Leitsatz (amtlich)
Der EDV-Berater ist steuerrechtlich als ein eigenständiger Beruf zu verstehen, der sich in seiner totalen Ausrichtung auf die Theorie und Technologie der Datenverarbeitung wesentlich von dem des beratenden Betriebswirts unterscheidet. Deshalb kann auch derjenige, der über die abgeschlossene Ausbildung eines Diplom-Kaufmanns verfügt, jedoch nur als EDV-Berater tätig ist, steuerrechtlich nicht als beratender Betriebswirt eingeordnet werden.
Orientierungssatz
1. Hat ein EDV-Berater keine Berufsausbildung erfahren, die der eines Ingenieurs vergleichbar ist, so kann er auch keine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit ausüben. Der Senat läßt dahinstehen, ob er der Auffassung des III. Senats des BFH in dessen Urteil vom 19.7.1985 III R 175/80 folgen wird.
2. Ist ein Steuerpflichtiger als EDV-Berater sowie in Einzelfällen nach Art eines Unternehmensberaters tätig, so übt der Steuerpflichtige eine gemischte Tätigkeit aus, die einheitlich als gewerbliche zu beurteilen ist, wenn alle Tätigkeiten nur gegenüber einem Auftraggeber ausgeübt werden und sich gegenseitig bedingen und miteinander verflochten sind (vgl. BFH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG 1975 § 15 Abs. 1 Nr. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1; GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) absolvierte nach dem Besuch der Volksschule in den Jahren von 1956 bis 1959 eine Lehre als Landwirtschaftsgehilfe. Anschließend besuchte er bis 1961 eine Fachschule für Land- und Forstwirtschaft. Vom Oktober 1961 bis Oktober 1966 war er Soldat auf Zeit in der Bundeswehr. In dieser Zeit wurde er in Elektronik ausgebildet und erhielt den Fachbrief für Halbleiter- und Regeltechnik. Von Oktober 1963 bis September 1964 war der Kläger in den USA, um dort an dem Waffensystem Pershing --und zwar sowohl auf dem technischen Sektor als auch auf dem Gebiet der Einsatzplanung und Versorgung-- ausgebildet zu werden. In der Zeit vom Oktober 1964 bis Mai 1966 nahm er an einer betriebswirtschaftlichen Grundausbildung des Berufsförderungswerkes der Bundeswehr teil (dienstzeitbegleitende Ausbildung). Dieser Lehrgang bestand in dem Unterricht von dreimal 3 bis 4 Stunden pro Woche. Nach seiner Entlassung aus der Bundeswehr besuchte der Kläger bis März 1967 die Deutsche Angestellten-Akademie. Dort wurde er in den Fächern Programmieren, Büroorganisation, Betriebswirtschaftslehre, Kostenrechnung, Buchführung, Statistik und Wirtschaftsrechnen unterrichtet. Vom April 1967 bis Juni 1971 war der Kläger bei der Firma A zunächst als Systemanalytiker und dann in der Organisationsabteilung angestellt. Dort war er mit der Anfertigung von Logistikplanungen beschäftigt. Vom Juli 1971 bis zum April 1974 war er freier Mitarbeiter der Industrieberatung B in R. 1974 wurde er Minderheitsgesellschafter der C-GmbH, für die er in der Folgezeit selbständig tätig war.
Die vom Kläger im Streitjahr 1975 ausgeübte selbständige Tätigkeit bestand einmal aus der Mitarbeit bei der Erarbeitung eines Verfahrens für die Kostenträgerrechnung einer Datenverarbeitungsgesellschaft. Diese Mitarbeit setzte Kenntnisse im betrieblichen Rechnungswesen voraus. Für die Firma A überarbeitete er ein sog. Verfahrenshandbuch BTK (bebilderter Teilekatalog) und erstellte Ersatzteilurlisten. Außerdem erarbeitete er für die Firma A ein Stücklistensystem und für die Firma D ein Materialbestandsführungssystem. Für die Firma E erstellte er ein Datenbanksystem. Insgesamt arbeitete er auf dem Gebiet des betrieblichen Rechnungswesens (Kostenrechnung), der Materialbewirtschaftung, des Meldewesens, der Leistungs- und Auftragsübersicht und der Basisdatenverarbeitung.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) behandelte den Kläger als Gewerbetreibenden und erließ am 5.April 1977 einen Gewerbesteuermeßbescheid 1975. Der Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA die Verletzung des § 2 Abs.1 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG), des § 1 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung (GewStDV) und des § 18 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
Es beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG München vom 7.September 1982 II 128/77 die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs.3 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Kläger übte im Streitjahr 1975 eine gewerbliche Tätigkeit aus.
