Entscheidungsstichwort (Thema)
Kein Realsplitting bei Unterhaltszahlungen an in Österreich lebenden geschiedenen Ehegatten; keine Berücksichtigung einer angemessenen selbstgenutzten Eigentumswohnung als anrechenbares Vermögen
Leitsatz (NV)
1. Ein Abzug von Unterhaltszahlungen im Rahmen des Realsplittings kommt nicht in Betracht, da der in Österreich lebende geschiedene Ehegatte die Zahlungen nicht versteuern muss und demgemäß keine Bescheinigung über die Besteuerung der Unterhaltszahlungen vorlegen kann. Diese Regelung verstößt nicht gegen EG-Recht (Urteil des EuGH vom 12. Juli 2005 C-403/03, BFH/NV 2005, Beilage 4, 294).
2. Ein Vermögen von bis zu 30 000 DM ist in der Regel gering i. S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG; eine angemessene selbstgenutzte Wohnung ist insoweit nicht zu berücksichtigen (Abgrenzung zum BFH-Urteil vom 12. Dezember 2002 III R 41/01, BFHE 201, 192, BStBl II 2003, 655).
Normenkette
EStG § 1a Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 1 Nr. 1, § 33a Abs. 1 S. 3; EG Art. 12, 14
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist seit dem 3. April 1990 geschieden. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre 1994 bis 1997 machte er Unterhaltszahlungen an seine in Österreich lebende frühere Ehefrau in Höhe von jeweils 8 760 DM für die Zeiträume 1994, 1995, 1997 bzw. 10 230 DM für den Zeitraum 1996 im Rahmen des Realsplittings als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 1a Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) geltend.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ließ die Unterhaltszahlungen in den Einkommensteuerbescheiden 1994 bis 1997 unberücksichtigt, da die Besteuerung der Zahlungen bei der Ehefrau nicht durch eine Bescheinigung der österreichischen Steuerbehörden nachgewiesen wurde. Die gegen sämtliche Bescheide durchgeführten Einspruchsverfahren hatten insoweit keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 528 veröffentlicht.
Der Kläger erhob Revision. Auf Vorlage des erkennenden Senats entschied der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) durch Urteil vom 12. Juli 2005 Rs. C-403/03 (BFH/NV 2005, Beilage 4, 294), dass es den Art. 12 und 18 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG) nicht zuwiderlaufe, dass ein in Deutschland wohnender Steuerpflichtiger nach einer nationalen Regelung von seinen steuerpflichtigen Einkünften nicht Unterhaltszahlungen an seine in einem anderen Mitgliedstaat, in dem die Unterhaltsleistungen steuerfrei seien, wohnende frühere Ehefrau abziehen könne, während er dazu berechtigt wäre, wenn sie in Deutschland ansässig wäre.
Der Kläger macht nunmehr geltend:
1. Bei der Anwendung des Art. 12 EG gehe der EuGH von falschen rechtlichen Voraussetzungen aus. Nach § 29 Z 1 des österreichischen Einkommensteuergesetzes (öEStG) seien Renten und dauernde Lasten als sonstige Einkünfte zu besteuern.
Nach seiner, des Klägers, Auffassung verbleibe es auch im Hinblick auf Art. 18 EG bei einer ungleichen Behandlung im Vergleich mit anderen Unterhaltsverpflichteten, die das Realsplitting für sich beanspruchen könnten.
2. Im Streitfall sei die Ausnutzung des durch das Realsplitting vorgesehenen Besteuerungsvorteils nicht möglich. In dem Umstand, dass die Einkommensverhältnisse des Unterhaltsberechtigten bei der Besteuerung des Unterhaltsbetrags allenfalls zum Nachteil des Steuerpflichtigen zum Tragen kämen, liege ein Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Der Sonderausgabenabzug sei keine Steuervergünstigung und kein Steuervorteil für den unterhaltspflichtigen Ehegatten, sondern verwirkliche das verfassungsrechtliche Gebot der leistungsfähigkeitskonformen Besteuerung. Eine Nichtbesteuerung beim Empfänger könne und dürfe nicht durch eine Nichtabzugsfähigkeit beim Geber kompensiert werden.
3. Die Anwendung des § 33a EStG dürfe nicht daran scheitern, dass die Unterhaltsempfängerin Vermögen von mehr als 30 000 DM besessen habe. Auch bei der Anwendung des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG solle es nach Auffassung der Verwaltung nicht auf diese Grenze ankommen. Die Auffassung der Finanzverwaltung führe aufgrund der Ungleichbehandlung zu einem untragbaren Ergebnis.
Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die angefochtenen Einkommensteuerbescheide 1994 bis 1997 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 27. Juli 1999 in der Weise abzuändern, dass die Unterhaltsleistungen an die geschiedene Ehefrau als Sonderausgaben abgezogen werden.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Ein Verstoß gegen Gemeinschaftsrecht liege nicht vor. Der Abzug werde nicht wegen der Staatsangehörigkeit, sondern wegen der fehlenden Steuerbarkeit in Österreich untersagt. Die Festlegung der Besteuerung liege allein im Ermessen des jeweiligen Mitgliedstaates.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist teilweise begründet; sie führt wegen Einkommensteuer 1997 gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Im Übrigen wird die Revision gemäß § 126 Abs. 2 FGO als unbegründet zurückgewiesen.
1. Gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG können Unterhaltsleistungen an einen geschiedenen unbeschränkt einkommensteuerpflichtigen Ehegatten in den Veranlagungszeiträumen 1994 bis 1997 bis zu 27 000 DM abgezogen werden, wenn der Geber dies mit Zustimmung des Empfängers beantragt. Nach Maßgabe des sog. Korrespondenzprinzips werden gemäß § 22 Nr. 1a EStG Beträge, soweit sie nach § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG vom Geber abgezogen werden können, beim Unterhaltsempfänger als steuerbare Einkünfte erfasst.
2. Unter den Voraussetzungen des § 1a Abs. 1 Nr. 1 EStG (i.d.F. des Jahressteuergesetzes 1996 --JStG 1996-- vom 11. Oktober 1995, BGBl I, 1250) können Unterhaltszahlungen an den geschiedenen Ehegatten auch dann abgezogen werden, wenn --wie im Streitfall-- der Empfänger nicht unbeschränkt einkommensteuerpflichtig ist, er aber seinen Wohnsitz (oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt) im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates der Europäischen Union hat (vgl. Schmidt/Heinicke, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 1a Rz. 16; Blümich/Vogt, Einkommensteuergesetz, § 1a Rz. 40; Stapperfend in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, Stand Juli 1997, § 1a EStG Anm. 25 f.). Gemäß § 52 Abs. 2 EStG i.d.F. des JStG 1996 ist diese Regelung im Verhältnis zu Österreich bereits ab dem Veranlagungszeitraum 1994 anzuwenden, da Österreich mit Wirkung ab 1. Januar 1994 dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (Amtsblatt Nr. L 1 vom 3. Januar 1994) beigetreten ist. § 1a Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 EStG setzt voraus, dass die Besteuerung der Unterhaltszahlungen beim Empfänger durch eine Bescheinigung der zuständigen ausländischen Steuerbehörde nachgewiesen wird.
Im Streitfall hat der Kläger die entsprechende Bescheinigung nicht vorgelegt bzw. nicht vorlegen können, da nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 5. Aufl., § 118 Rz. 14) nach österreichischem Einkommensteuerrecht die Unterhaltszahlungen bereits dem Grunde nach nicht der Besteuerung unterworfen werden (§ 29 Z 1 Satz 2 öEStG); korrespondierend ist auch der Abzug von Unterhaltsleistungen nicht vorgesehen (vgl. § 20 Abs. 1 Z 4 Abs. 3 öEStG; Beiser/Mayr, Kommentar zum österreichischen Einkommensteuergesetz, 2002, § 20 Anm. 20). Ein Abzug der Unterhaltszahlungen im Rahmen des Realsplittings kommt daher nicht in Betracht. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit dem Gemeinschaftsrecht. An die Auslegung des Gemeinschaftsrechts durch den EuGH im Urteil vom 12. Juli 2005 ist der erkennende Senat gebunden.
3. Das FG hat auch zu Recht den Abzug der geltend gemachten Aufwendungen nach § 33a EStG für die Streitjahre 1994 bis 1996 versagt.
a) § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG setzt voraus, dass die unterhaltene Person kein oder nur geringes Vermögen besitzt. Ob der Unterhaltsempfänger über kein oder nur geringes Vermögen i.S. des § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG verfügt, ist unabhängig von der Anlageart nach dem Verkehrswert zu entscheiden; ein Vermögen von bis zu 30 000 DM ist in der Regel gering (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 12. Dezember 2002 III R 41/01, BFHE 201, 192, BStBl II 2003, 655).
