Entscheidungsstichwort (Thema)
Mängel eines Gebäudes im Zeitpunkt seiner Anschaffung rechtfertigen regelmäßig keine AfaA
Leitsatz (amtlich)
Wird im Verfahren nach dem WEG die Nutzung von erworbenen Gebäudeteilen als Wohnung untersagt, rechtfertigt dies keine AfaA, wenn sich darin ein dem Kaufobjekt von vornherein anhaftender Mangel zeigt und die Parteien des Kaufvertrages die Gewährleistung hinsichtlich der Nutzungsmöglichkeiten der Sache ausgeschlossen haben.
Normenkette
EStG 1983 § 7 Abs. 1 S. 4, Abs. 4 S. 3, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 7
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb 1982 einen Miteigentumsanteil an einem Grundstück, verbunden mit dem Sondereigentum an Räumlichkeiten im Kellergeschoss, die in der Teilungserklärung als Hobbyraum, bestehend aus einem Raum, Flur, Vorplatz und Abstellraum beschrieben sind. Die Räume waren als Wohnung ausgestaltet und als solche vermietet. Der Kaufpreis für das Objekt und das mitverkaufte Inventar betrug 145 000 DM. Die Verkäufer haben nach dem Kaufvertrag keine Gewähr zu leisten, "insbesondere nicht für den baulichen Zustand des Gemeinschafts- und Sondereigentums, für Richtigkeit der Flächenangabe im Grundbuch, Ertrag und Ausnützungsmöglichkeit für Zwecke des Käufers".
Auf Betreiben der Eigentümergemeinschaft verbot das Amtsgericht mit Beschluss vom 17. Februar 1984 dem Kläger die Nutzung des Hobbyraums als Wohnung. Seine Beschwerden blieben erfolglos. Das Bayerische Oberste Landesgericht (BayOLG) wies die sofortige Beschwerde des Klägers durch Beschluss vom 11. Juli 1985 (BReg. 2 Z 33/85) zurück. Seine Klage auf Rückabwicklung des Kaufvertrags blieb ebenfalls ohne Erfolg (Urteil des Landgerichts München II vom 15. Januar 1986). Seine Berufung wurde durch das Oberlandesgericht (OLG) München zurückgewiesen (Urteil vom 3. November 1986 17 U 2861/86). Der Bundesgerichtshof (BGH) beschloss am 8. Oktober 1987, dass die Revision des Klägers nicht angenommen wird (V ZR 305/86). Die Revision hatte nach diesem Beschluss keine Aussicht auf Erfolg, weil das Urteil des OLG München jedenfalls von seiner rechtsfehlerfreien Hilfsbegründung getragen wird (§ 443 des Bürgerlichen Gesetzbuches ―BGB―: Vertraglicher Ausschluss der Gewährleistung).
Der Hobbyraum wurde bis zur Kündigung des Mieters wegen der gerichtlichen Nutzungsuntersagung für monatlich 665 DM vermietet. Nach Abschluss der Verfahren vor den Zivilgerichten vermietete ihn der Kläger ab März 1988 für monatlich 160 DM.
Wegen der Einschränkung der Nutzungsmöglichkeit des Hobbyraums machte der Kläger im Rahmen seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr (1984) Absetzungen für außergewöhnliche technische oder wirtschaftliche Abnutzung (AfaA) nach § 7 Abs. 1 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung des Streitjahres (EStG) geltend. Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) nach einer Außenprüfung nicht. Auch der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Mit der Klage trug der Kläger vor, er sei beim Kauf des Objekts der festen Überzeugung gewesen, eine Eigentumswohnung erworben zu haben. In dieser Überzeugung habe er sich durch den Baubescheid der Gemeinde bestätigt fühlen können, der die Nutzungsänderung und die bauliche Umgestaltung des Hobbyraums in eine Eigentumswohnung ausdrücklich nachträglich genehmigt habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1159 veröffentlichtem Urteil ab. Dass der Kauf des Objekts wegen der eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit nicht den aufgewendeten Kosten entsprach, rechtfertige ebenso wenig eine AfaA wie die durch diesen Umstand bedingte geringere Ertragsfähigkeit. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) rechtfertigten Mängel an einem noch nicht fertig gestellten Gebäude keine AfaA (BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 164/87, BFHE 168, 104, BStBl II 1992, 805). Dies gelte auch, wenn der Mangel erst nach Fertigstellung des Gebäudes entdeckt worden sei (BFH-Urteil vom 27. Januar 1993 IX R 146/90, BFHE 171, 42, BStBl II 1993, 702). Das FG habe keine Bedenken, diese Rechtsprechung auf den Fall anzuwenden, in dem ―wie im Streitfall― ein fertiges, mit einem Mangel behaftetes Objekt gekauft worden sei.
