Lieferung --in Übereinstimmung mit den nationalen Grundsätzen-- neben den Anforderungen an den Abnehmer voraus, dass die Befugnis, wie ein Eigentümer über den Gegenstand zu verfügen, auf den Erwerber übergegangen ist und der gelieferte Gegenstand vom Lieferstaat in einen anderen Mitgliedstaat physisch verbracht worden ist (EuGH-Urteile vom 27. September 2007 Rs. C-409/04, Teleos u.a., UR 2007, 774 Randnrn. 42, 70; vom 27. September 2007 Rs. C-184/05, Twoh, UR 2007, 782 Randnr. 23). Hingegen ist nicht erforderlich, dass der innergemeinschaftliche Erwerb tatsächlich besteuert worden ist (EuGH-Urteil Teleos u.a. in UR 2007, 774 Randnrn. 69 ff.).
b) Nach § 6a Abs. 3 Satz 1 UStG müssen die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vom Unternehmer nachgewiesen sein. Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) kann mit Zustimmung des Bundesrates durch Rechtsverordnung bestimmen, wie der Unternehmer den Nachweis zu führen hat (§ 6a Abs. 3 Satz 2 UStG).
Dazu ist in § 17a Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1993 (UStDV) geregelt worden, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung durch Belege nachweisen muss, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat; dies muss sich aus den Belegen eindeutig und leicht nachprüfbar ergeben (sog. Belegnachweis).
Ferner bestimmt § 17c Abs. 1 Satz 1 UStDV, dass bei innergemeinschaftlichen Lieferungen der Unternehmer im Geltungsbereich dieser Verordnung die Voraussetzungen der Steuerbefreiung einschließlich Umsatzsteuer-Identifikationsnummer des Abnehmers buchmäßig nachweisen muss; die Voraussetzungen müssen gemäß § 17c Abs. 1 Satz 2 UStDV "eindeutig und leicht nachprüfbar aus der Buchführung zu ersehen" sein (sog. Buchnachweis).
c) Zum Nachweis einer innergemeinschaftlichen Lieferung hat der EuGH ausgeführt:
"Hinsichtlich der Nachweise, die die Steuerpflichtigen für eine Mehrwertsteuerbefreiung zu führen haben, ist festzustellen, dass die Sechste Richtlinie keine Vorschrift enthält, die sich unmittelbar mit dieser Frage befasst. Sie bestimmt lediglich in Art. 28c Teil A erster Halbsatz, dass die Mitgliedstaaten die Bedingungen für die Befreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen von Gegenständen festlegen" (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813 Randnr. 24, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256, BFH/NV Beilage 2008, 34).
"Art. 22 der Sechsten Richtlinie regelt zwar bestimmte formelle Pflichten der Steuerschuldner in Bezug auf Aufzeichnungen, Rechnungen, Steuererklärungen und die der Finanzverwaltung vorzulegende Aufstellung. Nach Abs. 8 dieses Artikels können die Mitgliedstaaten jedoch weitere Pflichten vorsehen, die sie als erforderlich erachten, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern …
Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich, dass die Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten nach Art. 22 Abs. 8 der Sechsten Richtlinie erlassen dürfen, um eine genaue Erhebung der Steuer sicherzustellen und Steuerhinterziehungen zu verhindern, nicht über das hinausgehen dürfen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist … Sie dürfen daher nicht so eingesetzt werden, dass sie die Neutralität der Mehrwertsteuer in Frage stellen, die ein Grundprinzip des durch das einschlägige Gemeinschaftsrecht geschaffenen gemeinsamen Mehrwertsteuersystems ist" (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813 Randnrn. 25, 26, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256, BFH/NV Beilage 2008, 34).
Der Grundsatz der Neutralität erfordert es, dass "die Mehrwertsteuerbefreiung gewährt wird, wenn die materiellen Anforderungen erfüllt sind, selbst wenn der Steuerpflichtige bestimmten formellen Anforderungen nicht genügt hat. Anders verhielte es sich nur, wenn der Verstoß gegen die formellen Anforderungen den sicheren Nachweis verhinderte, dass die materiellen Anforderungen erfüllt wurden" (EuGH-Urteil Collée in UR 2007, 813 Randnr. 31, IStR 2007, 747, HFR 2007, 1256).
"Bei der Ausübung ihrer Befugnisse müssen die Mitgliedstaaten … die allgemeinen Rechtsgrundsätze beachten, zu denen u. a. die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit gehören" (EuGH-Urteil Twoh in UR 2007, 782 Randnr. 25).
d) Hieraus ergibt sich, dass die Verpflichtung des Unternehmers nach § 6a Abs. 3 UStG, die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach Maßgabe der §§ 17a, 17c UStDV nachzuweisen, mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar ist (vgl. bereits Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 18. Juli 2002 V R 3/02, BFHE 199, 80, BStBl II 2003, 616, unter II. 2. b; vom 1. Februar 2007 V R 41/04, BFH/NV 2007, 1059, unter II. 2. b).
