Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsausgabenabzug von Schuldzinsen bei gemischtem Kontokorrentkonto
Leitsatz (NV)
1. Zinsaufwendungen aus der Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits sind Betriebsausgaben nur, soweit der Schuldenstand durch Abbuchungen für betriebliche Zwecke verursacht worden ist.
2. Zur Ermittlung des betrieblich veranlaßten Teils des Zinsaufwands.
Normenkette
EStG § 4 Abs. 3-4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erzielt seit dem 1. Oktober 1980 in Praxisgemeinschaft mit seinem Vater Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Arzt. Die Einkünfte wurden durch Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt und für den Kläger und den Vater gesondert und einheitlich festgestellt. Zur Finanzierung von Umbaukosten in den Praxisräumen und des Erwerbs zusätzlichen medizinischen Geräts nahm der Kläger einen Bankkredit über . . . DM mit einer Laufzeit von 12 Jahren auf. Der Kredit wurde auf einem seit dem 1. Oktober 1980 bestehenden Kontokorrentkonto der Gemeinschaft zur Verfügung gestellt. Über dieses Konto wurden in der Folgezeit auch sämtliche Praxiseinnahmen und -ausgaben sowie die Privatentnahmen des Klägers und seines Vaters abgewickelt. Mit Wirkung ab 1. März 1982 eröffnete der Kläger ein eigenes Kontokorrentkonto. Auf dieses Konto wurden der Saldo des bisherigen Gemeinschaftskontos übernommen und danach die Praxiseinnahmen und -ausgaben sowie die Privatentnahmen des Klägers abgewickelt.
Die Kontokorrentkonten wiesen in den Streitjahren für den Kläger stets negative Salden aus; diese beliefen sich auf ./. . . . DM am 31. Dezember 1980, auf ./. . . . DM am 31. Dezember 1981 und auf ./. . . . DM am 31. Dezember 1982. Daraus ergaben sich Zinsbelastungen in Höhe von . . . DM im Jahre 1980, . . . DM im Jahre 1981 und . . . DM im Jahre 1982. Diese Zinsen wurden bei der Gewinnermittlung der Gemeinschaft als Betriebsausgaben abgezogen und entsprechend einer vertraglichen Vereinbarung in voller Höhe zu Lasten des Gewinnanteils des Klägers berücksichtigt.
Bei einer Betriebsprüfung stellten sich der Prüfer und, ihm folgend, der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) auf den Standpunkt, die Schuldzinsen könnten nur anteilig entsprechend ihrer betrieblichen Veranlassung gewinnmindernd berücksichtigt werden. Den abziehbaren Anteil ermittelte der Prüfer mit 75 v. H. der Zinsen im Jahre 1980, mit 69 v. H. der Zinsen im Jahre 1981 und mit 49 v. H. der Zinsen im Jahre 1982. Das FA erließ daraufhin für 1980 einen gemäß § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) entsprechend geänderten Feststellungsbescheid sowie erstmalige Feststellungsbescheide 1981 und 1982. Der Einspruch blieb ohne Erfolg. Die Klage wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Finanzgericht (FG) stellte sich auf den Standpunkt, nur der betrieblich veranlaßte Teil der Schuldzinsen sei als Betriebsausgaben abzuziehen. Die Schätzung des betrieblich veranlaßten Schuldzinsenanteils durch das FA sei nicht zu beanstanden und werde (als Methode) vom Kläger auch nicht angegriffen.
Dagegen richtet sich die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassene Revision des Klägers, mit der Verletzung des § 4 Abs. 3 und 4 EStG gerügt wird.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
1. Zum Abzug von Schuldzinsen als Betriebsausgaben hat der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) im Beschluß vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88 (BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817) Stellung genommen. Danach sind Schuldzinsen Betriebsausgaben i. S. des § 4 Abs. 4 EStG, wenn die Darlehensmittel tatsächlich für betriebliche Zwecke verwendet werden. Werden Darlehensmittel nur teilweise für betriebliche Zwecke verwendet, bilden auch die für den Kredit entrichteten Zinsen nur anteilig Betriebsausgaben. Wie der Große Senat ausgeführt hat, gilt dies sowohl für die Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich nach § 4 Abs. 1 EStG wie für die Überschußrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG.
2. Auch Zinsaufwendungen aus der Inanspruchnahme eines Kontokorrentkredits sind nur insoweit Betriebsausgaben, als der Schuldenstand durch Abbuchungen für betriebliche Zwecke verursacht worden ist. Geht eine Kontokorrentverbindlichkeit sowohl auf eine Mittelverwendung für betriebliche als auch für private Zwecke zurück, ist das Kontokorrentkonto grundsätzlich in zwei Unterkonten für den betrieblichen und den privaten Kredit aufzuteilen. Hierbei kann unterstellt werden, daß eingehende Betriebseinnahmen zunächst zur Abdeckung des privaten Kreditteils verwendet werden (Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 828).
Grundsätzlich muß der Steuerpflichtige die Unterteilung des Kontokorrentkontos vornehmen und die Entwicklung der Unterkonten darstellen; dies kann auch nachträglich geschehen. Wenn der Steuerpflichtige die erforderlichen Unterlagen beschafft, sind auch FA und FG gehalten, den auf die private Schuld entfallenden Zinsaufwand zu berechnen. Bedarf es hierzu jedoch umfangreicher Berechnungen, kann die Darstellung dem Steuerpflichtigen aufgegeben werden (Beschluß des Großen Senats in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, 828). Genügt der Steuerpflichtige seiner Mitwirkungspflicht nicht, können FA und FG den Zinsanteil schätzen. Eine bestimmte Schätzungsmethode ist nicht vorgeschrieben. Die Schätzung muß jedoch das Ergebnis anstreben, das sich bei Aufteilung des gemischten Kontokorrentkontos in ein betriebliches und privates Unterkonto mit vorrangiger Verrechnung eingehender Einnahmen zur Tilgung eines Schuldsaldos auf dem privaten Unterkonto ergeben würde.
3. Der Einwand des Klägers, Entnahmen seien nur außerbetrieblich veranlaßt, wenn und soweit sie den erwirtschafteten Gewinn übersteigen, ist unbegründet. Ob und in welchem Umfang ein Kontokorrentkredit außerbetrieblich veranlaßt ist, hängt nicht von der Höhe des Gewinns einerseits und der Summe der Entnahmen andererseits, sondern nach dem Beschluß in BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 davon ab, in welchem Umfang der Kredit einerseits durch betrieblich, andererseits durch außerbetrieblich veranlaßte Auszahlungen entstanden ist.
4. Im Streitfall ist das FG zutreffend davon ausgegangen, daß nur der betrieblich veranlaßte Teil der Schuldzinsen als Betriebsausgaben abgezogen werden kann. Das FG hat in Übereinstimmung mit dem FA den betrieblich und den privat veranlaßten Teil der Schuldzinsen geschätzt. Dabei konnte das FG die vom Großen Senat entwickelten Rechtsgrundsätze zur Schätzung des betrieblich bzw. privat veranlaßten Schuldzinsenteils nicht berücksichtigen. Das FG-Urteil mußte deshalb aufgehoben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 417515 |
BFH/NV 1992, 14 |