Hiergegen richtet sich die Revision des Klägers, die er auf die Verletzung materiellen Rechts stützt. Die Rechtsprechung zur steuerrechtlichen Behandlung von Baumängeln in der Phase der Fertigstellung könne nicht auf Anschaffungsfälle übertragen werden. Ferner habe das FG maßgebende Umstände bei seiner Würdigung nicht berücksichtigt und den Kaufvertrag rechtsfehlerhaft ausgelegt. Es habe verkannt, dass die Parteien das Wirtschaftsgut Wohnung zum Gegenstand ihres Rechtsgeschäfts gemacht hätten. Das FG habe zudem gegen die Denkgesetze verstoßen, indem es einerseits die Besteuerung der Räumlichkeiten als Wohnung akzeptiere, andererseits eine AfaA mit der Begründung ablehne, die Räumlichkeiten seien keine Wohnung.
Der Kläger beantragt sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben, den geänderten Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr zu ändern und die Einkommensteuer für 1984 unter Berücksichtigung einer AfaA von 100 000 DM ausgehend von einem zu versteuernden Einkommen von 288 223 DM neu festzusetzen.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unbegründet und deshalb nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Zutreffend hat das FG eine AfaA abgelehnt.
1. Die Voraussetzungen für AfaA nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 i.V.m. § 7 Abs. 1 Satz 4 (jetzt Satz 6), Abs. 4 Satz 3 EStG liegen nicht vor.
a) Der wegen der eingeschränkten Nutzbarkeit gegebene Mangel des Kaufobjekts berechtigt den Kläger nicht zu AfaA.
aa) AfaA setzen entweder eine Substanzeinbuße eines bestehenden Wirtschaftsgutes (technische Abnutzung) oder eine Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit (wirtschaftliche Abnutzung) voraus (vgl. die ständige Rechtsprechung des BFH, z.B. Urteile vom 30. August 1994 IX R 23/92, BFHE 176, 327, 332, BStBl II 1995, 306, 309; in BFHE 168, 104, BStBl II 1992, 805, und vom 9. Juli 2002 IX R 29/98, BFH/NV 2003, 21). Die außergewöhnliche "Abnutzung" geschieht durch Einwirken auf das Wirtschaftsgut im Zusammenhang mit dessen steuerbarer Nutzung.
(1) Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben, wenn der Steuerpflichtige ein bereits mit Mängeln behaftetes Wirtschaftsgut ―hier: Gebäude― erwirbt. Maßstab für die Nutzbarkeit ist das bestehende Wirtschaftsgut in dem Zustand, in dem es sich bei Erwerb befindet. Der Mangel ist aber in diesen Maßstabzustand mit eingegangen und kann ihn deshalb nicht ändern und in seiner Nutzbarkeit mindern (so zutr. Flies, Betriebs-Berater 1996, 2169 f., 2170).
(2) Auch bei mangelhaften Bauleistungen an einem noch nicht fertig gestellten Gebäude kann der Steuerpflichtige AfaA nicht geltend machen, wobei es unerheblich ist, ob die Baumängel vor oder nach der Fertigstellung des Gebäudes entdeckt werden (BFH-Urteil in BFHE 171, 42, BStBl II 1993, 702; a.A. aber Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, Kommentar, § 7 Rdnr. B 139).