1. Nach § 1 GewStDV ist Gewerbebetrieb jede selbständige nachhaltige Betätigung, die mit Gewinnabsicht unternommen wird und sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt, wenn die Betätigung weder als Ausübung von Land- und Forstwirtschaft noch als Ausübung eines freien Berufes noch als eine andere selbständige Arbeit im Sinne des EStG anzusehen ist. Nach den Feststellungen des FG, die mit Revisionsrügen nicht angefochten wurden und deshalb den erkennenden Senat binden (§ 118 Abs.2 FGO), übte der Kläger seine Tätigkeit auf eigene Rechnung und Gefahr aus. Die Tätigkeit war auf Wiederholung angelegt. Der Kläger bot seine Dienste am Markt für Dritte äußerlich erkennbar und gegen Entgelt an. Dabei handelte er in der Absicht, Gewinne im Sinne des § 2 Abs.2 Nr.1 EStG zu erzielen.
2. Die Betätigung des Klägers war keine Ausübung eines freien Berufes im Sinne des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG.
a) Der Kläger war insbesondere kein beratender Betriebswirt. Zwar ist mit dem beratenden Betriebswirt kein festes Berufsbild verknüpft. Jedoch besagt der Begriff, daß der Träger eine bestimmte Berufsausbildung auf dem Gebiet der Betriebswirtschaft absolviert hat, wobei verschiedene Bildungswege in Betracht kommen. Außer der Ausbildung an einer Universität oder Technischen Hochschule mit Diplomabschluß kann an Fachhochschulen der "graduierte Betriebswirt" oder an Fachakademien der "staatlich geprüfte Betriebswirt" erreicht werden. Alle genannten Bildungswege vermitteln Kenntnisse in den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre, zu denen die Investition, die Finanzierung, die Produktion, das betriebliche Rechnungswesen und der Absatz gehören. Beratender Betriebswirt ist deshalb nur derjenige, der entweder über eine abgeschlossene Ausbildung als Betriebswirt verfügt oder sich in der Form des Selbststudiums Kenntnisse in allen hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre angeeignet hat, die denen vergleichbar sind, die in einem der genannten Ausbildungsgänge üblicherweise erworben werden. Das FG ist zwar zu der Auffassung gelangt, der Kläger habe sich derartige Kenntnisse in ausreichendem Umfang angeeignet. Die dazu getroffenen Feststellungen tragen jedoch diese Beurteilung nicht.
So stützt das FG seine Beurteilung unter anderem auf die Ausbildung des Klägers an einem bestimmten Waffensystem bei der Bundeswehr, ohne nähere Feststellungen über den Inhalt der Ausbildung zu treffen, die einen Vergleich mit der Breite und Tiefe eines betriebswirtschaftlichen Bildungsweges zuließen. Die dienstzeitbegleitende Ausbildung am Berufsförderungswerk der Bundeswehr dauerte zwar 1 1/2 Jahre. Sie umfaßte jedoch wöchentlich nur 9-12 Unterrichtsstunden, wobei nicht festgestellt ist, ob diese Stunden ausschließlich der betriebswirtschaftlichen Ausbildung vorbehalten waren. Jedenfalls umfaßt die Ausbildung als staatlich geprüfter Betriebswirt 32 Unterrichtsstunden pro Woche; sie erstreckt sich über 2 Jahre. Schon dieser erhebliche Zeitunterschied begründet Zweifel daran, ob der Besuch des Berufungsförderungswerks im Bezug auf Breite und Tiefe der Ausbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt gleichgestellt werden kann. Das FG hätte sich deshalb nicht mit dem Hinweis begnügen dürfen, daß das Berufsförderungswerk Unterricht in den wesentlichen Bereichen der Betriebswirtschaft angeboten hat. Es hätte den Inhalt des Unterrichts