Nach den Feststellungen des FG besaß die frühere Ehefrau des Klägers in den Jahren 1994 bis 1996 --neben einer Eigentumswohnung-- ein Vermögen, das mehr als 30 000 DM betrug.
b) Entgegen der Auffassung des Klägers führt diese Rechtslage nicht zu einem Verstoß gegen das Leistungsfähigkeitsprinzip. Sofern der Abzug im Rahmen des § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG einvernehmlich vorgenommen wird, wird die jeweilige Leistungsfähigkeit des Unterhaltsleistenden und des Unterhaltsempfängers berücksichtigt. Für Fälle, in denen das Realsplitting nicht zum Zuge kommt, ist ein Abzug nach den Regelungen, die der Gesetzgeber für außergewöhnliche Belastungen vorgesehen hat, möglich. Auch insoweit wird der geminderten Leistungsfähigkeit des Unterhaltsleistenden Rechnung getragen. Verfügt der Unterhaltsempfänger über eigenes Vermögen, geht der Gesetzgeber nach § 33a Abs. 1 Satz 3 EStG typisierend davon aus, dass eine außergewöhnliche Belastung nicht gegeben und ein Abzug nicht gerechtfertigt ist; diese Voraussetzung ist nach allgemeiner Ansicht eine Konkretisierung des Begriffs der Zwangsläufigkeit (vgl. Görke in Frotscher, Einkommensteuergesetz, Stand 5/2004, § 33a Rz. 19, 20). Dass § 10 Abs. 1 Nr. 1 EStG keine vergleichbare Beschränkung kennt, beruht darauf, dass diese Vorschrift eine "Splittingregelung" enthält, die in gewisser Weise zu einer korrespondierenden Besteuerung führt, und bei der es auf eine "außergewöhnliche Belastung" nicht ankommt. Wenn sich der deutsche Gesetzgeber dazu entschlossen hat, einen Abzug --ohne Berücksichtigung der Vermögensverhältnisse des Unterhaltsempfängers-- nur unter der Voraussetzung zuzulassen, dass die Einnahmen beim Empfänger steuerbar sind, er sich also für ein "kohärentes System" entschieden hat, so ist das von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Dass es in Österreich an einer vergleichbaren korrespondierenden Besteuerung der Unterhaltszahlungen beim Empfänger fehlt, kann dem deutschen Gesetzgeber verfassungsrechtlich nicht angelastet werden.
4. Der Senat kann aber auf der Grundlage der vom FG getroffenen Feststellungen nicht beurteilen, ob die frühere Ehefrau des Klägers auch im Veranlagungszeitraum 1997 kein oder nur geringes Vermögen besaß. Es ist nicht festgestellt, auf welchen Wert das sonstige Vermögen herabgesunken war und es ist ebenfalls nicht festgestellt, wie die Eigentumswohnung beschaffen war.
Nach Auffassung des Senats kann bei der Prüfung der Vermögenslosigkeit --den Wertungen des Sozialrechts folgend (vgl. § 88 Abs. 2 Nr. 7 des Bundessozialhilfegesetzes --BSHG--, ab 1. Januar 2005: § 90 Abs. 2 Nr. 8 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch --SGB XII--)-- eine angemessene selbstgenutzte Wohnung nicht berücksichtigt werden. Auch nach Auffassung der Verwaltung hat ein angemessenes Hausgrundstück i.S. des § 88 Abs. 2 BSHG, § 90 Abs. 2 Nr. 8 SGB XII außer Betracht zu bleiben (R 190 Abs. 3 Satz 3 Nr. 3 zu § 33a Abs. 1 der Einkommensteuer-Richtlinien 1997; H 190 "Geringes Vermögen" der Einkommensteuer-Hinweise 2003). Eine Abweichung von dem BFH-Urteil in BFHE 201, 192, BStBl II 2003, 655, ist insoweit nicht gegeben; dieser Fall betraf ein teilweise leer stehendes Drei-Familien-Haus mit einem Verkehrswert von ca. 570 000 DM.
Zur Klärung der Vermögensverhältnisse der früheren Ehefrau des Klägers und damit zur Prüfung der Anwendbarkeit des § 33a Abs. 1 EStG war die Sache für den Veranlagungszeitraum 1997 daher an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 1497781 |
BFH/NV 2006, 1069 |
DStRE 2006, 769 |
HFR 2006, 568 |