Entscheidungsstichwort (Thema)
Erhöhte Absetzungen für Baudenkmal; Zusagen im Steuerrecht; Antrag nach § 68 FGO
Leitsatz (NV)
1. § 82i Abs. 1 EStDV begünstigt nur Herstellungskosten, nicht aber auch Anschaffungskosten einer Eigentumswohnung in einem unter Denkmalschutz stehenden Gebäude.
2. Zu den Voraussetzungen einer bindenden Zusage im Steuerrecht. - Eine falsche mündliche Rechtsauskunft eines Sachbearbeiters bindet das FA nicht.
3. Auslegung eines Schriftsatzes als Antrag nach § 68 FGO.
Normenkette
EStDV § 82i Abs. 1; AO 1977 § 204; FGO § 68
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erwarb 1984 eine Eigentumswohnung im Gebäude X. Nach einer Bescheinigung vom 20. März 1985 des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege handelt es sich bei dem Gebäude um ein Baudenkmal gemäß Art.1 Abs. 2 des Gesetzes zum Schutz und zur Pflege der Denkmäler (Denkmalschutzgesetz - DSchG - vom 25. Juni 1973, Bayerisches Gesetz- und Verordnungsblatt - GVBl BY - 1973, 328).
Vor Abschluß des Kaufvertrages erhielt der Kläger sowohl fernmündlich als auch anläßlich einer Vorsprache vom Sachbearbeiter der zuständigen Veranlagungsstelle des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) die Auskunft, daß er erhöhte Absetzungen nach § 82i der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) für die Eigentumswohnung in Anspruch nehmen könne. Der Kläger beantragte daraufhin mit Erfolg die Eintragung eines höheren Freibetrages auf der Lohnsteuerkarte.
In seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1984 machte der Kläger u.a. bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung aus der Eigentumswohnung erhöhte Absetzungen nach § 82i EStDV geltend. Das FA berücksichtigte im Einkommensteuerbescheid 1984 vom 11. Juli 1985 keine Absetzungen nach § 82i EStDV, sondern lediglich eine zeitanteilige Absetzung für Abnutzung (AfA) nach § 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Der hiergegen erhobene Einspruch des Klägers blieb erfolglos. Das FA vertrat dabei die Auffassung, daß § 82i EStDV nicht einschlägig sei, weil dieser nur Herstellungskosten an einem Baudenkmal, nicht aber Anschaffungskosten, die im Streitfall vorlägen, begünstige. Dem Kläger sei keine bindende Zusage erteilt worden, die Absetzungen nach § 82i EStDV zu gewähren.
Mit seiner Klage begehrte der Kläger weiter den Ansatz der erhöhten Absetzungen nach § 82i EStDV. Während des Klageverfahrens hat das FA am 6. März 1986 einen geänderten Einkommensteuerbescheid 1984 erlassen, in dem es eine AfA nach § 7 Abs. 5 EStG berücksichtigte. Der Kläger legte hiergegen Einspruch ein, den das FA mit Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 1986 zurückwies. Gegen diese Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 1986 wendete sich der Kläger mit seinem an das FG gerichteten Schriftsatz vom 8. Juli 1986, in dem er u.a. beantragte, die ,,Klage mit dem unter dem Aktenzeichen . . . geführten Rechtsstreit gleichen Rubrums zu verbinden".
Die Klage hatte Erfolg. Zwar sei die Vorschrift des § 82i EStDV im Streitfall nicht einschlägig, weil der Kläger keine Herstellungskosten, sondern Anschaffungskosten gehabt habe. Das FA sei aber durch die mündliche Zusage des zuständigen Sachbearbeiters gebunden, die erhöhten Absetzungen gemäß § 82i EStDV jedenfalls im Streitjahr zu gewähren.
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts.
Das FA hat während des Revisionsverfahrens am 3. März 1992 einen hinsichtlich der Höhe des Grundfreibetrages vorläufigen Änderungsbescheid erlassen, den der Kläger gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht hat.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
1. a) Gegenstand des finanzgerichtlichen Verfahrens war der Einkommensteuer-Änderungsbescheid 1984 vom 6. März 1986. Dieser Bescheid konnte noch nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 1986 gemäß § 68 FGO zum Gegenstand des Verfahrens - Az. . . . - gemacht werden (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Februar 1990 IX R 334/87, BFHE 160, 295, BStBl II 1990, 694). Der Kläger hat im Streitfall nach Erlaß des Änderungsbescheids vom 6. März 1986 und nach Ergehen der Einspruchsentscheidung (16. Juni 1986) innerhalb der Klagefrist mit Schriftsatz vom 8. Juli 1986 einen Antrag nach § 68 FGO gestellt. Auch wenn der Kläger darin nicht ausdrücklich die Vorschrift des § 68 FGO erwähnte, so kann bei verständiger Würdigung aus dem Gesamtinhalt entnommen werden, daß der Kläger keine neue Klage erhoben, sondern einen Antrag nach § 68 FGO gestellt hat. Dabei war insbesondere zu berücksichtigen, daß der Sach- und Streitstand nach Ergehen der Einspruchsentscheidung vom 16. Juni 1986 unverändert geblieben ist.
b) Der Senat entscheidet über den während des Revisionsverfahrens geänderten Einkommensteuerbescheid vom 3. März 1992, der den Bescheid vom 6. März 1986 ändert, und den der Kläger zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gemacht hat.
