Entscheidungsstichwort (Thema)
Schätzung bei Bäckereibetrieb; verdeckte Gewinnausschüttung bei aktivierten Anschaffungskosten
Leitsatz (NV)
1. Zur Schätzung (Nachkalkulation) bei einem Bäckereibetrieb.
2. Ist der als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehende Kaufpreisteil bei der GmbH in die aktivierten Anschaffungskosten des erworbenen Wirtschaftsgutes eingegangen und hat er damit noch zu keiner Gewinnminderung geführt, wird die Verminderung des Bilanzansatzes durch die Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung ausgeglichen. Im Ergebnis ändert sich das Einkommen der GmbH nicht.
Normenkette
AO 1977 § 162; AO § 217; KStG § 6 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine GmbH, stellte in den Streitjahren (1966 bis 1969) Backwaren her. An der Klägerin waren B zu 75 v. H. und dessen Ehefrau zu 25 v. H. beteiligt. Geschäftsführer war B. Die im Betrieb der Klägerin anfallenden Arbeiten wurden von den Gesellschaftern erledigt; fremdes Personal wurde nicht beschäftigt.
Im November 1970 führte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) bei der Klägerin eine Außenprüfung durch. Die Prüfungsanordnung erstreckte sich für die streitigen Steuerarten auf die Jahre 1966 bis 1968. Der Prüfungsbericht enthält auch Ausführungen zum Streitjahr 1969. Der Prüfer kam zu dem Ergebnis, daß die Buchführung der Klägerin wegen erheblicher Mängel nicht ordnungsmäßig sei. In den Streitjahren seien weder ein Kassenbuch noch sonstige Einzelaufzeichnungen über die Bareinnahmen geführt worden. Die Buchungen der Kassenvorgänge innerhalb des Journals seien unchronologisch und mitunter mit Bleistift vorgenommen worden. Buchungsvermerke auf Belegen und Ausgangsrechnungen seien vielfach nicht vorhanden; auch sei weder ein Wareneingangsbuch noch für alle ausgeschriebenen Rechnungen ein Kontokorrentkonto geführt worden. Der Prüfer hat anhand einer Teigausbeute-Berechnung einen Rohgewinnaufschlagsatz ermittelt und danach die Umsätze für die Streitjahre geschätzt. Ferner erkannte der Prüfer in den Jahren 1967 bis 1969 Abschreibungen auf Bäckereimaschinen nicht an, die B an die Klägerin veräußert hatte. Als verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin an B wertete der Prüfer für die Streitjahre 1966 bis 1968 die Geschäftsführerbezüge des B, weil die Bezüge nicht regelmäßig ausgezahlt worden seien.
Das FA folgte der Auffassung des Prüfers und erließ für die Streitjahre 1966 bis 1969 geänderte Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide.
Die Einsprüche hatten keinen Erfolg.
Im Klageverfahren hat das Finanzgericht (FG) Beweis erhoben durch Einholung von Sachverständigengutachten zu der Teigausbeute-Berechnung und zu der Frage, welchen Wert die Bäckereimaschinen zum Zeitpunkt des Verkaufs an die Klägerin gehabt haben. Die Klage hatte zum Teil Erfolg. Das FG sah einen Teil des Kaufpreises für die Bäckereimaschinen als verdeckte Gewinnausschüttung an und ließ für den anderen Teil Absetzungen für Abnutzung (AfA) zu. Die Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1967 bis 1969 wurden entsprechend geändert. Im übrigen wurde die Klage (als unbegründet) abgewiesen.
Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, die angefochtene Entscheidung des FG sowie die aufgrund der Betriebsprüfung ergangenen geänderten Umsatzsteuer-, Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuermeßbescheide 1966 bis 1969 in Gestalt der Einspruchsentscheidungen vom 26. Juni 1975 aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist wegen Körperschaftsteuer 1967 und wegen Gewerbesteuermeßbetrags 1967 zum Teil begründet, im übrigen unbegründet.
Entgegen der Auffassung der Klägerin sind die für das Streitjahr 1969 ergangenen Steuerbescheide nicht schon deshalb rechtswidrig, weil sich die Prüfungsanordnung nur auf die Jahre 1966 bis 1968 bezog.
