Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufwendungen für Fachliteratur eines arbeitslosen Arbeitnehmers
Leitsatz (NV)
Hält sich ein arbeitsloser Arbeitnehmer durch die Lektüre von Fachliteratur in seinem erlernten Beruf auf dem laufenden, sind die Aufwendungen für Fachliteratur und sonstige Arbeitsmittel dann als vorab entstandene Werbungskosten und nicht nur in beschränktem Umfang als Sonderaus gaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1, 2. Alternative EStG zu berücksichtigen, wenn feststeht, daß der nicht erwerbstätige Arbeitnehmer dem inländischen Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung steht.
Normenkette
EStG §§ 3c, 9 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 7, § 19 Abs. 1
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Diplom-Biologe. Bis zum September 1991 war er als wissenschaftlicher Mitarbeiter an einer Universität beschäftigt. Danach war er bis August 1992 arbeitslos. Während dieser Zeit hielt er sich vom Oktober 1991 bis April 1992 in Australien auf. Im Januar 1992 nahm er an drei mehrtägigen Segel- und Tauchexkursionen teil; die Aufwendungen dafür machte er u. a. als Werbungskosten geltend. Ab Mai 1992 bezog der Kläger Arbeitslosengeld. Er wurde zum 1. September 1992 bei einem Unternehmen in der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) angestellt, das sich mit Arzneimittelprüfungen beschäftigt. Die Beschäftigung dauerte bis Ende Februar 1993. Seitdem ist der Kläger wieder arbeitslos.
Der Kläger machte für das Streitjahr 1992 Aufwendungen für Bücher, Zeitschriften, Videofilme, "biologisches Anschauungs- und Lehrmaterial", Ausrüstungsgegenstände für Taucher und Schiffs- und Tauchexkursionen in Höhe von insgesamt 14 748 DM als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) erkannte insoweit Werbungskosten in Höhe von 445,20 DM an.
Das Finanzgericht (FG) berücksichtigte weitere Aufwendungen mit dem Höchstbetrag von 900 DM als Sonderausgaben. Es vertrat die Ansicht, Aufwendungen eines Arbeits losen, die lediglich der Verbesserung der allgemeinen Anstellungschancen oder der Weiterbildung dienten, seien nicht als vorab entstandene Werbungskosten abziehbar. Die Aufwendungen seien allerdings als Weiterbildungskosten in einem nicht ausgeübten Beruf (§ 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1, 2. Alternative des Einkommensteuergesetzes -- EStG --) bis zu dem dort bezeichneten Betrag von 900 DM als Sonderausgaben zu berücksichtigen.
Der Kläger rügt mit seiner Revision eine Verletzung des § 9 Abs. 1 EStG und macht geltend, der Entscheidung des FG liege ein unzutreffendes Verständnis des Veranlassungszusammenhangs zugrunde.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und weitere Werbungskosten von 14 304 DM zu berücksichtigen.
Das FA beantragt sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --). Das FG hat bei seiner Entscheidung noch nicht die zwischenzeitlich ergangene Rechtsprechung des Senats zur Anerkennung von vorab entstandenen Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit (§ 19 Abs. 1 EStG) berücksichtigen können.
1. Der Senat hat mit Urteil vom 18. April 1996 VI R 5/95 BFHE 180, 357, BStBl II 1996, 482 die bisherige Rechtsprechung zu der Frage, welche Voraussetzungen für die Annahme von vorab entstandenen Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit erfüllt sein müssen, konkretisiert und fortentwickelt. Er hat entschieden, daß die Aufwendungen eines Steuerpflichtigen für die Teilnahme an Bildungsmaßnahmen, die nicht als Berufsausbildung (vgl. § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1, 1. Alternative EStG) zu beurteilen sind, dann mit den angestrebten Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in einem hinreichend klaren Zusammenhang stehen und als vorab entstandene Werbungskosten i. S. des § 9 Abs. 1 EStG und nicht etwa nur in beschränktem Umfang als Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1, 2. Alternative EStG zu berücksichtigen sind, wenn feststeht, daß der während der Dauer der Bildungsmaßnahme nicht erwerbstätige Steuerpflichtige für die Zeit nach ihrem Abschluß eine Anstellung anstrebt und dem Arbeitsmarkt danach tatsächlich uneingeschränkt zur Verfügung steht. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Inhalt dieses Urteils Bezug genommen.
