Entscheidungsstichwort (Thema)
Zum "Werkstattwagen" umgebauter VW-Bus ist kein PKW
Leitsatz (amtlich)
PKW i.S. von § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991 sind nach der Rechtsprechung des BFH Fahrzeuge, die objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt sind, bei Privatfahrten Personen zu befördern.
Ein zum "Werkstattwagen" umgebauter VW-Bus, der dem Transport von Mitarbeitern und Material zu Baustellen dient und bei dem ―außer den Sitzgelegenheiten im Führerhaus für Fahrer und Beifahrer― keine weiteren Sitzgelegenheiten vorhanden sind, ist unbeschadet der Klassifizierung als "PKW-Kombi" im Kfz-Brief kein PKW i.S. des § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991, wenn die Herstellung der Eignung des Fahrzeugs zur privaten Personenbeförderung durch Ausbau der werkstattmäßig genutzten Teile und Einbau weiterer Sitzgelegenheiten nicht ohne erheblichen Aufwand (hier allein ca. 4 Stunden Umbauzeit) möglich ist.
Normenkette
InvZulG 1991 § 1 Abs. 1 S. 1, § 2 S. 2 Nr. 3; BerlinFG § 19 Abs. 2 S. 2; InvZV § 2 S. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
Thüringer FG (Dok.-Nr. 0146433; EFG 1998, 1217) |
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betreibt einen Handwerksbetrieb für Heizungs- und Lüftungsbau. Am 13. Mai 1992 erwarb er ein Kfz der Marke Volkswagen Typ Kombi Diesel (VW-Bus), welcher im Fahrzeugbrief vom 8. Mai 1992 als "PKW-Kombi" eingetragen ist. Unter Ziff. 12 des Fahrzeugbriefes ist die Zahl der zulässigen Sitzplätze einschließlich Führerplatz und Notsitze mit "neun" angegeben. Im Lieferumfang des von dem Kläger erworbenen VW-Busses war jedoch lediglich ein Sitz für den Fahrzeugführer sowie eine Beifahrer-Doppelsitzbank enthalten. Zwischen den Sitzen für Fahrer und Beifahrer und dem nicht bestuhlten Laderaum befindet sich eine halbhohe, mit dem Fahrzeugrahmen verschweißte Trennwand mit Polsterleiste. Der Laderaum ist mit einem Gummibodenbelag versehen. Im Laderaum hat der Kläger ein halbhohes Regal zur Aufnahme von Werkzeugen installiert. In der Bodenplatte des Fahrzeugs sowie in den Säulen der beiden Fahrzeugwände befinden sich nach den Feststellungen des im Verfahren erster Instanz eingeholten Sachverständigengutachtens aber auch Schraubvorrichtungen, die die Befestigung der fehlenden Sitzbänke sowie hierzu passender Sicherheitsgurte ermöglichen.
Mit seinem am 24. September 1993 bei dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―) eingegangenen Antrag beantragte der Kläger eine Investitionszulage nach dem Investitionszulagengesetz (InvZulG) 1991 für den erworbenen VW-Bus sowie für weitere, im Laufe des Kalenderjahres 1992 (Streitjahr) angeschaffte Wirtschaftsgüter.
Das FA lehnte die Gewährung der Investitionszulage für verschiedene Wirtschaftsgüter ―darunter den VW-Bus― ab und setzte im übrigen mit Bescheid vom 11. April 1994 eine Investitionszulage in Höhe von … DM fest.
Der Einspruch des Klägers hatte teilweise Erfolg. Das FA sah nach Durchführung des Einspruchsverfahrens verschiedene Wirtschaftsgüter, für die zunächst die Gewährung einer Investitionszulage versagt worden war, nunmehr als investitionszulagebegünstigt an und erließ am 14. März 1995 einen Teilabhilfebescheid, mit dem eine Investitionszulage in Höhe von … DM festgesetzt wurde. Den VW-Bus sah das FA jedoch weiterhin nicht als investitionszulagebegünstigt an, da es sich um einen PKW i.S. des § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991 handele. Zwar werde das Fahrzeug nach Angaben des Klägers ausschließlich betrieblich für die An- und Abfahrt von Material und Mitarbeitern zu Baustellen genutzt, jedoch könne es ohne großen Aufwand innerhalb kurzer Zeit zum Personentransport bereitgestellt werden und sei daher objektiv nach Bauart und Einrichtung für Privatfahrten ebenso nutzbar.