darauf überprüfen müssen, ob er Kenntnisse vermittelte, die denen vergleichbar sind, über die ein staatlich geprüfter Betriebswirt üblicherweise verfügt. Was schließlich den 9-monatigen Besuch der Deutschen Angestellten- Akademie anbelangt, so stellt das FG selbst fest, daß ein wesentlicher Teil dieser Zeit der 1-semestrigen Ausbildung des Klägers zum Organisator und Systemanalytiker vorbehalten war. Das FG mußte deshalb in Erwägung ziehen, daß die gleichzeitige Ausbildung des Klägers in Betriebswirtschaftslehre, Kostenrechnung, Buchführung, Statistik usw. vor allem dem Ziel diente, den Kläger als EDV-Berater auszubilden. Die EDV-Beratung setzt gewisse betriebswirtschaftliche Kenntnisse voraus. Der EDV-Berater ist jedoch --wie noch auszuführen sein wird-- kein beratender Betriebswirt. Die bloße Ausbildung zum EDV-Berater kann deshalb einer betriebswirtschaftlichen Ausbildung, wie sie der Beruf des beratenden Betriebswirts voraussetzt, nicht gleichgestellt werden. Für den Streitfall kommt hinzu, daß die Kürze der Ausbildungszeit von nur 9 Monaten Zweifel daran aufkommen läßt, ob die Deutsche Angestellten-Akademie Unterricht im Bereich der Betriebswirtschaft in einer Breite und Tiefe anbietet, wie ihn der staatlich geprüfte Betriebswirt über die Dauer von 2 Jahren erhält. Jedenfalls sind erhebliche zeitliche Unterschiede in den Ausbildungsgängen Anlaß genug, um an den Nachweis einer vergleichbaren Ausbildung strenge Anforderungen zu stellen. Mithin erlauben die Feststellungen des FG nicht die Schlußfolgerung, der Kläger verfüge über eine dem staatlich geprüften Betriebswirt vergleichbare Ausbildung.
b) Der Kläger war auch nicht einem beratenden Betriebswirt ähnlich tätig. Einen dem beratenden Betriebswirt ähnlichen Beruf übt derjenige aus, der Kenntnisse in den hauptsächlichen Bereichen der Betriebswirtschaftslehre in einer Breite besitzt, wie sie üblicherweise die bereits genannten Ausbildungsgänge vermitteln, und der mit Hilfe der Kenntnisse eine Beratungstätigkeit zumindest in einem der Hauptbereiche der Betriebswirtschaftslehre ausübt. Wesentlich ist dabei, zwischen der Ausbildung und der ausgeübten Beratungstätigkeit zu unterscheiden. Für die Zuordnung einer Beratungstätigkeit zum Beruf des beratenden Betriebswirts reicht es nicht aus, daß die Beratung bestimmte Hauptbereiche der Betriebswirtschaftslehre berührt. So wie ein Wirtschaftsprüfer oder ein Steuerberater noch nicht deshalb einen dem Rechtsanwalt vergleichbaren Beruf ausüben, weil sie Steuerpflichtige auch in Rechtsstreitigkeiten vor den Finanzgerichten vertreten dürfen (§§ 3 und 4 des Steuerberatungsgesetzes --StBerG--), so reicht allein das Tätigwerden z.B. eines EDV-Beraters auf dem Gebiet der Produktion oder des betrieblichen Rechnungswesens oder einem anderen betrieblichen Hauptbereich nicht aus, um ihn mit einem beratenden Betriebswirt zu vergleichen. Entscheidend ist die Ausbildung, die den jeweiligen Berater zur Ausübung seiner Beratungstätigkeit befähigt. Die Tätigkeit eines EDV-Beraters setzt jedoch heute entgegen der Auffassung des FG eine spezielle Ausbildung voraus, die von der eines Betriebswirts wesentlich abweicht. Gerade der Studiengang eines "Diplom-Informatikers" zeigt, daß die Ausbildung des EDV-Beraters interdisziplinär ist. Sie umfaßt sowohl Systemtheorien und die Entwicklung von Programmsystemen als auch Informationstheorien. Der EDV-Berater ist heute als ein eigenständiger