Entscheidungsstichwort (Thema)
Verdeckte Gewinnausschüttung bei mittelbaren Leistungen; Veranlassungszusammenhang zu einer bestimmten Einkunftsart; ernstliche Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 S. 1 FGO
Leitsatz (NV)
1. Eine verdeckte Gewinnausschüttung setzt nicht notwendigerweise die unmittelbare Vermögenszuwendung durch die Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter voraus. Die Zuwendung der Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter kann sich auch mittelbar durch Leistung eines Dritten vollziehen.
2. Ist einem Stpfl. ein bestimmtes vermögenswertes Recht oder eine Sache gemäß § 159 Abs. 1 AO 1977 steuerrechtlich zuzurechnen, so müssen die dazu berufenen Finanzbehörden und FG in freier Überzeugungsbildung darüber befinden, ob ein der Vermögenszurechnung nachweisbar vorangehender Zufluß des Rechts bzw. der Sache in einem Veranlassungszusammenhang zu einer bestimmten Einkunftsart steht.
3. § 159 Abs. 1 AO 1977 enthält eine steuerrechtliche Beweisführungslastregelung, die nur dann nicht eingreift, wenn die Person nachgewiesen wird, der das Recht oder die Sache tatsächlich zuzurechnen ist.
4. Für die Annahme ernstlicher Zweifel i. S. des § 69 Abs. 2 Satz 1 FGO reicht es nicht aus, daß der Stpfl weiteren Tatsachenvortrag in Aussicht stellt, wenn das FA seinerseits den Sachverhalt bis zur Grenze des Zumutbaren aufgeklärt hat.
Normenkette
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1, § 102 Abs. 1 Nr. 3b, § 159 Abs. 1 S. 1, § 361; EStG § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1, 3, § 5 Abs. 1, §§ 8-9; FGO § 69 Abs. 2, § 96 Abs. 1; KStG 1977 § 8 Abs. 3 S. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Klägerin ist eine Import- und Export-GmbH. Gesellschafter-Geschäftsführer ist X. Die Klägerin unterhielt in den Jahren 1978-1981 Geschäftsbeziehungen zu Firmen in Fernost. Aus diesen Geschäftsbeziehungen flossen der Klägerin Provisionen unmittelbar zu. Die Firmen in Fernost zahlten jedoch weitere Provisionen auf ein Konto des X bei einer schweizerischen Bank. Die Klägerin macht geltend, diese Provisionen stünden einer namentlich nicht genannten Person zu, die die Geschäftsbeziehungen zu den Firmen in Fernost vermittelt habe. Als Treuhänder dieser Person trete ein Rechtsanwalt K aus Israel auf. Das FA hat die auf dem schweizerischen Konto eingegangenen Provisionszahlungen als verdeckte Gewinnausschüttung der Klägerin an X angesehen. Das FG wies die Klage wegen AdV als unbegründet zurück. Die Revision hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Das FG hat zu Recht die Klage der Klägerin teilweise abgewiesen.
1. Das FG-Urteil leidet an keinem von der Klägerin in zulässiger Weise gerügten Verfahrensmangel. Das bedarf keiner Begründung (Art. 1 Nr. 8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs - BFHEntlG -).
2. Es ist nicht zu beanstanden, daß das FG die auf das Konto des X bei der schweizerischen Bankgesellschaft überwiesenen Provisionen als verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin an ihren Hauptgesellschafter X behandelte.
a) Unter dem Begriff der verdeckten Gewinnausschüttung sind - entsprechend ihrem Wesen und der systematischen Stellung des § 8 Abs. 3 KStG 1977 - alle Vorgänge zu verstehen, durch die letztlich Vermögen einer Kapitalgesellschaft den Gesellschaftern oder diesen nahestehenden Personen zugeführt wird, wobei - um den Folgen des § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977 zu entgehen - eine Beurteilung des Sachverhalts geltend gemacht wird, die diesen nicht als Grundlage einer Ausschüttung erscheinen läßt, vielmehr eine solche ,,verdeckt". Vermögensvorteile werden damit den Gesellschaftern in einer Form zugeführt, in der sie nicht als Ausschüttung erscheinen, sondern unter anderer Bezeichnung verborgen sind. Entscheidend ist damit, ob Leistungen an den Gesellschafter aus betrieblichen Gründen oder mit Rücksicht auf das Gesellschaftsverhältnis gewährt werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Mai 1984 I R 294/81, BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673). Maßstab ist dabei im Regelfall, ob die Kapitalgesellschaft einem Gesellschafter einen Vermögensvorteil zuwendet, den sie bei Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters einem Nichtgesellschafter nicht gewährt hätte (vgl. BFHE 141, 266, BStBl II 1984, 673).
