Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsmittelverfahren gegen den Liquidator einer Gesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Im Verfahren über die Rechtmäßigkeit einer Androhungs- und Festsetzungsverfügung von Zwangsgeld können keine Gründe mehr geltend gemacht werden, die sich gegen die Verfügung richten, deren Befolgung durchgesetzt werden soll.
2. Zur Nichtigkeit einer Verfügung, mit der der Liquidator einer Gesellschaft unter Androhung von Zwangsgeld aufgefordert wird, Körperschaftsteuererklärungen usw. für die Gesellschaft abzugeben.
3. Zur Ausübung des Ermessens bei der Durchführung des Zwangsmittelverfahrens.
Normenkette
AO 1977 §§ 5, 124 Abs. 3, § 125 Abs. 1, 2 Nr. 3, § 328; FGO § 102; HGB § 15 Abs. 3
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist freiberuflich tätiger Steuerberater. Gemäß Handelsregisterauszug vom ... Oktober 1991 ist er alleinvertretungsberechtigter Liquidator der Firma ... (GmbH), die am ... Juli 1991 aufgelöst worden ist. Ihren einzigen Vermögenswert, eine Eigentumswohnung in P, hat die GmbH nach der Behauptung des Klägers veräußert und mit dem Erlös Ende 1989 Darlehensschulden abgelöst. Die GmbH hat letztmalig für 1988 Steuererklärungen und Bilanzen beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -- FA --) eingereicht. Das FA forderte daher den Kläger in seiner Eigenschaft als Liquidator der GmbH mit Schreiben vom 13. Februar 1992 auf, bis zum 10. März 1992 die Körperschaftsteuererklärungen 1989 und 1990 nebst Bilanzen sowie die Erklärungen zur gesonderten Feststellung gemäß § 47 des Körperschaftsteuergesetzes zum 31. Dezember 1989 und 31. Dezember 1990 einzureichen; eine Rechtsbehelfsbelehrung war dem Schreiben nicht beigefügt. Da der Kläger der Aufforderung nicht nachkam, mahnte das FA mit sechs Verfügungen vom 20. Juli 1992, denen jeweils eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt war, die Abgabe der angeforderten Erklärungen und Bilanzen bis zum 20. August 1992 unter Androhung von Zwangsgeldern in Höhe von je 500 DM an. Auch diese Anmahnungen blieben ohne Erfolg; die Verfügungen vom 20. Juli 1992 wurden bestandskräftig. Mit sechs Verfügungen vom 14. September 1992 setzte das FA daraufhin die angedrohten Zwangsgelder fest und drohte jeweils ein weiteres Zwangsgeld in Höhe von 1 000 DM für den Fall an, daß die genannten Erklärungen und Bilanzen nicht bis zum 5. Oktober 1992 vorgelegt würden. Die Verfügungen richtete das FA an den Kläger für die GmbH. Nach erfolgloser Beschwerde wies das Finanzgericht (FG) die Klage aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 1995, 699 -- teilweise -- veröffentlichten Gründen als unbegründet ab. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision.
Er rügt die unrichtige Rechtsanwendung und die Verletzung des dem FA eingeräumten Entschließungs- und/oder Auswahlermessens. Ferner erhebt der Kläger Verfahrensrügen wegen des vom FG teilweise unrichtig oder unvollständig ermittelten Sachverhalts, den dieses dennoch zur Grundlage seiner Entscheidung gemacht habe.
Der Kläger beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung die Androhungs- und Festsetzungsverfügungen des FA vom 14. September 1992 und die Beschwerdeentscheidung der Oberfinanzdirektion (OFD) vom 26. Oktober 1993 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Es führt u. a. aus, im Streitfall gehe es entgegen der Hilfsbegründung des FG nicht um die Zwangsgeldfestsetzung gegen einen Scheinliquidator, sondern um die Zwangsgeldfestsetzung gegen den wirksam bestellten Liquidator. Der Kläger sei wirksam zum Liquidator der GmbH bestellt worden. Der bestandskräftig gewordene Androhungsbescheid vom 20. Juli 1992 entfalte nur dann keine Bindungswirkung, wenn er nichtig sei. Davon könne aber vorliegend keine Rede sein.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das FG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die angefochtenen (sechs) Verfügungen des FA vom 14. September 1992 in Gestalt der Beschwerdeentscheidung vom 26. Oktober 1993, mit denen gegen den Kläger jeweils ein Zwangsgeld von 500 DM festgesetzt und ein weiteres von jeweils 1 000 DM angedroht wurde, rechtmäßig sind. Die dagegen vom Kläger mit der Revision geltend gemachten Einwendungen greifen nicht durch.