(3) Entgegen der Auffassung des Klägers macht es keinen Unterschied, ob das fehlerhafte Bauwerk hergestellt oder angeschafft wurde (so indes Blümich/Brandis, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 7 Rz. 391; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, 15. Aufl., § 7 EStG Rz. 259 - Stand: August 2003; krit. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 22. Aufl., § 7 Rz. 124; vgl. auch die Anmerkungen in Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung ―HFR― 1992, 691, und HFR 1993, 636). In beiden Fällen ist der Zustand des bestehenden Wirtschaftsguts, wie es fertig gestellt oder geliefert wurde, Gradmesser für die Beurteilung, ob es zu einer Substanzeinbuße oder zu einer Einschränkung seiner Nutzungsmöglichkeit gekommen ist. Das Wirtschaftsgut "Gebäude" ist im Jahr seiner Lieferung angeschafft (§ 9a der Einkommmensteuer-Durchführungsverordnung ―EStDV―). Steuerrechtlich berücksichtigt werden nunmehr nach § 7 Abs. 4 EStG die Anschaffungskosten, die sich nach den Aufwendungen bemessen, um diesen Vermögensgegenstand zu erwerben (§ 255 Abs. 1 Satz 1 des Handelsgesetzbuches ―HGB―). Das ist regelmäßig der Kaufpreis, und zwar auch dann, wenn dieser zu hoch ausgefallen ist, weil ein fehlerfreies Bauwerk geschuldet ist, der Verkäufer aber ein mit Mängeln behaftetes Haus geliefert hat. Ein bloßes Ungleichgewicht der aufgewendeten Kosten und des Werts der erlangten Leistung rechtfertigt AfaA ebenso wenig wie eine von vornherein bestehende Beschränkung der wirtschaftlichen Nutzbarkeit und Verwendungsmöglichkeit (so BFH in BFHE 171, 42, BStBl II 1993, 702, und in BFHE 176, 327, 332, BStBl II 1995, 306, 309). Dabei ist es ohne Bedeutung, ob der Mangel entsteht, bevor das Gebäude, das der Steuerpflichtige herstellen ließ, fertig gestellt ist oder ob der Steuerpflichtige ein bereits mangelhaftes Gebäude erwirbt.
(4) Hinzu kommt folgende Erwägung: Gelingt es dem Steuerpflichtigen auf Grund des Mangels, den Kaufpreis herabzusetzen (z.B. durch Minderung, vgl. §§ 459, 460, 462 BGB in der Fassung des Streitjahres; heute § 437 Nr. 2, § 441 BGB), so mindert er dadurch die Anschaffungskosten des Wirtschaftsguts. Die so korrigierten Anschaffungskosten bilden die Bemessungsgrundlage für die AfA, so dass sich die Minderung pro rata temporis auf die Nutzungsdauer des Wirtschaftsguts verteilt (zur Berichtigung bestandskräftiger Veranlagungen nach § 175 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung ―AO 1977― vgl. Nolde in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, 21. Aufl., § 7 EStG Anm. 132 ―Stand März 2001―, m.w.N.). Das ist anders, wenn es dem Steuerpflichtigen nicht gelingt, vom Verkäufer Gewähr zu erlangen: Dann ändert sich der Kaufpreis nicht und es bleibt bei den historischen Anschaffungskosten.
bb) Nach diesen Maßstäben hat das FG zutreffend AfaA in Höhe von 100 000 DM abgelehnt. Denn der erworbene Hobbyraum war bereits bei Lieferung mit einem Mangel behaftet: Nach den Feststellungen des FG war er nicht dazu geeignet, als Wohnung genutzt werden zu können. Diese Nutzungsbeschränkung ergab sich aus tatsächlichen und rechtlichen Eigenschaften des Kaufgegenstandes (so das OLG München im Urteil vom 3. November 1986, auf das sich das FG bezieht).
