Entscheidungsstichwort (Thema)
Übernahme von Erschließungsmaßnahmen aufgrund des StBauFG gegen Entgelt
Leitsatz (NV)
Übernimmt ein Grundstückseigentümer im Rahmen einer Baumaßnahme vereinbarungsgemäß die Errichtung öffentlicher Verkehrsflächen, so erfüllt er eine Aufgabe der Gemeinde nach dem StBauFG. Zahlungen der Gemeinde dafür nach § 41 Abs. 1 StBauFG sind Entgelt für diese Leistung des Eigentümers.
Normenkette
UStG 1973 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1; StBauFG § 8 Abs. 1, § 12 Abs. 1, § 13 Abs. 1, § 41 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine aus einer GmbH (GBM) und vier natürlichen Personen bestehende Bauherrengemeinschaft, erwarb von der Gemeinde X ein Grundstück, um darauf im Rahmen der Stadtsanierung ein im Teil- und Wohnungseigentum für ihre Gemeinschafter aufgeteiltes Wohn- und Geschäftshaus mit 11 Ladeneinheiten, zwei Arztpraxen und 18 Wohnungen zu errichten. Mit den Bauarbeiten wurde 1972 begonnen. Die GBM, in deren Händen die wirtschaftliche Baubetreuung lag, vergab die Bauaufträge im Namen und für Rechnung der Klägerin. Diese berechnete die hier in Rechnung gestellten Baukosten ihren Gemeinschaftern mit den auf deren Teil- und Wohnungseigentum entfallenden Anteilen an den Gesamtbaukosten weiter.
Wegen der Aufwendungen für Verkehrsflächen (Innenhof, Passagen, Rolltreppen) innerhalb des Gebäudekomplexes, die nach Vereinbarungen der Gemeinde mit den Bauherren der Öffentlichkeit für den Fußgängerverkehr gewidmet werden sollten (so die Feststellungen des Finanzgerichts - FG -), hatte die GBM unter Vorlage einer Kostenaufstellung Bezuschussung bei der Gemeinde beantragt. Auf entsprechenden Antrag der Gemeinde an den Regierungspräsidenten erkannte dieser die notwendigen Aufwendungen in Höhe von insgesamt 536 500 DM für die Erstellung der Verkehrsflächen und Verkehrsanlagen unter Hinweis auf § 41 Abs. 4 bis 6 des Gesetzes über städtebauliche Sanierungs- und Entwicklungsmaßnahmen in den Gemeinden (Städtebauförderungsgesetz - StBauFG -) vom 27. Juli 1971 (BGBl I 1971, 1125) als zuschußfähig an. Die Gemeinde zahlte nach Ratsbeschluß vom Dezember 1973 den Betrag ,,als Übernahme der Kosten für die öffentlichen Verkehrsflächen" an die GBM im Jahre 1974 aus.
Die Umsatzsteuerfestsetzung 1974 führte aufgrund der mit der Gebäudeherstellung zusammenhängenden Vorsteuerbeträge zu einem Überschuß von . . . DM.
In der Umsatzsteuererklärung 1975 gab die Klägerin ihre Umsätze nach den ihren Gemeinschaftern weiterberechneten Kosten an. Den (darin nicht enthaltenen) Betrag von 536 500 DM behandelte die Klägerin nicht als Entgelt.
Dagegen sah der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Zahlung als Entgelt an. Das FA vertrat die Ansicht, der Zuschußgewährung liege zwar kein Leistungsaustausch zwischen der Klägerin und der Gemeinde zugrunde, es handle sich aber um zusätzliches Entgelt eines Dritten für die von der Klägerin an die einzelnen Bauherren bewirkten Werklieferungen. Dementsprechend erhöhte das FA den für 1975 erklärten Umsatz um den Betrag von 536 500 DM und setzte unter Berücksichtigung der geltend gemachten Vorsteuerbeträge die Umsatzsteuer 1975 auf . . . DM fest.