1. Das FG hat -- in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 1981 VII R 13/80, BFHE 135, 141, BStBl II 1982, 371; vom 11. August 1992 VII R 90/91, BFH/NV 1993, 346, und vom 2. November 1994 VII R 94/93, BFH/NV 1995, 754) -- ausgeführt, daß der Kläger im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Androhungs- und Festsetzungsverfügungen vom 14. September 1992 keine Gründe mehr geltend machen kann, die sich gegen die Rechtmäßigkeit der (sechs) Verfügungen vom 20. Juli 1992 (Anordnungsverfügungen) richten, mit denen das FA die Aufforderung vom 13. Februar 1992 zur Abgabe der Erklärungen und Bilanzen für die GmbH wiederholt hat. Diese sind, wie das FG für den Senat nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) bindend festgestellt hat, mit Ablauf der Rechtsbehelfsfrist bestandskräftig geworden. Im Verfahren über die Rechtmäßigkeit der Festsetzungs- und Androhungsverfügungen vom 14. September 1992 ist daher von der Rechtmäßigkeit der Anordnungsverfügungen auszugehen.
Das gleiche gilt hinsichtlich der Androhungsverfügungen vom 20. Juli 1992, die in jeweils einem Bescheid mit den Anordnungsverfügungen ergangen sind. Auch gegen diese Androhungsverfügungen kann sich der Kläger im Festsetzungsverfahren nicht mehr wenden, weil diese -- wie im Streitfall vom FG bindend (§ 118 Abs. 2 FGO) festgestellt -- ebenfalls bestandskräftig geworden sind.
2. Der Kläger könnte deshalb mit seinen Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnungsverfügungen nur Erfolg haben, wenn sich daraus ergeben würde, daß die Verfügungen nichtig und deshalb unwirksam sind (§ 124 Abs. 3 der Abgabenordnung -- AO 1977 --). Dies ist jedoch -- wie das FG im Ergebnis rechtsfehlerfrei erkannt hat -- nicht der Fall. Selbst wenn als richtig unterstellt wird, daß der Kläger nicht wirksam zum Liquidator der GmbH bestellt worden ist und die GmbH im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnungsverfügungen nicht mehr existent war, folgt daraus noch nicht die Nichtigkeit der an den Kläger als Liquidator der GmbH gerichteten Anordnungsverfügungen. Deshalb ist eine Auseinandersetzung mit den Ausführungen des Klägers zur angeblich eingetretenen Vollbeendigung der GmbH und der sich daraus ergebenden Unwirksamkeit seiner Bestellung zum Liquidator nicht erforderlich. Die Voraussetzungen des § 125 Abs. 1 und des § 125 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977, unter denen sich die Nichtigkeit der Verfügungen im Streitfall allein ergeben könnte, liegen nicht vor.
a) Nach § 125 Abs. 1 AO 1977 ist ein Verwaltungsakt nichtig, soweit er an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist. Es mag zwar sein, daß ein Verwaltungsakt, der den vermeintlichen Liquidator einer nicht existenten juristischen Person zur Abgabe von Steuererklärungen für die juristische Person auffordert, an einem besonders schwerwiegenden Fehler leidet, weil er etwas rechtlich Unmögliches verlangt (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 21. Oktober 1985 GrS 4/84, BFHE 145, 110, BStBl II 1986, 230; Urteil vom 17. Juni 1992 X R 47/88, BFHE 169, 103, BStBl II 1993, 174; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 15. Aufl., § 125 AO 1977 Rz. 3c, § 122 AO 1977 Rz. 8). Im Streitfall jedoch ist dieser Fehler jedenfalls nicht offenkundig.
