Entscheidungsstichwort (Thema)
Geldwerte Vorteile aus Aktienoptionen regelmäßig tarifbegünstigt
Leitsatz (NV)
Die Tarifermäßigung für Vorteile aus Aktienoptionen entfällt nicht, wenn wiederholt Aktienoptionen eingeräumt werden und die betreffende Option nicht auf einmal ausgeübt wird.
Normenkette
EStG § 34 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden als Ehegatten zum Streitjahr 1995 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Dem Ehemann (Kläger) wurde mit Verträgen vom 13. August 1992 (Vertrag 1) und vom 13. Mai 1993 (Vertrag 2) Optionen für den Bezug von Aktien der amerikanischen Muttergesellschaft seines inländischen Arbeitgebers zu einem bestimmten Übernahmepreis (bei Vertrag 1 23,75 $, bei Vertrag 2 31 $ je Aktie) eingeräumt, wobei die Zuteilung in sog. Tranchen erfolgte und jede Jahrestranche quartalsweise aufgeteilt war. Bei beiden Verträgen begann die Zuteilung jeweils im Oktober des betreffenden Jahres (Vertrag 1 mit 4 Tranchen ab Oktober 1993, 1994, 1995 und 1996, quartalsweise Zuteilung von --jeweils nach Split-- 2 000 Aktien, also pro Tranche 8 000 Aktien und für vier Jahre 32 000 Aktien; Vertrag 2 mit 3 Tranchen ab Oktober 1994, 1995 und 1996, quartalsweise Zuteilung von 1 000 Aktien, also pro Tranche 4 000 Aktien und für drei Jahre 12 000 Aktien). Vor Ausübung der Optionen waren Wartezeiten einzuhalten. Im Streitjahr 1995 machte der Kläger von seiner Option dahingehend Gebrauch, dass er vom Vertrag 1 die Aktien der ersten beiden Tranchen (16 000 Aktien) und vom Vertrag 2 die der ersten Tranche (4 000 Aktien) erwarb. Von den restlichen Aktien erfolgten weitere Erwerbe in den Folgejahren 1996, 1997 und 1998.
In der Einkommensteuererklärung 1995 wurden geldwerte Vorteile aus der Ausübung von zunächst nur 8 000 Aktien mit … DM angegeben und vom Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt --FA--) mit den übrigen Besteuerungsmerkmalen bestandskräftig veranlagt. Aufgrund einer Nachmeldung ergab sich aus der Ausübung weiterer Optionen ein zusätzlicher geldwerter Vorteil in Höhe von … DM, den das FA in einem nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) geänderten Bescheid erfasste. Den hiergegen erhobenen Einspruch, mit dem Ziel, den gesamten aus den Aktienoptionen herrührenden Arbeitslohn gemäß § 34 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermäßigt zu besteuern, wies das FA mit der Begründung zurück, diesem Begehren stehe, was die ursprünglich bestandskräftig erfassten … DM betreffe, bereits § 351 Abs. 1 AO entgegen; aber auch die weiteren 292 846 DM seien nicht begünstigt, weil die aus den beiden Zuteilungsverträgen herrührenden Vorteile nicht einheitlich nur in einem Jahr erzielt worden seien.
Mit der Klage wandten sich die Kläger nur noch gegen die Versagung der ermäßigten Besteuerung auf die nachgemeldeten Vorteile in Höhe von … DM.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es war der Auffassung, die gewährten Aktienoptionen stellten insoweit eine zusätzliche Entlohnung für den Zeitraum zwischen der Einräumung der Option und ihrer Ausübung dar, d.h. hinsichtlich der Tranchen 1 und 2 aus dem Vertrag 1 zwischen der Gewährung am 13. August 1992 und der Ausübung am 8. Mai 1995 und der Tranche 1 aus dem Vertrag 2 zwischen der Gewährung am 13. Mai 1993 und der Ausübung am 18. August 1995 und seien mithin Arbeitslohn für eine mehrjährige Tätigkeit. Jedoch handle es sich nicht --wie in § 34 Abs. 3 EStG vorgesehen-- um einmalige und für die jeweilige Einkunftsart ungewöhnliche Zuflüsse, die das zusammengeballte Ergebnis mehrerer Jahre darstellten. Eine Zusammenballung sei schon wegen der laufenden jährlichen Einräumung von Aktienoptionsrechten zu verneinen. Ferner scheide sie deshalb aus, weil der Kläger die ihm eingeräumten Optionsrechte in mehr als zwei Veranlagungszeiträumen, nämlich in den Jahren 1995 bis 1998 ausgeübt habe. Es sei sachgerecht, die Optionsrechte entsprechend den zivilrechtlichen Verträgen, kraft derer sie gewährt wurden, getrennt zu beurteilen; denn diese Verträge stellten wirtschaftlich eine Einheit dar. Für eine weitere Aufsplittung in Tranchen oder gar in einzelne Optionspakete zum Zwecke der steuerlichen Beurteilung bestehe keine wirtschaftliche Rechtfertigung. Die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2003, 468, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2003, 849 veröffentlicht.
Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung von § 34 Abs. 3 EStG. Dem FG sei lediglich insofern zu folgen, als es Arbeitslohn für eine mehrjährige Tätigkeit angenommen habe, jedoch nicht darin, dass ein einmaliger und für die Einkunftsart ungewöhnlicher Zufluss vorliegen müsse. Das vom FG in Bezug genommene Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 17. Februar 1993 I R 119/91 (BFH/NV 1993, 593) sei schon deswegen nicht einschlägig, weil es das Honorar eines selbständig tätigen Rechtsanwalts betreffe. Entsprechendes gelte auch für das BFH-Urteil vom 21. März 1975 VI R 55/73 (BFHE 115, 366, BStBl II 1975, 690), weil es sich auf die frühere Gesetzesfassung beziehe, bei der eine Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit auf drei Kalenderjahre verteilt werden konnte. Umgekehrt habe der BFH bereits mit Urteil vom 16. September 1966 VI 381/65 (BFHE 86, 760, BStBl III 1967, 2) ausdrücklich festgestellt, dass weder Wortlaut noch Sinn der Vorschrift es verböten, sie bei auf mehrere Jahre verteilten Zahlungen anzuwenden. Mit der Änderung ab 1990, die Progressionsmilderung nicht mehr durch Verteilung auf mehrere Veranlagungszeiträume zu gewähren, sondern durch eine Tarifermäßigung im Zuflussjahr zu bewirken, bestehe für ein zusätzliches Kriterium "Zusammenballung" keine Berechtigung mehr.
Die Kläger beantragen, die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG auf den geldwerten Vorteil aus Aktienoptionen in Höhe von … DM zu gewähren.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Ungeachtet dessen, inwieweit frühere Gesetzesfassungen bei der Auslegung einer geänderten Norm herangezogen werden könnten, spreche das anlässlich der Neufassung in den Materialien (BTDrucks 14/23) angesprochene Ziel der Belastungsgerechtigkeit beim Spitzensteuersatz dafür, § 34 Abs. 3 EStG im Sinne der (damals) anerkannten Begriffsbestimmungen auszulegen. Danach sei eine Zusammenballung von Einkünften als Erfordernis der Tarifbegünstigung anzusehen, da § 34 EStG einschließlich dessen Abs. 3 bezwecke, die Tarifprogression bei zusammengeballten Entlohnungen für die Tätigkeit mehrerer Jahre auszuschalten (vgl. statt aller BFH-Urteile in BFHE 115, 366, BStBl II 1975, 690; in BFH/NV 1993, 593, und BFH-Urteile vom 6. September 1995 XI R 71/94, BFH/NV 1996, 204, und vom 4. März 1998 XI R 46/97, BFHE 185, 429, BStBl II 1998, 787). Im Streitfall sei die Annahme einer Zusammenballung schon deswegen nicht möglich, weil der Kläger regelmäßig neue Optionspakete erhalten habe. Unerheblich sei, ob er innerhalb der Bezugsberechtigten damit eine Ausnahme darstelle, da es auf die individuellen Verhältnisse ankomme und nicht auf Gruppengeschehnisse. Zusätzlich spreche die mehrfache Ausübung des Optionsrechts gegen eine Zusammenballung.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Den Klägern steht für die noch streitigen geldwerten Vorteile in Höhe von … DM die Tarifermäßigung des § 34 Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr maßgebenden Fassung zu.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass die streitigen Vorteile aus Aktienoptionen eine Vergütung für eine mehrjährige Tätigkeit darstellen, da die Laufzeit zwischen Einräumung und Ausübung der Option mehr als zwölf Monate betragen hat und der Arbeitnehmer in dieser Zeit auch bei seinem Arbeitgeber beschäftigt war. Die danach gemäß § 34 Abs. 3 EStG platzgreifende sog. Drittelungsregelung entfällt nicht deswegen, weil dem Arbeitnehmer wiederholt Aktienoptionen eingeräumt worden sind und die jeweilige Option nicht in vollem Umfang einheitlich ausgeübt worden ist. Zur Begründung im Einzelnen wird auf das BFH-Urteil vom 19. Dezember 2006 VI R 136/01 (BFH/NV 2007, 589, Deutsches Steuerrecht 2007, 234) verwiesen.
Die Berechnung der Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtordnung (FGO) dem FA übertragen.
Fundstellen