Beruf zu verstehen, der sich in seiner totalen Ausrichtung auf die Theorie und die Technologie der Datenverarbeitung wesentlich von dem des beratenden Betriebswirts unterscheidet. Deshalb kann auch derjenige, der über die abgeschlossene Ausbildung eines Diplom-Kaufmanns verfügt, jedoch nur als EDV-Berater tätig ist, steuerrechtlich nicht als beratender Betriebswirt eingeordnet werden. Für den Streitfall ist daher unabhängig von der Frage, ob der Kläger über eine dem beratenden Betriebswirt genügende Ausbildung verfügt, entscheidend, daß nach den Feststellungen des FG (§ 118 Abs.2 FGO) die elektronische Datenverarbeitung für die Tätigkeit des Klägers eine keineswegs untergeordnete Rolle spielte. Der Kläger hat sich nicht nur selbst als EDV-Berater bezeichnet, sondern hat auch zu einem wesentlichen Teil seiner praktischen Berufstätigkeit auf dem Gebiet der EDV beraten. Dies gilt z.B. für die Mitarbeit bei der Erarbeitung des Verfahrens für die Kostenträgerrechnung einer Datenverarbeitungsgesellschaft, für die Modifikation des Verfahrenshandbuches "Betrieblicher Teilekatalog", für die Bearbeitung der Ersatzteil-Urlisten für die Firmen A und E, für die Bearbeitung eines Stücklistensystems und eines Materialbestandsführungssystems für die Firma D sowie für die Fertigstellung eines Datenbanksystems für die Firma E. Insoweit war der Kläger als EDV-Berater gewerblich tätig. Zwar kann der Senat nicht ausschließen, daß der Kläger in Einzelfällen auch nach Art eines Unternehmensberaters tätig wurde, was --vorbehaltlich einer vergleichbaren Ausbildung-- den Vergleich mit dem Beruf eines beratenden Betriebswirts erlauben würde. Insgesamt hätte dann der Kläger jedoch eine gemischte Tätigkeit ausgeübt, die einheitlich als gewerbliche zu beurteilen wäre, weil alle Tätigkeiten nur gegenüber einem Auftraggeber (C-GmbH) ausgeübt wurden und sich gegenseitig bedingten und miteinander verflochten waren. Nach der Verkehrsauffassung sind sie in einem solchen Fall als Einheit anzusehen (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29.Januar 1970 IV R 78/66, BFHE 98, 176, BStBl II 1970, 319; vom 25.April 1974 VIII R 229/71, BFHE 112, 499, BStBl II 1974, 553; vom 25.April 1978 VIII R 149/74, BFHE 125, 369, BStBl II 1978, 565).
c) Der Senat hält damit an der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteile vom 27.Mai 1975 VIII R 199/73, BFHE 116, 30, BStBl II 1975, 665; vom 28.Juli 1976 I R 63/75, BFHE 120, 253, BStBl II 1977, 34; vom 11.Juni 1985 VIII R 254/80, BFHE 144, 62, BStBl II 1985, 584; BFH-Beschlüsse vom 25.April 1978 VIII B 64/76, BFHE 125, 63, BStBl II 1978, 458; vom 3.Dezember 1981 IV R 79/80, BFHE 134, 565, BStBl II 1982, 267) fest, wonach der EDV-Berater weder "beratender Betriebswirt" ist noch seine Tätigkeit der eines beratenden Betriebswirts ähnelt.
3. Der Kläger übte auch keine dem Ingenieurberuf ähnliche Tätigkeit im Sinne des § 18 Abs.1 Nr.1 EStG aus. Dazu läßt der Senat dahinstehen, ob er der Auffassung des III.Senats des BFH in dessen Urteil vom 19.Juli 1985 III R 175/80 (BFHE 144, 413, BStBl II 1986, 15) folgen wird. Der Kläger hat jedenfalls keine Berufsausbildung erfahren, die der eines Ingenieurs vergleichbar ist (vgl. BFHE 134, 565, BStBl II 1982, 267, und Urteil vom 4.August 1983 IV R 6/80, BFHE 139, 84, BStBl II 1983, 677).
Fundstellen
Haufe-Index 60758 |
BStBl II 1986, 484 |
BFHE 146, 121 |
BFHE 1986, 121 |
CR 1986, 717-719 (ST) |