Die hiergegen gerichtete Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1998, 1217 veröffentlichten Gerichtsbescheid die Ansicht, eine Förderung des VW-Busses sei ausgeschlossen, da das Fahrzeug einen PKW i.S. des § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991 darstelle. Der VW-Bus sei ―ausweislich des Kfz-Briefes― bereits von seiten des Herstellers als PKW-Kombi konzipiert. Auch das äußere Erscheinungsbild lasse eine Personenbeförderung zu, da Glasfenster vorhanden seien, die ausreichend Licht einließen. Sitzbehinderungen seien bei einem Einbau der hinteren Sitzbänke nicht ersichtlich. Ein von dem Kläger eingebauter Werkzeugschrank lasse sich mit wenigen Schrauben beseitigen. Auch der Einbau der für eine Personenbeförderung notwendigen Sicherheitsgurte könne jederzeit nachgeholt werden. Die Beweiserhebung mittels eines Sachverständigengutachtens habe ergeben, daß ein Umbau des VW-Busses in ein Kfz zur Personenbeförderung möglich sei und sich der Umbauaufwand auf ca. 4 Stunden beliefe. Für den Umbau wäre ein Kostenaufwand in Höhe von ca. 450 DM zu veranschlagen. Da dies in Anbetracht der Anschaffungskosten des VW-Busses einen unbeträchtlichen Aufwand darstelle, sei das Fahrzeug als PKW und damit als nicht zulagebegünstigt anzusehen.
Das FG ließ die Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu.
Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991. Rechtsfehlerhaft habe das FG bei der Einordnung des VW-Busses als PKW lediglich die Umbaukosten im Verhältnis zu den ursprünglichen Anschaffungskosten berücksichtigt. Der entscheidende Faktor, die mit 4 Stunden zu veranschlagende Umbauzeit, habe sich nicht hinreichend bei der Urteilsfindung niedergeschlagen. Daher könne das streitige Fahrzeug nicht, wie beispielsweise ein Kombinationskraftwagen, bei dem die Umwandlung vom PKW zum Transporter durch einfaches Umlegen der hinteren Sitzbänke mit wenigen Handgriffen und in wenigen Minuten ohne jeglichen Umbau möglich sei, als PKW eingestuft werden. Ferner lasse auch die Einrichtung, die seit Kauf bzw. Inbetriebnahme des Fahrzeugs etwa durch Einbau eines Werkzeugregals verändert worden sei, eine Nutzung für private Personenbeförderungen nicht zu. Die allgemeine Lebenserfahrung schließe es aus, daß ein Steuerpflichtiger für eine vorübergehende Nutzung solcher Art einen Umbau mit einem Zeitaufwand von ca. 4 Stunden auf sich nehme. Er, der Kläger, habe auch bereits bei der Bestellung des Fahrzeugs darauf geachtet, daß dieses so ausgestattet war, daß es als LKW genutzt werden konnte. Damit sei die ausschließlich geschäftliche Nutzung ohne die Möglichkeit von privat veranlaßten Personentransporten nachgewiesen. Unzutreffend habe das FG ferner festgestellt, daß es bei Einbau weiterer Sitzbänke zu keiner Sitzbehinderung komme. Eine solche ginge bereits von der fest eingebauten Trennwand sowie von den mit dem Fahrzeug fest verbundenen Werkzeugschränken aus. Da sich aber weder die Trennwand noch die Werkzeugschränke in wenigen Minuten entfernen ließen, sei ein Personentransport objektiv nicht möglich.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des FG vom 5. März 1998 aufzuheben und unter Abänderung des Investitionszulagenbescheids vom 14. März 1995 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 8. August 1996 die zu gewährende Investitionszulage neu festzusetzen, die Kosten des Verfahrens dem FA aufzuerlegen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.