Offenkundig ist ein Fehler nur, wenn jeder verständige Dritte, dem die Kenntnis aller in Betracht kommenden Umstände unterstellt werden kann, in der Lage ist, den Fehler in seiner besonderen Schwere zu erkennen (vgl. BFH-Urteil vom 22. November 1988 VII R 173/85, BFHE 155, 24, BStBl II 1989, 220; von Wedelstädt in Beermann, Steuerliches Verfahrensrecht, § 125 AO 1977 Rz. 18). Davon kann im Streitfall jedoch nicht ausgegangen werden.
Selbst wenn dem Vortrag des Klägers zu folgen wäre, daß entgegen der Auffassung des FG hinsichtlich der GmbH eine Vollbeendigung eingetreten ist, hätte dies nicht ohne weiteres zur Folge, daß die GmbH als nicht mehr existent anzusehen wäre. Denn solange noch steuerrechtliche Pflichten der GmbH zu erfüllen sind, besteht sie steuerrechtlich fort (vgl. BFH-Urteile vom 21. Mai 1971 V R 117/67, BFHE 102, 174, BStBl II 1971, 540; vom 6. Mai 1977 III R 19/75, BFHE 122, 389, BStBl II 1977, 783; vom 26. März 1980 I R 111/79, BFHE 130, 477, BStBl II 1980, 587, und vom 24. März 1987 X R 28/80, BFHE 150, 293, BStBl II 1988, 316). Ob und inwieweit sie tatsächlich noch steuerrechtliche Pflichten zu erfüllen hat, mag streitig sein, dies ist jedenfalls für einen Dritten nicht augenfällig zu beurteilen und daher nicht offenkundig.
Zur Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH wäre der Kläger, wenn er denn zum Zeitpunkt des Erlasses der Anordnungsverfügungen Liquidator der GmbH gewesen wäre, verpflichtet gewesen (§ 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 70 des Gesetzes betreffend die Gesellschaft mit beschränkter Haftung -- GmbHG --). Das FG hat mit Recht nicht geprüft, ob der Kläger -- wie er behauptet -- nicht wirksam zum Liquidator der GmbH bestellt worden ist. Darauf kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Nach den bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) steht fest, daß der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses der Verfügungen noch als Liquidator der GmbH im Handelsregister eingetragen war. Aus der in § 15 Abs. 3 des Handelsgesetzbuches (HGB) geregelten positiven Publizität des Handelsregisters folgt, daß sich der Kläger seine Eintragung als Liquidator im Handelsregister entgegenhalten lassen muß. § 15 Abs. 3 HGB gilt über seinen Wortlaut hinaus nicht nur im Falle einer -- im Streitfall nicht festgestellten -- unrichtigen Bekanntmachung einer im Handelsregister einzutragenden Tatsache (hier der nach § 67 GmbHG ein zutragenden Liquidatorenbestellung), sondern auch im Falle der unrichtigen Eintragung selbst (vgl. Heymann, Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., § 15 Rz. 25). Deshalb kann es jedenfalls nicht offenkundig i. S. von § 125 Abs. 1 AO 1977 sein, daß der Kläger im Zeitpunkt des Erlasses der Anordnungsverfügungen nicht Liquidator der GmbH war und daher die an ihn als für die GmbH Erklärungspflichtigen (§ 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 70 GmbHG) gerichteten Anordnungsverfügungen fehlerhaft waren.
b) Richtig ist auch, daß die Voraussetzungen für eine Nichtigkeit der Anordnungsverfügungen nach § 125 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 im Streitfall deswegen nicht vorliegen, weil nach dieser Vorschrift nur Verwaltungsakte nichtig sind, die tatsächlich niemand befolgen kann, also eine tatsächlich objektive Unmöglichkeit besteht (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 125 AO 1977 Rz. 6b). Davon ist aber selbst dann nicht auszugehen, wenn unterstellt würde, daß der Kläger nicht wirksam zum Liquidator der GmbH bestellt worden ist. In diesem Fall wäre es nämlich nur ihm subjektiv unmöglich, die Anordnung des FA zu erfüllen. Dieses subjektive Unvermögen wird aber von § 125 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 nicht erfaßt.
