Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Änderung der Abfindung eines aus einer Personengesellschaft ausscheidenden Gesellschafters als rückwirkendes Ereignis
Leitsatz (NV)
Wird die an den ausscheidenden Gesellschafter einer Personengesellschaft zu zahlende Abfindung in einem späteren Veranlagungszeitraum ganz oder teilweise uneinbringlich, so stellt dies ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Ausscheidens dar (Anschluß an BFH-Beschluß vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897).
Normenkette
EStG § 16 Abs. 1-2; AO 1977 § 175 Abs. 1 S. 1 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war persönlich haftender Gesellschafter einer KG (I-KG). Durch Vertrag vom 3. Juni 1971 mit der I-GmbH & Co. KG schied der Kläger aus der I-KG aus. Neue persönlich haftende Gesellschafterin wurde die I-GmbH, an der der Kläger zu 50 v.H. beteiligt war.
Die I-GmbH & Co. KG verpflichtete sich in dem Vertrag vom 3. Juni 1971, zum Ausgleich dafür, daß X (der Kläger) aus der Gesellschaft als persönlich haftender Gesellschafter ausscheidet und als Gegenleistung für das Kapitalkonto des X einen Betrag von 330000 DM zu zahlen. Außerdem stellte sie den Kläger von allen Ansprüchen frei, die gegen ihn als früheren persönlich haftenden Gesellschafter erhoben werden könnten. Das Fest-Kapitalkonto des Klägers war in der Handelsbilanz der I-KG auf den 2. Juni 1971 mit 25000 DM ausgewiesen.
Im Anschluß an eine Außenprüfung behandelte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den Unterschiedsbetrag zwischen der vereinbarten Gegenleistung von 330000 DM und dem festen Kapitalkonto von 25000 DM in Höhe von 305000 DM als Veräußerungsgewinn. Der Einspruch gegen den Gewinnfeststellungsbescheid für den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 2. Juni 1971 blieb erfolglos.
Mit der Klage trug der Kläger im wesentlichen vor, der Anspruch auf Zahlung der 330000 DM sei nicht entstanden. Die Vereinbarung der Abfindungszahlung habe sich nachträglich als überflüssig erwiesen. Die Abrechnung des einzigen größeren Auftrags der I-KG und der erwartete Gewinn hieraus habe entgegen der Annahme der Vertragsparteien im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch im Rahmen der Handelsbilanz der I-KG zum 2. Juni 1971 berücksichtigt werden können. Nach Abrechnung des Projekts seien im Betriebsvermögen der I-KG keine stillen Reserven mehr vorhanden gewesen, die Gegenstand eines Veräußerungsgewinns hätten sein können.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts (§ 76 der Finanzgerichtsordnung - FGO -; § 16 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet.
Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO).
Der Senat kann aufgrund des vom FG festgestellten Sachverhalts nicht abschließend entscheiden, ob und in welcher Höhe ein nach § 16 EStG zu versteuernder Veräußerungsgewinn entstanden ist. Er prüft aufgrund der Rüge der Verletzung materiellen Rechts das angefochtene Urteil in vollem Umfang. Danach ist nicht auszuschließen, daß das Urteil unzutreffend ist. Wie der Große Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) inzwischen entschieden hat, ist der Tatbestand des § 16 Abs. 1, 2 EStG endgültig erst erfüllt, wenn der Erwerber des Anteils den Kaufpreis bezahlt hat; wird die Kaufpreisforderung in einem späteren Veranlagungszeitraum ganz oder teilweise uneinbringlich, muß dies bereits in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden, in dem der Veräußerungsgewinn zu erfassen ist (Beschluß vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 unter C.II.2. der Gründe). Das ist hier der - noch offene - Veranlagungszeitraum 1971.
Der Prüfung dieser Frage im Revisionsverfahren steht nicht entgegen, daß das FG sich mit dieser Frage nicht näher befaßt hat und das angefochtene Urteil deshalb keine ausdrückliche Feststellung dazu enthält, ob und in welcher Höhe die Kaufpreisforderung ausgefallen ist. Die vom FG getroffenen Feststellungen geben hinreichend Anlaß zu der Annahme, daß die Kaufpreisforderung im wesentlichen uneinbringlich war. Das ergibt sich insbesondere aus dem Hinweis darauf, daß der Kläger die Forderung von 330000 DM im Konkurs der Gesellschaft im Jahre 1976 angemeldet hat.
Bei diesem Ergebnis kann der Senat offenlassen, ob die vom Kläger erhobene Verfahrensrüge zulässig und begründet wäre (vgl. z.B. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 126 Anm. 13).
Fundstellen