Das FA beantragt, unter Verweis auf seine Ausführungen im Einspruchs- und Klageverfahren, die Revision abzuweisen und die Kosten des Verfahrens dem Kläger aufzuerlegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO). Das FG hat den von dem Kläger angeschafften VW-Bus zu Unrecht als PKW i.S. des § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991 und damit als nicht investitionszulagebegünstigt angesehen.
1. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1991 haben Steuerpflichtige im Sinne des Einkommensteuer- und des Körperschaftsteuergesetzes, die im Fördergebiet begünstigte Investitionen i.S. der §§ 2 und 3 InvZulG 1991 vornehmen, einen Anspruch auf Investitionszulagenförderung. Begünstigte Investitionen sind die Anschaffung und die Herstellung von neuen abnutzbaren beweglichen Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens, bei denen u.a. die in § 2 Satz 1 InvZulG 1991 genannten Voraussetzungen gegeben sind. Nicht begünstigt sind aber gemäß § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991 PKW.
Der Begriff des PKW ist im InvZulG 1991 nicht näher umschrieben. Der erkennende Senat hat indes zu § 19 Abs. 2 Satz 2 des Berlinförderungsgesetzes (BerlinFG) sowie zu § 2 Satz 1 Nr. 4 der Investitionszulagenverordnung (InvZV) die Auffassung vertreten, daß ein Kfz grundsätzlich dann als PKW im Sinne dieser Vorschriften anzusehen sei, wenn es objektiv nach Bauart und Einrichtung dazu geeignet und bestimmt ist, auch bei Privatfahrten Personen zu befördern (Urteile des Bundesfinanzhofs ―BFH― vom 1. Juli 1977 III R 98/75, BFHE 123, 272, BStBl II 1977, 864; vom 17. März 1989 III R 97/85, BFH/NV 1990, 731; vom 22. Februar 1991 III R 11/90, BFH/NV 1991, 838; vom 16. Juli 1993 III R 59/92, BFHE 172, 566, BStBl II 1994, 304). Fahrzeuge, die von ihrer ursprünglichen Konzeption her zur privaten Personenbeförderung geeignet und bestimmt seien, verlören durch eine Umgestaltung zum LKW nur dann ihre Eigenschaft als PKW im Sinne des Zulagenrechts, wenn die Umgestaltung auf Dauer angelegt sei, d.h. wenn sie nur unter erschwerten Bedingungen wieder rückgängig gemacht werden könne. Nur wenn die Wiederherstellung des früheren Zustandes mit einem nicht unbeträchtlichen Aufwand an Arbeit und Kosten verbunden sei, könne die Möglichkeit einer privaten Nutzung praktisch ausgeschlossen werden (Senatsurteil in BFH/NV 1990, 731). Für die Beantwortung der Frage, ob ein Fahrzeug den Zweck der privaten Personenbeförderung erfüllen könne, sei allerdings auch nicht die mehr theoretische Möglichkeit dieser Nutzungsart entscheidend, vielmehr sei in diesem Zusammenhang die Lebenserfahrung in Betracht zu ziehen (BFH-Urteil in BFHE 172, 566, BStBl II 1994, 304, m.w.N.).
2. Der Senat ist der Auffassung, daß die zu § 19 Abs. 2 Satz 2 BerlinFG und § 2 Satz 1 Nr. 4 InvZV entwickelten Grundsätze auch für die Auslegung des § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991 heranzuziehen sind. Denn wie der Senat in seiner Entscheidung in BFHE 172, 566, BStBl II 1994, 304 zum Ausdruck gebracht hat, zeigt sich in der Zusammenführung der Vorschriften über die Investitionszulage nach der InvZV und nach § 19 BerlinFG im InvZulG 1991 bei gleichzeitiger Fortführung der bereits in den Vorgängergesetzen gewählten Begriffe, daß Investitionszulagen im Fördergebiet ausgehend von den auf § 19 BerlinFG und § 2 InvZV basierenden Grundsätzen zu gewähren sind.