Die gemäß § 45 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ohne Vorverfahren unmittelbar erhobene Klage, mit der die Klägerin beantragte, die Umsatzsteuer 1975 erklärungsgemäß festzusetzen, hatte keinen Erfolg. Das FG begründete die Abweisung im wesentlichen damit: Die 536 500 DM gehörten zum Entgelt der Bauherren für die Leistungen der Klägerin an sie - nämlich die Übertragung der Gebäudeeinheiten -. Entweder handle es sich um einen Zuschuß, den die Gemeinde (als Dritter gemäß § 10 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes - UStG 1973 -) im überwiegenden Interesse der Bauherren als Leistungsempfänger für die Erstellung der öffentlichen Verkehrsflächen durch die Klägerin gezahlt habe; denn der Zuschuß habe ausschließlich dazu gedient, den Bauherren (Gemeinschaftern) insoweit eine Finanzierungshilfe zu geben. Nur die Bauherren seien wirtschaftlich betroffen und damit Zuschußempfänger. Daß unmittelbar an die Klägerin gezahlt worden sei, mache sie nicht zum Zuschußempfänger. Es könne aber auch - bei wirtschaftlicher Betrachtung - eine Zahlung der Bauherren an die Klägerin angenommen werden, die nach § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG 1973 in die Bemessungsgrundlage gehöre. Die Frage, ob die Bauherren gegenüber dem Zuschußgeber durch Einräumung einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit an ihrem Grundstück (Wegerecht zugunsten der Allgemeinheit) eine Leistung erbrächten und ob diese ggf. umsatzsteuerfrei wäre (§ 4 Nr. 12 Buchst. c UStG 1973), könne im Streitfall auf sich beruhen.
Mit der Revision rügt die Klägerin unrichtige Anwendung des § 10 Abs. 1 UStG hinsichtlich des Betrags von 536 500 DM. Die Zahlung sei kein Leistungsentgelt, sondern Zuschuß im öffentlichen Interesse zur Schaffung von Verkehrsflächen durch sie. Die bloße Zweckbestimmung der Mittel reiche nicht aus, die erforderliche Wechselbeziehung zwischen Leistung und Zuschuß herzustellen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. Januar 1955 V 145/53 S, BFHE 60, 366, BStBl III 1955, 139). Unschädlich sei auch, daß sie versucht habe, den voraussichtlichen Geldbedarf dem Zuschußantrag zugrunde zu legen (BFH-Urteil vom 20. Januar 1955 V 75/54 U, BFHE 60, 292, BStBl III 1955, 112).
Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Umsatzsteuer 1975 mit . . . DM festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Die Beteiligten haben auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Das FG hat die Zahlung der Gemeinde als Entgelt (von dritter Seite) für die Leistungen der Klägerin an ihre Gemeinschafter (Übertragung des von ihr errichteten Teil- und Wohnungseigentums) beurteilt mit der Begründung, der ,,Zuschuß" sei - nach den Grundsätzen des BFH-Urteils vom 9. Oktober 1975 V R 88/74 (BFHE 117, 307, BStBl II 1976, 105) - überwiegend im Interesse der Bauherren als Leistungsempfänger gezahlt worden, nicht aber zur Förderung der Klägerin als der Leistenden. Damit liege kein Zuschuß an die Klägerin vor.
Das FG hat zwar die BFH-Rechtsprechung zur Abgrenzung eines Zuschusses von einer Entgeltszahlung durch Dritte (§ 10 Abs. 1 Satz 3 UStG 1973) im wesentlichen zutreffend dargestellt. Die vom FG entschiedene Frage stellte sich jedoch nach dem von ihm festgestellten Sachverhalt nicht.
Den Feststellungen des FG ist zu entnehmen, daß die Gemeinde die Zahlung an die Klägerin nach dem StBauFG (§ 41 StBauFG) für die Errichtung öffentlicher Verkehrsflächen leistete. Aus den Vorschriften des StBauFG im Zusammenhang mit den Feststellungen zum Zustandekommen der Zahlung ergibt sich weiter, daß die Klägerin, soweit sie die Errichtung der öffentlichen Verkehrsflächen in ihrem Sanierungsbereich übernommen hatte, eine Aufgabe der Gemeinde erfüllte. Mit deren Durchführung erbrachte sie gegenüber der Gemeinde eine Leistung. Die Zahlung der Gemeinde ist das Entgelt für diese Leistung:
Nach § 8 Abs. 1 StBauFG ist es Aufgabe der Gemeinde, nach förmlicher Festlegung des Sanierungsgebiets für die Durchführung der Sanierung zu sorgen und die Abstimmung der einzelnen Sanierungsmaßnahmen aufeinander zu veranlassen.
Nach § 12 Abs. 1 StBauFG umfaßt die Durchführung der Sanierung die Ordnungsmaßnahmen und die Baumaßnahmen innerhalb des förmlich festgelegten Sanierungsgebiets, die erforderlich sind, um den sanierungsbedürftigen Zustand zu beseitigen und das Sanierungsgebiet neu zu gestalten. Zu den Ordnungsmaßnahmen im Sinn der Vorschrift rechnen u. a. die Erschließung sowie sonstige Maßnahmen, die notwendig sind, damit die Baumaßnahmen durchgeführt werden können.
