Entscheidungsstichwort (Thema)
Abgrenzung von Gewinnbeteiligung und erfolgsabhängiger Vergütung bei der atypischen stillen Gesellschaft
Leitsatz (NV)
1. Ein Gesellschaftsverhältnis setzt eine Gewinnbeteiligung voraus.
2. Ob bei fehlender vertraglicher Regelung zur Höhe der jährlichen Erfolgsbeteiligung eine Gewinnbeteiligung oder eine erfolgsabhängige Vergütung vorliegt, ist - auch bei einer nachträglichen Vereinbarung unter Angehörigen - nach dem Wert der Gegenleistung zu beurteilen. Vergleichsmaßstab ist dasjenige, was für die Leistung eines Dritten aufzuwenden gewesen wäre.
Normenkette
EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; BewG § 97 Abs. 1 Nr. 5; HGB § 336 Abs. 1 a.F. (231 Abs. 1 n.F.), § 168 Abs. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Vater des Klägers und Revisionsklägers zu 2 (Kläger zu 2) betrieb als Einzelunternehmer den ...warenexport und einen ...waren-Großhandel. Am 27. Dezember 1963 schenkte der Vater dem Kläger zu 2, der seit 1949 in der Firma und seit vielen Jahren als Prokurist tätig war, den Betrieb. Noch am selben Tag übertrug der Kläger zu 2 den Betrieb unentgeltlich weiter auf seine Ehefrau, die Klägerin und Revisionsklägerin zu 1 (Klägerin zu 1), die das Unternehmen unter der bisherigen Firma fortführte. Der Kläger zu 2 wurde als Geschäftsführer angestellt.
Der Anstellungsvertrag lautete:
,,1. ab 01. 01. 1969 erhält Herr ... als Geschäftsführer ein Jahresgehalt von brutto 48000 DM.
2. der Betrag zu ,1 kann unterschritten werden, wenn die Existenz der Firma anderenfalls bedroht wäre. Er kann überschritten werden, wenn es die wirtschaftliche Lage der Firma erlaubt.
3. von dem Betrag der Pos. ,1-2 wird monatlich ein Betrag von 1 000 DM brutto ausgezahlt. Der Rest wird jeweils am Ende des darauffolgenden Jahres fällig.
Zusatzvereinbarung
4. der Betrag von Pos. ,1 erhöht sich vom 01. 01. 1972 an von 48000 DM auf 60 000 DM/Jahr."
Das Jahresgehalt für die Streitjahre 1972 bis 1974 wurde jährlich um 4000 DM überschritten.
Nach einer Betriebsprüfung bei der Klägerin zu 1 behandelte das zunächst zuständige Finanzamt (FA) Z den Kläger zu 2 als Alleinunternehmer, dann aber - nach entsprechender Änderung des Prüfungsberichts - neben der Klägerin zu 1 als Mitunternehmer im Rahmen einer Innengesellschaft. Dementsprechend erhöhte es die - nunmehr gesondert und einheitlich festgestellten - Gewinne des Unternehmens im wesentlichen um die als Betriebsausgaben gebuchten Gehälter, Tantiemen und Sonderbezüge des Klägers zu 2.
Die - in einigen geringfügigen Punkten streitigen - Gewinne des Unternehmens betrugen 100632 DM (1972), 76827 DM (1973) und 78526 DM (1974). Davon entfielen als Gehalt auf den Kläger zu 2 68337 DM (1972), 70691 DM (1973) und 68967 DM (1974), die das FA als Vorwegvergütungen dem Kläger zu 2 zurechnete. Außerdem stellte es die Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1972, 1. Januar 1973 und 1. Januar 1974 - ebenfalls erstmals - für die Mitunternehmerschaft fest.