Ein Verwertungsverbot für die aus einer Außenprüfung (Betriebsprüfung) gewonnenen Erkenntnisse würde voraussetzen, daß die Rechtmäßigkeit der Prüfungsanordnung bzw. der auf ihrer Grundlage ergriffenen Prüfungsmaßnahmen angegriffen und in der Folge ihre Rechtswidrigkeit festgestellt worden wäre (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Juli 1983 I R 210/79, BFHE 139, 221, BStBl II 1984, 285; vom 23. Februar 1984 IV R 154/82, BFHE 140, 505, BStBl II 1984, 512); dies ist im Streitfall nicht geschehen. Die Klägerin hat auch nicht geltend gemacht, durch bestimmte Ermittlungsmaßnahmen des Prüfers für außerhalb des Prüfungszeitraums liegende Veranlagungszeiträume in ihren Rechten verletzt zu sein; die Rechtswidrigkeit solcher Maßnahmen ist nicht festgestellt worden (vgl. BFH-Urteil vom 5. April 1984 IV R 244/83, BFHE 140, 518, BStBl II 1984, 790). Mithin ist davon auszugehen, daß die umstrittenen Erkenntnisse nicht durch rechtswidriges Verwaltungshandeln erlangt worden sind.
FA und FG waren zur Schätzung der Besteuerungsgrundlagen berechtigt (§ 217 der Reichsabgabenordnung - AO -; § 162 der Abgabenordnung - AO 1977 -; § 96 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -), weil die Buchführung der Klägerin formell nicht ordnungsmäßig war und Anlaß bestand, an ihrer sachlichen Richtigkeit zu zweifeln.
1. Die Klägerin war nach § 160 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 38 ff. des Handelsgesetzbuches (HGB), §§ 41 f. des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) verpflichtet, ordnungsmäßige Bücher zu führen. Die allgemeine Verpflichtung zur zeitnahen Verbuchung, die aus § 162 Abs. 2 AO herzuleiten ist, ist durch § 162 Abs. 7 AO für Bargeschäfte verschärft worden. Sinn dieser Vorschrift ist es, einem Buchsachverständigen jederzeit zu ermöglichen, den Sollbestand nach dem Kassenbuch mit dem Istbestand der Geschäftskasse zu vergleichen (BFH-Urteile vom 31. Juli 1974 I R 216/72, BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96; vom 17. November 1981 VIII R 174/77, BFHE 135, 11, BStBl II 1982, 430). Nach den insoweit nicht bestrittenen Feststellungen des FG sind in den Streitjahren weder ein Kassenbuch noch sonstige Einzelaufzeichnungen über die Bareinnahmen geführt worden. Nach diesen Feststellungen ist auch nicht davon auszugehen, daß das Sachkonto ,,Kasse" selbst als (ordnungsmäßiges) Kassenbuch geführt worden ist (vgl. BFH-Urteil vom 1. Oktober 1969 I R 73/66, BFHE 97, 21, BStBl II 1970, 45). Denn die betreffenden Buchungsvorgänge innerhalb des Journals wurden unchronolisch vorgenommen. Hinzu kommt, daß im Journal verschiedentlich Buchungen mit Bleistift ausgeführt worden sind.
Eine solche Form der Aufzeichnungen entspricht nicht den Anforderungen an eine ordnungsmäßige Buchführung (vgl. BFH-Urteil vom 14. Juni 1963 VI 195, 196/62, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Reichsabgabenordnung, § 222, Rechtsspruch 172). Damit kann dahinstehen, ob ein Buchführungsmangel auch daraus zu folgern wäre, daß nach Feststellung des FG nicht für alle ausgeschriebenen Rechnungen ein Kontokorrentkonto geführt worden ist (vgl. auch BFH-Urteile vom 2. Oktober 1968 I R 8/66 BFHE 94, 319, BStBl II 1969, 157; vom 7. Juli 1977 IV R 205/72, BFHE 124, 157, BStBl II 1978, 307).