Zur Erschließung gehört insbesondere die Herstellung, Erweiterung und Verbesserung der öffentlichen Verkehrsanlagen wie Straßen, Wege, Plätze einschließlich der Parkfächen usw. (vgl. Lange-Neuhausen, Städtebauförderungsgesetz, Kommentar, § 12 Rdnr. 10 und § 3 Rdnr. 67 ff.; ferner § 5 der Verordnung über die Kosten der Ordnungsmaßnahmen nach § 41 Abs. 2 des Städtebauförderungsgesetzes - OrdnungsmaßnahmenVO - vom 20. Januar 1976, BGBl I 1976, 174). Die Erschließung wurde in die Ordnungsmaßnahmen eingereiht, weil nach § 6 Abs. 7 StBauFG im Sanierungsgebiet Erschließungsbeiträge nicht zu erheben sind (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des StBauFG 71, BTDrucks VI 510, zu § 10 - jetzt § 12 -).
Nach § 13 Abs. 1 StBauFG führt die Gemeinde die Ordnungsmaßnahme durch. Sie kann die Durchführung dieser Maßnahmen aufgrund eines Vertrags ganz oder teilweise dem Eigentümer überlassen. In diesem Vertrag ist auch zu regeln, ob und inwieweit die Gemeinde Vorauszahlungen zur Deckung der Kosten gewährt.
Die Leistung der Klägerin gegenüber der Gemeinde durch Übernahme der Erschließungstätigkeit war entgeltlich, weil die Gemeinde dafür den Betrag von 536 500 DM zahlte. Die Zahlungspflicht der Gemeinde ergibt sich aus § 41 Abs. 1 StBauFG, wonach die Gemeinde die Kosten der Ordnungsmaßnahmen trägt, also auch der Ordnungsmaßnahmen, deren Durchführung sie dem Eigentümer überlassen hat. Daß die Zahlung erst nach Durchführung eines Bewilligungsverfahrens erfolgte, steht der Annahme eines Leistungsaustauschs nicht entgegen.
Soweit das FG mit dem FA durch die Bezeichnung der Zahlung als ,,Zuschuß" im Schriftverkehr der Klägerin mit den beteiligten Behörden zur Prüfung und Entscheidung des Vorfalls nach umsatzsteuerrechtlichen Zuschußgesichtspunkten veranlaßt worden sein sollte, beruht dies auf einer Verkennung des Finanzierungsverfahrens. Denn nach § 39 Abs. 2 StBauFG sind sog. Sanierungsförderungsmittel des Bundes und der Länder und anderer öffentlicher Haushalte der Gemeinde zuzuweisen, soweit sie Maßnahmen selbst durchführt oder zur Kostentragung verpflichtet ist. Nach § 39 Abs. 3 StBauFG können Sanierungsmittel als Darlehen oder Zuschüsse zur Deckung der Kosten gewährt werden. Zuschußgewährungen dieser Art aus Sanierungsförderungsmitteln richten sich an die Gemeinde. Die Bezeichnung besagt nichts über die Verwendung durch die Gemeinde als Weitergabe des Zuschusses oder als Leistungsentgelt.
2. Das Urteil des FG war aufzuheben. Es kann nicht aufgrund der dargestellten Rechtsfolge, daß die Zahlung der 536 500 DM Leistungsentgelt der Gemeinde an die Klägerin sei, bestätigt werden (§ 126 Abs. 4 FGO). Den Feststellungen des FG läßt sich nicht entnehmen, in welchem Besteuerungszeitraum die Klägerin die Leistung an die Gemeinde (Herstellung der Verkehrsflächen) erbracht hat. Die Darstellung des FG in den Entscheidungsgründen (S. 6): ,,Daß nach dem Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung die Verkehrsflächen bereits vor dem 1. Juli 1973 fertiggestellt waren, kann aber nicht zur Anwendung des § 10 Abs. 1 Satz 3 (UStG) in der vor Erlaß des Steueränderungsgesetzes 1973 (StÄndG) geltenden Fassung führen", legt zwar die Möglichkeit nahe, daß die Zahlung jedenfalls nicht in der hier angefochtenen Steuerfestsetzung 1975 erfaßt werden könne. Es handelt sich aber insoweit um keine Sachverhaltsfeststellung durch das FG. Das FG hat das wiedergegebene Vorbringen der Klägerin nicht gewürdigt, zumal es seine Entscheidung nicht auf diese Leistungen bezog. Die nicht spruchreife Sache war deshalb an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 61652 |
BFH/NV 1987, 602 |