Die Einsprüche blieben erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) hat die - gegen den nunmehr zuständigen Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) gerichtete - Klage abgewiesen. Zur Begründung führte es im wesentlichen aus:
1. Es sei davon auszugehen, daß in den Streitjahren eine atypische Innengesellschaft zwischen den Klägern bestanden habe. Mitunternehmer könne auch sein, wer zivilrechtlich nicht Gesellschafter, jedoch aufgrund eines anderen Rechtsverhältnisses eine dem Gesellschafter vergleichbare Stellung innehabe. Das ergebe sich im Streitfall aus einer Reihe von besonderen Umständen.
2. Auf der Grundlage des so zustande gekommenen stillschweigenden Gesellschaftsverhältnisses habe der Kläger zu 2 auch - als Geschäftsführer Mitunternehmerinitiative ergriffen und - Mitunternehmerrisiko getragen; hierfür sei die erfolgsabhängige Komponente des ,,Anstellungsvertrags" und seine Teilhabe an den stillen Reserven des Sonderbetriebsvermögens ausreichend. Darüber hinaus sei auch der Geschäftswert des Unternehmens an die Person des Klägers zu 2 gebunden.
3. Dagegen hielt das FG die vom FA vorgenommene Gewinnverteilung nicht für zutreffend. In der Gehaltsvereinbarung sei keine Vereinbarung einer Vorabvergütung, sondern eine abschließende Gewinnverteilungsabrede zu sehen.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung formellen (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und materiellen Rechts (§§ 196, 197 Abs. 1 Satz 3 der Abgabenordnung - AO 1977 -, § 15 Abs. 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes - EStG -, Verstoß gegen die Denkgesetze).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Gewinne 1972 bis 1974 und der Einheitswerte des Betriebsvermögens auf den 1. Januar 1972, 1. Januar 1973 und 1. Januar 1974.
Der Senat entscheidet im vorliegenden Verfahren nur über die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Gewinnfeststellungs- und Einheitswertbescheide für die Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Die Frage, ob der Kläger zu 2 ggf. Alleinunternehmer dieser Firma war und ob der Anstellungsvertrag ein steuerrechtlich anzuerkennendes Arbeitsverhältnis begründete, braucht er im Streitfall nicht zu prüfen.
Die Kläger sind nicht Mitunternehmer. Zwischen ihnen besteht keine ,,andere Gesellschaft" i. S. des § 15 Nr.2 Satz 1 EStG 1971 bzw. keine ,,ähnliche Gesellschaft" i. S. von § 97 Abs. 1 Nr. 5 des Bewertungsgesetzes i. d. F. des Art. 3 Nr. 11 des Bewertungsänderungsgesetzes 1971 (BewG), bei der der Gesellschafter als Mitunternehmer anzusehen ist.
1. Mitunternehmer i. S. von § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG kann - von dem hier nicht vorliegenden Fall einer Teilhaberschaft an einer, einer Personengesellschaft wirtschaftlich vergleichbaren Gemeinschaft abgesehen - nur sein, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist (BFH-Urteile vom 6. Dezember 1988 VIII R 362/83, BFHE 156, 93, BStBl II 1989, 705 m. w. N., und vom 26. Juni 1990 VIII R 81/85, BFHE 161, 472, unter 3. a, sowie Beschluß vom 25. Februar 1991 GrS 7/89, BFHE 163, 1, BStBl II 1991, 691 unter C III. 3. a). Als Personengesellschaft im Sinne dieser Vorschrift kommt auch eine BGB-Gesellschaft in Betracht, bei der ein Gesellschafter nach außen im eigenen Namen als Einzelunternehmer, im Innenverhältnis aber auch für Rechnung der übrigen Gesellschafter auftritt (Innengesellschaft, vgl. dazu z. B. BFH-Beschluß vom 11. Dezember 1980 IV R 91/76, BFHE 132, 278, BStBl II 1981, 310, und Urteil vom 22. Oktober 1987 IV R 17/84, BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62 unter 3. c, und Schmidt, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 15 Anm. 51 a mit weiteren Rechtsprechungsnachweisen). Eine solche Gesellschaft ist insbesondere auch die atypische stille Gesellschaft (vgl. insbesondere BFH-Urteile vom 12. November 1985 VIII R 364/83, BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311, und vom 13. Juni 1989 VIII R 47/85, BFHE 157, 192, BStBl II 1989, 720).