2. Die Nachkalkulation des Prüfers genügt den Anforderungen an die Genauigkeit einer Schätzung bei Buchführungsmängeln, aus denen auf sachliche Unregelmäßigkeiten geschlossen werden kann. Die Revision wendet sich lediglich mit allgemeingehaltenen Ausführungen gegen die Nachkalkulation. Soweit die Klägerin vorbringt, das FG hätte nach Vorlage des (schriftlichen) Gutachtens des Sachverständigen eingehende Ermittlungen über die tatsächlichen Umsätze und Gewinne der Klägerin anstellen müssen, wendet sie sich gegen die Würdigung dieses Gutachtens durch das FG. Diese Würdigung ist möglich und nicht zu beanstanden (§ 96 Abs. 1 Satz 1 FGO). Die Revision übersieht, daß der Sachverständige das schriftliche Gutachten in dem Beweistermin des FG vom 3. September 1980 erläutert hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus der Niederschrift über die Beweisaufnahme nicht, daß ,,in sehr krauser Weise . . . herumgeredet" wurde. Vielmehr läßt die Niederschrift eine eingehende Auseinandersetzung mit den einzelnen Positionen der Nachkalkulation erkennen.
a) Grundlage der Nachkalkulation ist im Streitfall eine Berechnung über die Teigausbeute. Nach den Feststellungen des FG hat der Gutachter das vom Prüfer verwendete Zahlenmaterial nicht beanstandet und es als sachangemessen und die Klägerin nicht benachteiligend bezeichnet. Soweit bei der Nachkalkulation auch Werte aus einem äußeren Betriebsvergleich verwendet wurden, ist dies nicht zu beanstanden. Eine Nachkalkulation kann mit einer Teilschätzung aus einem äußeren Betriebsvergleich verbunden werden (vgl. BFHE 135, 11, 21, BStBl II 1982, 430, 435). Zu Recht hat das FG auch darauf abgestellt, daß die Klägerin keine Angaben zu diesen Berechnungsgrundlagen gemacht hat.
b) Die im Wege der Schätzung ermittelte Aufteilung in zwei unterschiedlich preiskalkulierte Warengruppen (Backwaren, Feinbackwaren), die von der Klägerin nicht angegriffen wird, genügt den Anforderungen, die im Streitfall an die Schätzungsmethode zu stellen sind (vgl. BFHE 113, 400, BStBl II 1975, 96; BFHE 135, 11, 19 f., BStBl II 1982, 430, 434). Die Ermittlung der jeweiligen Rohgewinnaufschlagsätze läßt einen Rechtsfehler nicht erkennen. Nicht zu beanstanden ist auch, wenn das FG zur Kontrolle seines Ergebnisses auf die amtliche Richtsatzsammlung verweist, deren unterster Rahmensatz noch unterschritten wird.
Eine verdeckte Gewinnausschüttung i. S. von § 6 Abs. 1 Satz 2 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG a.F.) liegt vor, wenn eine Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet und die Zuwendung ihre Ursache im Gesellschaftsverhältnis hat. Die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses ist im allgemeinen gegeben, wenn die Kapitalgesellschaft bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters den Vermögensvorteil unter sonst gleichen Umständen einem Nichtgesellschafter nicht gewähren würde. In Verhältnis zwischen der Kapitalgesellschaft und einem beherrschenden Gesellschafter wird die Ursächlichkeit des Gesellschaftsverhältnisses bereits angenommen, wenn es für die Leistung der Kapitalgesellschaft an einer im voraus getroffenen klaren und eindeutigen Vereinbarung fehlt (ständige Rechtsprechung; vgl. z. B. BFH-Urteil vom 21. Juli 1982 I R 56/78, BFHE 136, 386, BStBl II 1982, 761).