Die hiergegen vorgebrachten Angriffe der Revision vermögen nicht zu überzeugen. Es kommt nicht darauf an, welche Vorstellungen der Kläger mit der Nutzung des Hobbyraums verband (vgl. in diesem Sinne das BFH-Urteil vom 8. Juli 1980 VIII R 176/78, BFHE 131, 310, BStBl II 1980, 743). Entgegen der Auffassung des Klägers hat das FG den von ihm hervorgehobenen Sachverhalt seiner Entscheidung zugrunde gelegt, so dass ein Verstoß gegen § 96 FGO nicht ersichtlich ist. Auch das FG ist dabei unter Verweis auf das Urteil des OLG München zu der Auffassung gelangt, es liege ein Mangel vor. Es hat den Vertrag nicht unzutreffend ausgelegt, sondern dem vorliegenden Mangel in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Senats steuerrechtlich (nämlich für die Geltendmachung der AfaA) keine Bedeutung beigemessen.
b) Auch das auf Betreiben der Eigentümergemeinschaft gerichtlich verfügte Nutzungsverbot (Beschluss des BayOLG in letzter Instanz) im Verfahren nach dem Wohnungseigentumsgesetz (WEG) rechtfertigt keine AfaA. Denn darin realisierte sich nur der dem Kaufobjekt von Anfang an anhaftende Mangel, was auch daraus hervorgeht, dass der Kläger das Risiko der mangelnden Nutzungsmöglichkeit des Kaufobjekts zu tragen hatte: Im notariellen Kaufvertrag über den Hobbyraum haben die Vertragsparteien unter der Ziffer V die Gewährleistung insoweit ausgeschlossen. Bereits aus diesem Grunde konnte der Kläger von seinen Vertragspartnern keinen Ersatz (Wandlung oder Minderung bzw. Schadensersatz) erlangen. Der Senat folgt insoweit dem Nichtannahmebeschluss des BGH vom 8. Oktober 1987 V ZR 305/86. Deshalb war die "Ausnutzungsmöglichkeit" für Zwecke des Käufers (Ziffer V des Vertrags) ―also des Klägers― ein Umstand, der sich in der Bemessung des Kaufpreises bereits ausgedrückt hatte. Hierauf kommt es für die AfaA entscheidend an (Urteil des Reichsfinanzhofs ―RFH― vom 1. März 1939 VI 125/39, RStBl 1939, 630, 632; BFH-Urteil vom 31. Januar 1963 IV 119/59 S, BFHE 77, 23, BStBl III 1963, 325).
2. Der Senat weicht mit seiner Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Senate ab. Zwar hat der BFH im Zusammenhang mit anschaffungsnahem Aufwand Aufwendungen zur Beseitigung eines versteckten Mangels unter dem Gesichtspunkt von AfaA berücksichtigt. Diese Fälle betrafen indes die Kosten für die Beseitigung der Mängel (vgl. BFH in BFHE 77, 23, BStBl III 1963, 325; RFH in RStBl 1939, 630), während im Streitfall ein derartiger Aufwand gar nicht in Streit ist, sondern lediglich ein Ungleichgewicht zwischen Leistung und Gegenleistung. Überdies hat der Senat die Rechtsprechung zum anschaffungsnahen Aufwand aufgegeben (BFH-Urteile vom 12. September 2001 IX R 39/97, BFHE 198, 74, BStBl II 2003, 569, und IX R 52/00, BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574). Damit verlieren auch die infolge dieser Rechtsprechung entwickelten Grundsätze zur Behandlung von versteckten Mängeln ihre bisherige Bedeutung.
Fundstellen
Haufe-Index 1151817 |
BFH/NV 2004, 1020 |
BStBl II 2004, 592 |
BFHE 2004, 79 |
BFHE 205, 79 |
BB 2004, 1203 |
DB 2004, 1179 |
DB 2005, 8 |
DStRE 2004, 681 |
DStZ 2004, 389 |
HFR 2004, 610 |