Dasselbe gilt für den Mitunternehmer i. S. des § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG (vgl. dazu Gürsching/Stenger, Kommentar zum Bewertungsgesetz und Vermögensteuergesetz, 9. Aufl., § 97 BewG Anm. 43 m. w. N.).
2. Im Streitfall kommt nur eine Innengesellschaft in der Form einer atypischen stillen Gesellschaft in Betracht.
Ist ein Gesellschafter lediglich im Innenverhältnis an einem Handelsgewerbe beteiligt, das ein Kaufmann mit Gewinnerzielungsabsicht betreibt, und soll er einen Gewinnanteil erhalten, ist er stiller Gesellschafter (§§ 335, 336 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches - HGB - a. F., §§ 230, 231 Abs. 2 HGB n. F.; Karsten Schmidt, Gesellschaftsrecht, 2. Aufl., S. 1547 m. w. N.; vgl. auch BFH in BFHE 161, 472). Er ist - wenn weitere Umstände hinzutreten (vgl. insbesondere BFH in BFHE 145, 408, BStBl II 1986, 311, und Schmidt, a. a. O., § 15 Anm. 58, 59 m. w. N.) - atypischer stiller Gesellschafter und damit Mitunternehmer einer ,,anderen" bzw. ,,ähnlichen" Gesellschaft i. S. von § 15 Abs. 2 Nr. 1 EStG und § 97 Abs. 1 Nr. 5 BewG.
3. Im Streitfall fehlt es schon an einer Gewinnbeteiligung.
a) Eine Gewinnbeteiligung ist zwar auch in der Weise zulässig, daß sie ganz oder teilweise einer späteren Einigung der Gesellschafter über die Höhe des Gewinnanteils vorbehalten bleibt. Für die stille Gesellschaft schreibt § 336 Abs. 1 HGB (§ 231 Abs. 1 HGB n. F.) sogar vor, daß ein den Umständen nach angemessener Anteil als bedungen gilt, wenn der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt. Auf diesen Gewinnverteilungsschlüssel greift auch die für atypisch stille Gesellschaften näher liegende Vorschrift des § 168 Abs. 2 HGB hinsichtlich des Restgewinns zurück. Was angemessen ist, bestimmen - ggf. in einer alljährlichen Zusatzvereinbarung - die Gesellschafter. Nur im Streitfall entscheidet das richterliche Ermessen (vgl. etwa Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 22. März 1956 II ZR 200/54, Betriebs-Berater - BB - 1956, 799, und dazu Schlegelberger/Martens, Handelsgesetzbuch, Kommentar, 5. Aufl., 168 Rdnr. 12, und Paulick/Blaurock, Handbuch der stillen Gesellschaft, 4. Aufl., S. 267).
b) Aber auch Arbeitsverhältnisse können eine solche ,,Neuverhandlungspflicht" vorsehen (vgl. etwa BGH-Urteil vom 21. April 1975 II ZR 2/73, Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1975, 761 m. w. N.; Söllner und Schaub in Münchener Kommentar, Bürgerliches Gesetzbuch, 2. Aufl., § 315 Rdnrn.4, 9 und § 612 Rdnr. 178; Ballhaus in Das Bürgerliche Gesetzbuch, Kommentar, herausgegeben von Mitgliedern des Bundesgerichtshofs - BGB-RGRK -, 12. Aufl., § 315 Rdnr. 8 und § 316 Rdnr. 3; Soergel/Wolf; Bürgerliches Gesetzbuch, 11. Aufl., § 315 Rz. 32). Einigen sich die Beteiligten nicht, ist in analoger Anwendung des § 315 BGB die Leistung - ggf. unmittelbar durch Urteil (BGH-Urteile vom 21. Dezember 1977 V ZR 179/75, BB 1978, 580; vom 7. April 1978 V ZR 141/75, BGHZ 71, 276; vom 13. März 1985 IV a ZR 211/82, BGHZ 94, 98) - nach billigem Ermessen zu bestimmen. Dasselbe gilt, wenn die Beteiligten nicht geregelt haben, wer die Entscheidung über die Anpassung treffen soll (BGH-Urteil vom 4. Oktober 1967 VIII ZR 51/66, BB 1967, 1310; Ballhaus, a. a. O.; Söllner, a. a. O., § 315 Rdnr. 9). Während sich aber im Gesellschaftsrecht der Maßstab der Angemessenheit stets auf den Anteil am ,,Gewinn des Unternehmens" bezieht, bezieht sich der Maßstab des billigen Ermessens bei den gegenseitigen Verträgen auf den ,,Gegenwert für die erbrachte Leistung" (vgl. z. B. BGH-Urteil vom 21. März 1961 I ZR 133/59, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1961, 1251; Staudinger/Mayer-Maly, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12. Aufl., § 315 Rdnr. 57, 58); insoweit gilt nichts anderes als für die nach § 612 Abs. 2 BGB zu bestimmende übliche Vergütung.