2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf erhöhte Absetzungen gemäß § 82i EStDV.
Zutreffend hat das FG erkannt, daß § 82i Abs. 1 EStDV ebenso wie § 82g Abs. 1 EStDV (vgl. BFH-Urteil vom 20. März 1984 IX R 104/82, BFHE 141, 241, BStBl II 1984, 659) nur Herstellungskosten, nicht aber auch Anschaffungskosten, die im Streitfall vorliegen, begünstigt.
3. Der Auffassung des FG, das FA sei nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet gewesen, im Streitjahr 1984 erhöhte Absetzungen gemäß § 82i EStDV zu gewähren, kann nicht gefolgt werden.
a) Die Voraussetzungen, unter denen nach der Regelung der Abgabenordnung - AO 1977 - (vgl. §§ 204 bis 207 AO 1977) eine Finanzbehörde eine Zusage im Anschluß an eine Außenprüfung geben kann, haben im Streitfall nicht vorgelegen.
b) Eine Finanzbehörde kann allerdings auch in anderen Fällen Auskünfte mit bindender Wirkung (Zusage) erteilen.
So kann sie nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gebunden sein, wenn sie einem Steuerpflichtigen zugesichert hat, einen konkreten Sachverhalt, dessen steuerrechtliche Beurteilung zweifelhaft erscheint und der für die wirtschaftliche Disposition der Steuerpflichtigen bedeutsam ist, bei der Besteuerung in einem bestimmten Sinn zu beurteilen. Insoweit kann - entgegen der Ansicht des FA - auch eine dem Gesetz widersprechende Zusage des FA binden, es sei denn, der Steuerpflichtige hat die Gesetzwidrigkeit erkannt oder erkennen können. Voraussetzung für eine Bindung in solchen Fällen ist - bezogen auf den Streitfall - allerdings, daß der zuständige Sachgebietsleiter oder der Vorsteher die Auskunft erteilt (vgl. BFH-Urteile vom 13. Dezember 1989 X R 208/87, BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274; vom 27. Oktober 1989 III R 38/88, BFH/NV 1990, 369). Eine falsche mündliche Rechtsauskunft eines Sachbearbeiters bindet das FA dagegen nicht (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 1975 VIII R 225/72, BFHE 117, 195, BStBl II 1976, 97, m.w.N.). Die Auffassung des FG, eine solche mündliche Zusage könne dann einen verpflichtenden Charakter haben, wenn der Steuerpflichtige diesen für den zuständigen Auskunftsbeamten halten konnte, ist nicht zutreffend (vgl. BFH in BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274, und in BFHE 117, 198, BStBl II 1976, 97). Das FG kann sich in diesem Zusammenhang nicht mit Erfolg auf das BFH-Urteil vom 7. Juli 1978 VI R 211/75 (BFHE 125, 347, BStBl II 1978, 575) berufen. Bei dieser Entscheidung ging es um die Frage, ob ein rechtswirksamer Steuerverwaltungsakt (Einkommensteuerbescheid) auch dann vorliegt, wenn der Sachbearbeiter unter Überschreitung seines Zeichnungsrechts anstelle des Sachgebietsleiters bewußt abschließend allein zeichnet. Diese Entscheidung ist schon deshalb im Streitfall nicht einschlägig, weil die hier strittige verbindliche Auskunft (Zusage) nicht als Verwaltungsakt zu beurteilen wäre (vgl. BFH-Urteil in BFHE 159, 114, BStBl II 1990, 274).
c) Geht man von diesen Rechtsgrundsätzen im Streitfall aus, so ist das FA allein schon deshalb nicht nach Treu und Glauben gebunden, weil die falsche Rechtsauskunft unstreitig nicht vom zuständigen Sachgebietsleiter, sondern vom Sachbearbeiter erteilt wurde. Ohne Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch der fehlerhafte Eintrag des höheren Freibetrags auf der Lohnsteuerkarte des Klägers durch den Sachbearbeiter; denn die Entscheidung im Lohnsteuerermäßigungsverfahren erzeugt keine Bindungswirkung für das folgende Veranlagungsverfahren (vgl. Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 11. Aufl., § 39a Anm.1).
Bei dieser Sachlage kann der Senat unerörtert lassen, ob die Auskunft auch deshalb keine Bindungswirkung für das FA hat, weil sie nicht schriftlich erteilt wurde. Dies ist nicht entscheidungserheblich.
4. Das FG ist von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen. Die Vorentscheidung ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist entscheidungsreif. Dem Kläger stehen nach den vorstehenden Ausführungen des Senats keine erhöhten Absetzungen nach § 82i EStDV zu. Die Klage war deshalb abzuweisen.
Fundstellen