Mit Recht hat das FG in diesem Zusammenhang nicht geprüft, ob dem Kläger "nachvollziehbare und prüffähige Unterlagen" zur Abgabe der von ihm geforderten Erklärungen zur Verfügung standen. Hätten sie ihm nicht zur Verfügung gestanden, wäre darin ebenfalls nur ein Fall subjektiven Unvermögens zu sehen gewesen, das jedenfalls nicht zur Nichtigkeit der Anordnungsverfügungen nach § 125 Abs. 2 Nr. 2 AO 1977 geführt hätte.
3. Zutreffend hat das FG auch geurteilt, daß in der Durchführung des Zwangsmittelverfahrens durch die angefochtenen Verfügungen vom 14. September 1992 Ermessensfehler auf der Ebene des Entschließungs- oder Auswahlermessens sowie eine Überschreitung der gesetzlichen Ermessensgrenzen nicht erkennbar sind.
Dem FA steht im Zwangsmittelverfahren sowohl hinsichtlich der Androhung als auch in bezug auf die Festsetzung des Zwangsgeldes ein Entschließungs- und Auswahlermessen zu, das im Rahmen von § 5 AO 1977 auszuüben ist (vgl. in bezug auf die Festsetzung des Zwangsgeldes BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 754; im übrigen Tipke/Kruse, a. a. O., § 328 AO 1977 Rz. 19). Das FG konnte deshalb gemäß § 102 FGO die Verfügungen vom 14. September 1992 nur daraufhin überprüfen, ob das FA bei der Festsetzung der bereits angedrohten Zwangsgelder und bei der Androhung weiterer Zwangsgelder die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Dabei sind die Verfügungen in Gestalt der Beschwerdeentscheidung zu überprüfen (vgl. BFH-Urteil vom 26. März 1991 VII R 66/90, BFHE 164, 7, BStBl II 1991, 545). Die Beschwerdeentscheidung nimmt eingehend zur Ausübung des Ermessens Stellung.
Allerdings vertritt die OFD darin in bezug auf die Festsetzung der Zwangsgelder auch die Auffassung, daß der Behörde insoweit kein Ermessen mehr zustehe, weil es sich bei der Festsetzung des Zwangsgeldes nur um den Vollzug der vorausgegangenen Androhung handele. Diese Auffassung steht im Widerspruch zur Auffassung des Senats (Urteil in BFH/NV 1995, 754) und würde zur Rechtswidrigkeit der Festsetzung führen, wenn die Zwangsgelder tatsächlich ohne Ausübung des gesetzlich eingeräumten Ermessens festgesetzt worden wären. Davon kann aber nach den weiteren Ausführungen der Beschwerdeentscheidung nicht ausgegangen werden. Vielmehr setzt sie sich ausführlich mit der Zumutbarkeit der vom Kläger geforderten Handlungen und der Angemessenheit der Zwangsgelder auseinander.
Die auch vom FG aufgrund seiner Feststellungen gewonnene Überzeugung, daß der Kläger trotz seiner gegenteiligen Ausführungen immer erst dann tätig geworden ist, wenn ihm aus seiner Sicht keine andere Wahl mehr blieb, ist rechtlich nicht zu beanstanden, weil sie weder gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt noch auf mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen beruht. Sie rechtfertigt die vom FA für erforderlich gehaltene Festsetzung der Zwangsgelder und die Androhung weiterer Zwangsgelder. Angesichts der damit für den Senat verbindlichen Tatsachenwürdigung (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 118 Rz. 31) kann der Kläger im Revisionsverfahren nicht mehr mit den unsubstantiierten und einander widersprechenden Behauptungen gehört werden, er habe im Hinblick auf die gegebene Auslandsbeteiligung für die Beschaffung der erforderlichen Unterlagen mehr Zeit benötigt als die ihm vom FA eingeräumte und er habe seine Möglichkeiten zur Beschaffung dieser Unterlagen erschöpft.