4. Die Entscheidung des FG - die die Anpassungsklausel ausschließlich unter dem Gesichtspunkt der Gewinnbeteiligung gewürdigt hat - steht mit diesen Grundsätzen nicht in Einklang. Sie war deshalb aufzuheben.
Der Senat entscheidet in der Sache selbst.
Die vertragliche Bestimmung, daß das Gehalt überschritten werden kann, ,,wenn es die wirtschaftliche Lage der Firma erlaubt", ist im Sinne einer leistungsbezogenen erfolgsabhängigen Vergütung auszulegen.
a) Das wäre nur dann anders, wenn die Kläger das Gehalt tatsächlich dem jeweiligen jährlich erzielten Gewinn angepaßt hätten (zur Bedeutung der tatsächlichen Handhabung von Verträgen mit erfolgsabhängigen Gegenleistungen BFH in BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62 unter 3. c m. w. N.). Das ist hier aber nicht der Fall. Die Kläger haben lediglich - für alle Streitjahre gleichbleibend - wegen der guten wirtschaftlichen Lage des Unternehmens das Festgehalt von jährlich 48000 DM um 4000 DM auf jährlich 52000 DM angehoben.
b) Eine Gewinnbeteiligung kann allerdings auch in der Weise vereinbart werden, daß der Anteil eines Gesellschafters nicht prozentual, sondern mit absoluten Beträgen festgesetzt wird. Eine solche Gewinnbeteiligung läßt sich insbesondere bei Anstellungsverträgen mit Neuverhandlungsklausel nur schwer von gewinnabhängigen Vergütungen abgrenzen. Die Rechtsprechung des BFH hat dem dadurch Rechnung getragen, daß sie bei Vergütungen, die dem Wert der Dienstleistung entsprechen und deshalb auch für die Leistung eines Dritten aufzuwenden wären, eine Gewinnbeteiligung abgelehnt hat (BFH-Urteile vom 22. Januar 1985 VIII R 303/81, BFHE 143, 247, BStBl II 1985, 363; vom 28. Januar 1986 VIII R 335/82, BFHE 146, 375, BStBl II 1986, 599; in BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62; vom 23. August 1990 IV R 58/89 BFH/NV 1991, 661). Das gilt - wie der BFH in BFHE 151, 163, BStBl II 1988, 62, und BFH/NV 1991, 661 ausgeführt hat - auch dann, wenn die Vergütungen des Geschäftsführers dem Unternehmen nur noch einen geringen verteilbaren Restgewinn beläßt.
So liegt der Fall auch hier. Das FG hat zwar zum Wert der Dienstleistungen und zur Angemessenheit der Vergütung keine Feststellungen getroffen. Der Senat hat aber keine Bedenken, bei vereinbarten Bezügen von monatlich umgerechnet rd. 4300 DM sowie der Art und dem Umfang des Unternehmens die Angemessenheit zu bejahen.
Fundstellen
Haufe-Index 418773 |
BFH/NV 1993, 518 |