3. Bei Anwendung dieser in der Senatsrechtsprechung entwickelten Grundsätze ist der vom Kläger angeschaffte VW-Bus nicht als PKW i.S. von § 2 Satz 2 Nr. 3 InvZulG 1991, sondern als LKW anzusehen. Ursprünglich war das vom Kläger angeschaffte Fahrzeug nach seiner Bauart und Einrichtung zwar grundsätzlich geeignet und auch dazu bestimmt, wahlweise der Beförderung von Personen oder der Beförderung von Gütern zu dienen. Jedoch hat der Kläger den Ausstattungsumfang des Fahrzeugs bereits bei der Auslieferung so bestimmt, daß es nach den seinerzeitigen betrieblichen Erfordernissen als "Werkstattwagen" der Beförderung von Mitarbeitern und Material zu Baustellen dienen konnte. Durch diese auf Dauer angelegte Umgestaltung hat der VW-Bus seine ursprünglich vorhandene Eignung als PKW verloren (vgl. Senatsentscheidung in BFH/NV 1990, 731).
Dies gilt unbeschadet der Tatsache, daß am Boden sowie an den Seitenwänden des als Laderaum genutzten rückwärtigen Fahrzeugteils sämtliche Vorrichtungen vorhanden waren, die eine Ausrüstung des Fahrzeugs mit Sitzbänken und Sicherheitsgurten ermöglicht hätten; denn der Einbau einer solchen Ausstattung ―und damit die Herstellung der Eignung des Fahrzeugs zur privaten Personenbeförderung― wäre für den Kläger nicht ohne einen erheblichen zeitlichen Aufwand möglich gewesen. Der durch ein Sachverständigengutachten ermittelte Zeitaufwand von ca. 4 Stunden für die Umrüstung ist durchaus als "nicht unbeträchtlich" im Sinne der bisherigen Rechtsprechung anzusehen. Dies gilt um so mehr, wenn mitberücksichtigt wird, daß ähnlich viel Zeit erforderlich wäre, das Fahrzeug ―etwa nach einem Wochenendausflug― wieder zum "Werkstattwagen" zurückzurüsten. Allein der zeitliche Aufwand schließt es nach der Lebenserfahrung aus, daß der streitgegenständliche VW-Bus laufend (auch) zur Personenbeförderung hätte genutzt werden können. Es erscheint unwahrscheinlich, daß der Kläger einen derartigen Zeitaufwand ―unabhängig von dem ermittelten finanziellen Aufwand― in Kauf genommen hätte, um den VW-Bus zur Beförderung von Personen umzurüsten; zumal er die Ausstattungsgegenstände, die erforderlich gewesen wären, um die Eignung des Fahrzeugs zur Personenbeförderung herzustellen, erst hätte erwerben müssen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, daß dem Kläger im Streitjahr andere, zum Teil bequemere Fahrzeuge, die der Personenbeförderung hätten dienen können, zur Verfügung gestanden haben.
Dieses Ergebnis wird schließlich durch die gutachtlichen Feststellungen des Sachverständigen bestätigt, wonach der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug während der gesamten Dauer seiner Nutzung ―auch über den erforderlichen dreijährigen Bindungszeitraum (s. § 2 Satz 1 InvZulG 1991) hinaus― bis zum Zeitpunkt der Begutachtung durch den Sachverständigen tatsächlich nicht ―auch nicht vorübergehend― umgerüstet hatte.
Fundstellen
Haufe-Index 424805 |
BFH/NV 2000, 655 |
BStBl II 2000, 501 |
BFHE 2000, 547 |
BB 2000, 554 |
BB 2000, 865 |
DB 2000, 556 |
DStRE 2000, 307 |
HFR 2000, 371 |
StE 2000, 150 |