Soweit der Kläger vorträgt, seiner Beschwerdeschrift vom 15. September 1992 seien telefonische Unterredungen mit dem FA vorausgegangen, in denen er auf die Schwierigkeiten bei Abgabe der Erklärungen und Bilanzen hingewiesen habe, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen, das im Revisionsverfahren nicht mehr berücksichtigt werden kann (§ 118 Abs. 2 FGO). Das gleiche gilt für seinen Vortrag über den angeblichen Inhalt des Gesprächs, das beim FA am 23. Juli 1993 stattgefunden haben soll, und für den Einwand, das FA habe im Körperschaftsteuerbescheid des Jahres 1989 die Besteuerungsgrundlage bereits geschätzt. Im übrigen könnte aber auch aus dem Umstand, daß die Besteuerungsgrundlage für das Jahr 1989 geschätzt worden sein soll, kein Ermessensfehlgebrauch hinsichtlich der Verfügungen vom 14. September 1992 hergeleitet werden. Denn der Festsetzung und Androhung von Zwangsgeldern steht nicht entgegen, daß das FA die Möglichkeit hatte und diese für das Jahr 1989 angeblich auch wahrgenommen hat, die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen. Selbst eine bereits durchgeführte Schätzung entbindet den Steuerpflichtigen gemäß § 149 Abs. 1 Satz 4 AO 1977 nicht davon, die vorgeschriebenen Erklärungen abzugeben und an der genauen Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen mitzuwirken, wenn das FA dies für erforderlich hält (vgl. Tipke/Kruse, a. a. O., § 328 AO 1977 Rz. 20).
Es ist auch nicht ersichtlich, daß die Festsetzung der Zwangsgelder und die Androhung weiterer Zwangsgelder im Streitfall gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und das Übermaßverbot (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes) verstößt. Der Kläger hätte, wie das FG mit Recht ausgeführt hat, vor Erlaß der angefochtenen Verfügungen ausreichend Zeit gehabt, dem FG darzulegen, in welcher Weise er sich bisher vergeblich darum bemüht hat, die erforderlichen Unterlagen für die Abgabe der angeforderten Erklärungen und Bilanzen zu beschaffen. Dies hat er, wie vom FG bindend festgestellt, versäumt. Schließlich hat das FA auch nicht den in § 328 Abs. 2 AO 1977 spezialgesetzlich normierten Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verletzt. In der Beschwerdeentscheidung ist vielmehr einleuchtend ausgeführt worden, weshalb Festsetzung und Androhung der Zwangsgelder erforderlich gewesen sind.
Daß der Kläger angeblich rechtlich nicht zur Abgabe der Erklärungen und Bilanzen verpflichtet war, brauchte das FA bei Ausübung seines Ermessens im Androhungs- und Festsetzungsverfahren (Verfügungen vom 14. September 1992) nicht mehr zu berücksichtigen, weil die Anordnungsverfügungen (vom 20. Juli 1992) bestandskräftig waren (BFH-Urteile in BFHE 135, 141, BStBl II 1982, 371, und in BFH/NV 1993, 346).
4. Soweit der Kläger eine Verletzung der §§ 34, 70, 191 AO 1977 rügt, weil seine Haftung für die Abgabe der Steuererklärung nur dann in Betracht komme, wenn seinerseits Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis wegen vorsätzlicher und grob fahrlässiger Verletzung der ihm auferlegten Vertreterpflicht nicht oder nicht rechtzeitig erfüllt worden wären, ist darauf hinzuweisen, daß der Kläger vom FA nicht im Wege der Haftung für Steueransprüche in Anspruch genommen worden ist. Er sollte mit der Festsetzung und Androhung der Zwangsgelder vom 14. September 1992 vielmehr zur Erfüllung bestimmter Pflichten angehalten werden, die ihm als Liquidator der GmbH gemäß § 34 Abs. 1 AO 1977 i. V. m. § 70 GmbHG persönlich oblagen (vgl. dazu Tipke/Kruse, a. a. O., § 328 AO 1977 Rz. 18). Die Maßnahmen im Androhungs- und Festsetzungsverfahren von Zwangsgeldern sind unabhängig davon, ob der Betroffene schuldhaft seine Pflichten nicht erfüllt hat. Zur Androhung und insbesondere Festsetzung von Zwangsgeldern reicht es aus, daß der Kläger objektiv der bestandskräftigen Anordnung zur Abgabe der Erklärungen und Bilanzen nicht nachgekommen ist (BFH-Urteil vom 29. April 1980 VII R 4/79, BFHE 131, 425, BStBl II 1981, 110).
5. Die erhobenen Verfahrensrügen greifen nicht durch (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs).
Fundstellen