1. Nach diesen Grundsätzen liegt eine verdeckte Gewinnausschüttung vor, wenn die Gesellschaft von dem Gesellschafter ein Wirtschaftsgut zu einem unangemessen hohen Kaufpreis erwirbt. Als verdeckte Gewinnausschüttung ist dann der Teil des Kaufpreises anzusehen, den ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter einem Nichtgesellschafter unter sonst gleichen Umständen nicht gewährt haben würde. Das FG hat auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens die Höhe der verdeckten Gewinnausschüttung mit 3 200 DM angenommen. Diese Würdigung ist nicht zu beanstanden.
a) Gleichwohl ist das Einkommen der Klägerin für das Streitjahr 1967 insoweit nicht zu erhöhen. Dies folgt daraus, daß der als verdeckte Gewinnausschüttung anzusehende Kaufpreisteil in die zu aktivierenden Anschaffungskosten eingegangen ist und damit zu keiner unmittelbaren Gewinnminderung geführt hat. Als Folge der Verminderung dieses Bilanzansatzes um den Betrag der verdeckten Gewinnausschüttung mindern sich das Betriebsvermögen und der Bilanzgewinn. Diese Verminderung wird durch die Hinzurechnung der verdeckten Gewinnausschüttung ausgeglichen. Im Ergebnis ändert sich das Einkommen nicht (vgl. Frotscher/Maas, Körperschaftsteuergesetz [KStG 1977], Anhang zu § 8, Anm. 103; Dötsch/Gottstein/Stegmüller/Zenthöfer, Körperschaftsteuer, 7. Aufl. 1982 S. 155 f.).
b) Dagegen verbleibt es bei den vom FG nach den berichtigten Anschaffungskosten bemessenen Abschreibungsbeträgen. Wegen der niedrigeren Anschaffungskosten ist auch die AfA niedriger.
2. Leistungen einer Kapitalgesellschaft an ihren beherrschenden Gesellschaften außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung sind, auch wenn sie ihrem Umfang nach angemessen wären, verdeckte Gewinnausschüttungen, wenn nicht von vornherein klar und eindeutig bestimmt ist, ob und in welcher Höhe ein Entgelt für eine Leistung des Gesellschafters gezahlt werden soll oder wenn nicht einer entsprechenden Vereinbarung gemäß verfahren wird (BFH-Urteile vom 30. Juli 1975 I R 110/72, BFHE 117, 36, BStBl II 1976, 74; vom 21. Juli 1976 I R 223/74, BFHE 119, 453, BStBl II 1976, 734). Vereinbarte Vergütungen müssen auch gezahlt werden. Eine Gutschrift allein genügt nicht (BFH-Urteil vom 5. Oktober 1977 I R 230/75, BFHE 124, 164, BStBl II 1978, 234).
Nach den Feststellungen des FG sind die Gehälter für den beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer B in den Streitjahren 1966 bis 1968 nicht regelmäßig ausgezahlt worden. Es wurden auch keine Umstände festgestellt, die den Schluß zuließen, daß die Bezüge wegen finanzieller Schwierigkeiten der GmbH zu den Fälligkeitszeitpunkten nicht ausgezahlt worden wären (vgl. BFH-Urteile vom 12. Dezember 1973 I R 183/71, BFHE 111, 150, BStBl II 1974, 179; vom 2. Mai 1974 I R 194/72, BFHE 112, 476, BStBl II 1974, 585). Das FG hat daher insoweit zu Recht eine verdeckte Gewinnausschüttung angenommen.
3. Soweit die Revision vorträgt, außer dem Geschäftsführergehalt sei ein Gehalt für die Ehefrau zu Unrecht nicht als Betriebsausgabe anerkannt worden, bringt sie neue Tatsachen vor, die das Revisionsgericht mangels zulässiger und begründeter Verfahrensrügen nicht berücksichtigen kann (§ 118 Abs. 2 FGO).
Damit erweist sich die Revision als unbegründet, soweit das FG die Klage wegen Umsatzsteuer 1966 bis 1969, wegen Körperschaftsteuer 1966, 1968 und 1969 sowie wegen Gewerbesteuermeßbeträgen 1966, 1968 und 1969 abgewiesen hat. Bezüglich der Körperschaftsteuer 1967 und des Gewerbesteuermeßbetrags 1967 sind die angefochtenen Bescheide und die Vorentscheidung aufzuheben, soweit die verdeckte Gewinnausschüttung wegen überhöhter Anschaffungskosten streitig ist. Gemäß Art. 3 § 4 des Gesetzes zur Entlastung der Gerichte in der Verwaltungs- und Finanzgerichtsbarkeit wird dem FA die Berechnung dieser Steuern übertragen.
Fundstellen