Die Nachweispflichten sind aber keine materiellen Voraussetzungen für die Befreiung als innergemeinschaftliche Lieferung. Soweit die bisherige Rechtsprechung (BFH-Beschlüsse vom 2. April 1997 V B 159/96, BFH/NV 1997, 629; vom 5. Februar 2004 V B 180/03, BFH/NV 2004, 988; BFH-Urteil vom 30. März 2006 V R 47/03, BFHE 213, 148, BStBl II 2006, 634, unter II. 2. a) von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, hält der Senat angesichts der dargelegten neueren Rechtsprechung des EuGH daran nicht mehr fest.
Die Regelungen des § 6a Abs. 3 UStG und §§ 17a, 17c UStDV bestimmen vielmehr lediglich, dass und wie der Unternehmer die Nachweise zu erbringen hat.
Daraus folgt: Kommt der Unternehmer seinen Nachweispflichten nicht nach, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Voraussetzungen einer innergemeinschaftlichen Lieferung (§ 6a Abs. 1 UStG) nicht erfüllt sind. Etwas anderes gilt ausnahmsweise nur dann, wenn trotz der Nichterfüllung der --formellen-- Nachweispflichten aufgrund der objektiven Beweislage feststeht, dass die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG vorliegen. Dann ist die Steuerbefreiung zu gewähren, auch wenn der Unternehmer die nach § 6a Abs. 3 UStG erforderlichen Nachweise nicht erbrachte.
2. Danach sind die streitigen Lieferungen auch ohne rechtzeitig erbrachten Buchnachweis steuerfrei.
a) Wie dargelegt, hat der EuGH im vorliegenden Verfahren durch Urteil vom 27. September 2007 entschieden, dass Art. 28c Teil A Buchst. a Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG in dem Sinn auszulegen ist, dass er der Finanzverwaltung eines Mitgliedstaats verwehrt, die Befreiung einer tatsächlich ausgeführten innergemeinschaftlichen Lieferung von der Mehrwertsteuer allein mit der Begründung zu versagen, der Nachweis einer solchen Lieferung sei nicht rechtzeitig erbracht worden, wie dies im Streitfall geschehen ist.
b) Soweit der EuGH in diesem Urteil ferner entschieden hat, bei der Prüfung des Rechts auf Befreiung einer solchen Lieferung von der Mehrwertsteuer müsse das vorlegende Gericht die Tatsache, dass der Steuerpflichtige zunächst bewusst das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung verschleiert hat, nur dann berücksichtigen, wenn eine Gefährdung des Steueraufkommens bestehe und diese vom Steuerpflichtigen nicht vollständig beseitigt worden sei, liegt eine solche Gefährdung im Streitfall nicht vor.
Dazu hat der EuGH festgestellt, dass die Nichterhebung der Mehrwertsteuer auf eine innergemeinschaftliche Lieferung, die zunächst zu Unrecht als im Inland ausgeführte Lieferung qualifiziert wurde, die grundsätzlich zu einer Erhebung von Mehrwertsteuer geführt hätte, nicht als eine Gefährdung des Steueraufkommens angesehen werden kann, weil solche Einnahmen dem Mitgliedstaat zustehen, in dem der Endverbrauch erfolgt (Randnr. 37). Überdies trat im Streitfall jedenfalls deshalb keine Gefährdung des Steueraufkommens auf, weil das FA dem S den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der GmbH an S über die fingierten Kfz-Lieferungen an ihn (von vornherein) versagte und zudem der Kläger die unrichtigen Rechnungen an S mit Gutschriften vom 22. November 1999 ihm gegenüber als "gegenstandslos" bezeichnet hat, also den Rechnungsinhalt widerrufen hat.
Der EuGH hat ferner ausgeführt, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens könne die Einschaltung eines Zwischenhändlers, um einen Provisionsanspruch zu erlangen, nicht mit einer Steuerhinterziehung oder einer missbräuchlichen Anwendung der gemeinschaftlichen Regeln gleichgesetzt werden, wenn feststehe, dass der betreffende Umsatz nicht zur Erlangung eines ungerechtfertigten Steuervorteils getätigt wurde (Randnr. 39).
3. Die Berechnung der Umsatzsteuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO dem FA übertragen, weil das FA in dem ersten Umsatzsteuer-Änderungsbescheid für 1994 vom 27. Juni 1996 Umsatzsteuer nach § 14 Abs. 3 UStG festgesetzt hat, die es (erst) nach Erlass des im vorliegenden Verfahren angefochtenen zweiten Umsatzsteuer-Änderungsbescheids vom 12. Februar 1998 erlassen hat.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 FGO.
Fundstellen
Haufe-Index 1890326 |
BFH/NV 2008, 515 |
BStBl II 2009, 57 |
BFHE 2007, 469 |
BFHE 219, 469 |
BB 2008, 359 |
BB 2008, 595 |
DB 2008, 333 |
DStR 2008, 297 |
DStRE 2008, 258 |
HFR 2008, 380 |
UR 2008, 186 |