b) Nach ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 1980 VIII R 8/78, BFHE 132, 257, BStBl II 1981, 261, m.w.N.) setzt eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht notwendigerweise die unmittelbare Vermögenszuwendung durch die Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter voraus. Die Zuwendung der Kapitalgesellschaft an ihren Gesellschafter kann sich auch mittelbar durch Leistung eines Dritten vollziehen, wenn aufgrund tatsächlicher oder rechtlicher Beziehungen, die zwischen der Kapitalgesellschaft und dem Dritten bestehen, dessen Leistung an den Gesellschafter wirtschaftlich zugleich als Leistung der Kapitalgesellschaft anzusehen ist. In diesem Sinne kann die Kapitalgesellschaft ihrem Gesellschafter einen Vermögensvorteil dadurch zuwenden, daß sie auf die Geltendmachung eines ihr zustehenden Anspruchs verzichtet und zugleich die Verwirklichung des Anspruchs durch den Gesellschafter duldet.
c) Das FG hat zwar im einzelnen nicht ausgeführt, warum es in den Zahlungen an X verdeckte Gewinnausschüttungen der Klägerin an X gesehen hat. Aus dem Tatbestand der Vorentscheidung ergibt sich jedoch als Feststellung des FG, daß es sich bei den Zahlungen um Provisionen handelte, die auf Geschäftsbeziehungen zurückgingen, die die Klägerin in den Streitjahren unterhielt. Aus dieser Feststellung folgt, daß die Provisionen die Gegenleistung für zumindest im Außenverhältnis von der Klägerin erbrachte Leistungen darstellen. Wenn die Klägerin es zuläßt, daß diese Provisionen von ihrem Gesellschafter-Geschäftsführer persönlich vereinnahmt werden, so führt sie ihrem Gesellschafter damit mittelbar einen Vermögensvorteil zu, der als verdeckte Gewinnausschüttung in dem oben genannten Sinne zu erfassen ist.
3. Das FG ist zutreffend davon ausgegangen, daß die auf das Konto des X bei der schweizerischen Bank überwiesenen Beträge dem Vermögen des X zugeführt wurden.
a) Nach § 159 Abs. 1 AO 1977 hat u.a. derjenige, der behauptet, daß er Rechte, die auf seinen Namen lauten, nur als Treuhänder oder Vertreter eines anderen innehabe, auf Verlangen nachzuweisen, wem die Rechte gehören. Wird der Nachweis nicht geprüft, so sind sie ihm regelmäßig zuzurechnen. Zwar erlaubt die Vorschrift nur die Zurechnung vermögenswerter Rechte und Sachen. Daraus kann jedoch nicht die Schlußfolgerung gezogen werden, sie erlaube keine Einkünftezurechnung. Vielmehr folgt aus § 2 Abs. 2, § 4 Abs. 1 und 3, § 5 Abs. 1, § 8 und § 9 des Einkommensteuergesetzes (EStG), daß die Einkünfte sich aus Vermögenszu- und -abflüssen zusammensetzen. § 8 Abs. 1 EStG definiert als Einnahmen alle Güter, die in Geld oder Geldeswert bestehen. Die Güter müssen, um als Einkünfte ertragsteuerlich erfaßt werden zu können, im Rahmen einer Einkunftsart dem Steuerpflichtigen zufließen. Ist deshalb einem Steuerpflichtigen ein bestimmtes vermögenswertes Recht oder eine Sache gemäß § 159 Abs. 1 AO 1977 steuerrechtlich zuzurechnen, so müssen die dazu berufenen Finanzbehörden und FG in freier Überzeugungsbildung darüber befinden, ob der der Vermögenszurechnung häufig nachweisbar vorangehende Zufluß des Rechts bzw. der Sache in einem Veranlassungszusammenhang zu einer bestimmten Einkunftsart steht. Kann - wie im Streitfall - der Veranlassungszusammenhang zu einer bestimmten Einkunftsart sogar nachgewiesen werden, so zieht die Vermögenszurechnung gemäß § 159 Abs. 1 AO 1977 zwangsläufig eine entsprechende Einnahme- und Einkünftezurechnung nach sich. So gesehen ist die vom FG gewonnene Überzeugung, daß die dem X gemäß § 159 Abs. 1 AO 1977 zuzurechnenden Bankguthaben nur aus verdeckten Gewinnausschüttungen der Klägerin stammen können, entscheidend für die Einkommensteuerkorrektur bei der Klägerin (§ 8 Abs. 3 Satz 2 KStG 1977).
b) Im Streitfall steht § 102 Abs. 1 Nr. 3b AO 1977 der Anwendung des § 159 Abs. 1 AO 1977 nicht entgegen. Zwar schreibt § 159 Abs. 2 AO 1977 vor, daß Abs. 1 der Vorschriften den § 102 AO 1977 unberührt läßt. Jedoch greift § 102 Abs. 1 Nr. 3b AO 1977 nicht zugunsten des X ein, weil X von Beruf kein Rechtsanwalt ist. Es kommt hinzu, daß der in § 159 Abs. 1 AO 1977 geforderte Nachweis nicht schon durch Benennung des K erbracht ist. § 159 Abs. 1 AO 1977 enthält eine steuerrechtliche Beweisführungslastregelung, die nur dann nicht eingreift, wenn die Person nachgewiesen wird, der das Recht oder die Sache tatsächlich zuzurechnen ist. Da sowohl X als auch die Klägerin behaupten, daß K seinerseits Treuhänder einer anderen Person sei, ist durch die Benennung des K der erforderliche Nachweis noch nicht erbracht. Nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO 1977 sind Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen. Ist der Treugeber, dem gegenüber die Zurechnung zu erfolgen hat, nicht bekannt, so greift die Rechtsfolge des § 159 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AO 1977 regelmäßig ein.