Bei Anwendung der vorstehenden Grundsätze auf die Fallgestaltung, daß der arbeitslose Steuerpflichtige nicht an einer konkreten Bildungsmaßnahme teilnimmt, sondern sich nur allgemein durch die Lektüre von Fachliteratur in seinem erlernten Beruf auf dem laufenden hält und fortbildet, sind die Aufwendungen für Fachliteratur oder sonstige Arbeitsmittel dann als vorab entstandene Werbungskosten und nicht nur in beschränktem Umfang als Sonderausgaben i. S. des § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 1, 2. Alternative EStG zu berücksichtigen, wenn feststeht, daß der nicht erwerbstätige Steuerpflichtige dem Arbeitsmarkt tatsächlich zur Verfügung steht. Im Hinblick auf § 3 c EStG ist außerdem Voraussetzung für den Werbungskostenabzug, daß der Steuerpflichtige dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung stehen muß.
2. Die Vorentscheidung ist von anderen Grundsätzen ausgegangen und deshalb aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif.
Zwar sind die Ausführungen des FG im Ergebnis insoweit zutreffend, als es bestimmte Aufwendungen, z. B. für Segel- und Tauchexkursionen, nicht als Kosten für eine berufliche Bildungsmaßnahme, sondern als typische Kosten der Lebensführung gewertet und schon deshalb nicht steuermindernd berücksichtigt hat. Das FG hat den Abzug dieser Kosten für die Lebensführung als Sonderausgaben -- von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig -- unter Hinweis auf § 10 Abs. 1 Nr. 7 Satz 4 EStG versagt. Einem Abzug dieser Aufwendungen als Werbungskosten steht § 12 Nr. 1 EStG entgegen.
Das FG hat jedoch in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise bei bestimmten Büchern einen speziellen Bezug zum Beruf eines Biologen angenommen und die Aufwendungen dafür als Weiterbildungskosten mit dem Höchstbetrag von 900 DM als Sonderausgaben abgezogen. Es hat -- wegen des bei Sonderausgaben nur in beschränktem Umfang möglichen Abzugs -- nicht ermittelt, wie hoch insgesamt die Ausgaben des Klägers für solche Bücher, Zeitschriften oder sonstige Arbeitsmittel waren, bei denen ein spezieller Bezug zum Beruf eines Biologen anzuerkennen ist.
Im zweiten Rechtsgang wird zunächst zu berücksichtigen sein, daß der Kläger nach den Feststellungen im finanzgerichtlichen Urteil auch eine Auslandstätigkeit in Aussicht genommen hat. Das FG wird deshalb zu klären haben, ab wann der Kläger dem deutschen Arbeitsmarkt zur Verfügung gestanden hat. Die in dieser Zeit getätigten Aufwendungen für Fachliteratur können grundsätzlich als Werbungskosten berücksichtigt werden, es sei denn, die Anschaffung ließe sich ausschließlich durch eine im Ausland angestrebte Beschäftigung erklären. Dann stünde dem Abzug als Werbungskosten § 3 c EStG entgegen.
Soweit der Kläger Fachliteratur im Ausland in einer Zeit erworben haben sollte, in der er dem deutschen Arbeitsmarkt tatsächlich nicht zur Verfügung gestanden hat, kann ein hinreichend klarer Zusammenhang mit in der Bundesrepublik angestrebten steuerpflichtigen Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit und mithin ein Abzug als Werbungskosten nur angenommen werden, wenn im Zeitpunkt der Anschaffung der Fachliteratur die alsbaldige Rückkehr in die Bundesrepublik mit dem Bemühen, dort eine Anstellung zu finden, feststand. Außerdem gilt auch hier die Einschränkung, daß § 3 c EStG dem Abzug von Aufwendungen für solche Fachliteratur entgegensteht, deren Anschaffung sich ausschließlich mit einer im Ausland angestrebten Beschäftigung erklären ließe.
Fundstellen
Haufe-Index 65822 |
BFH/NV 1997, 98 |