c) Etwas anderes gilt auch nicht deshalb, weil X als der in § 159 Abs. 1 Satz 1 AO 1977 angesprochene Treuhänder nicht Beteiligter des anhängigen Verfahrens ist. Zwar gilt § 159 Abs. 1 AO 1977 nach seinem Wortlaut nur zu Lasten dessen, der behauptet, Rechte, die auf seinen Namen lauten, nur als Treuhänder zu besitzen. Auch steht im Streitfall eine entsprechende Behauptung bezogen auf die Person der Klägerin nicht zur Diskussion. § 159 Abs. 1 AO 1977 ist darüber hinaus aber auch Ausdruck des allgemeinen Prozeßgrundsatzes, daß die Beteiligten an der Aufklärung des Prozeßstoffes mitwirken müssen und die Aufklärung eines unklaren Sachverhalts vor allem Sache desjenigen ist, der dem Sachverhalt am nächsten steht, weshalb ihn der Nachteil treffen soll, wenn ein Sachverhalt nicht restlos aufgeklärt werden kann. Hat deshalb X in den gegen ihn gerichteten Besteuerungsverfahren nicht den Nachweis darüber geführt, daß ein Treuhandverhältnis bestand und wer in dem Treuhandverhältnis der steuerrechtlich maßgebende Treugeber war, so konnte das FG diesen Umstand im Rahmen der ihm nach § 96 Abs. 1 FGO obliegenden freien Beweiswürdigung dahin werten, daß tatsächlich kein Treuhandverhältnis bestand und dem X Einnahmen zuflossen, die rechtlich der Klägerin zustanden.
4. Die Vorentscheidung verletzt schließlich auch nicht § 361 AO 1977, weil sie ernsthafte Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Steuerbescheide verneint, ohne eine Beweisaufnahme durchgeführt und einen persönlichen Eindruck von dem zu vernehmenden Zeugen K gewonnen zu haben. Zwar soll nach § 361 Abs. 2 Satz 2 AO 1977 auf Antrag die Aussetzung der Vollziehung erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Auch können die ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts auf einem nicht vollständig aufgeklärten Sachverhalt beruhen. Jedoch reicht es für die Annahme ernstlicher Zweifel nicht aus, daß der Steuerpflichtige weiteren Tatsachenvortrag in Aussicht stellt, wenn das FA seinerseits den Sachverhalt bis zur Grenze des Zumutbaren aufgeklärt hat. Auch geht es nicht an, daß ein Steuerpflichtiger seinen Mitwirkungspflichten im Besteuerungsverfahren nicht nachkommt, um sich vor Gericht auf ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Steuerbescheids zu berufen, wobei er die ernstlichen Zweifel nur auf den Umstand stützt, daß der Sachverhalt wegen des Fehlens seiner Mitwirkung bisher gar nicht vollständig aufgeklärt werden konnte. So gesehen durfte das FG bei seiner Entscheidung von dem Wortlaut der eidesstattlichen Versicherung des K und dem Ergebnis seiner Vernehmung im Verwaltungsverfahren ausgehen. Weder in der eidesstattlichen Versicherung noch in seiner Vernehmung hat K den angeblichen Treugeber benannt. Auf Grundlage der vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen ist kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, daß K sein Verhalten ändern und dem Gericht im Hauptverfahren den Namen des eigentlichen Treugebers nennen werde. Dann aber konnte das FG den ihm bekannten Sachverhalt dahin würdigen, daß auch eine erneute Vernehmung des K zu keiner vollständigen Sachverhaltsaufklärung führen werde und deshalb im Aussetzungsverfahren nach allgemeinen Beweislastgesichtspunkten zu entscheiden sei.
5. Zwar rügt die Klägerin zutreffend die Fehlerhaftigkeit des Tenors der Vorentscheidung. Das FG hat übersehen, daß die mit der Klage begehrte Aussetzung der Vollziehung als Verpflichtungs- und nicht als Anfechtungsklage zu beurteilen ist (vgl. Beschluß des Großen Senats des BFH vom 4. Dezember 1967 GrS 4/67, BFHE 90, 461, BStBl II 1968, 199). Auch kann das FG nur dann gemäß Art. 3 § 4 VGFGEntlG verfahren, wenn es über eine Anfechtungsklage zu entscheiden hat. Dennoch bedarf es keiner Änderung des Tenors der Vorentscheidung. Das FA hat nämlich die Klägerin am 18. Januar 1985 in diesem Punkt durch den Erlaß von Aussetzungsverfügungen klaglos gestellt. Damit hatte sich das Revisionsbegehren der Klägerin insoweit schon vor Entscheidung der Revisionsbegründung in der Hauptsache erledigt. Soweit die Klägerin an ihrem Begehren dennoch festhält, fehlt es an dem Rechtsschutzbedürfnis.
Fundstellen