Leitsatz (amtlich)
Liefert und übergibt ein Heizölverteiler steuerbegünstigtes Heizöl an eine unter ihrem Namen auftretende Person, die keinen eigenen Verteiler- oder Verwendererlaubnisschein besitzt und die zum Nachweis der Bezugsberechtigung auf fremde Namen ausgestellte Verwendererlaubnisscheine vorlegt, so wird die bedingte Steuerschuld in der Person des Lieferers wegen verbotswidriger Abgabe von Mineralöl unbedingt.
Normenkette
MinöStG § 8 Abs. 2; MinöStDV a.F. § 22 Abs. 2 S. 1, § 23 Abs. 1-2, 3 Nr. 4; MinöStDV i.d.F. der 15. ÄndVO § 22 Abs. 2 S. 1, § 23 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) lieferte von September 1970 bis April 1975 5 991 830 l steuerbegünstigtes Schweröl (Heizöl) an den Kaufmann Z in W, obwohl dieser keinen auf ihn lautenden gültigen Erlaubnisschein zum Bezug der steuerbegünstigten Ware vorgelegt hatte. Als Nachweis für seine Bezugsberechtigung benutzte Z der Klägerin gegenüber rote Endverwendererlaubnisscheine, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Hauptzollamt W – HZA –) und das HZA H ihm auf seinen Antrag auf jeweils frei erfundene Adressaten, deren Anschrift Z den Telefon- oder Adreßbüchern entnahm, erteilte. Z handelte ohne Auftrag und Vollmacht dieser Adressaten. Er verkaufte das Heizöl als Dieselkraftstoff.
Mit Steuerbescheid vom 16. Mai 1975 forderte das HZA von der Klägerin für in der Zeit vom 1. Januar 1974 bis 17. April 1975 gelieferte 1 339 440 kg Schweröl 651 637,50 DM Mineralölsteuer.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte aus, daß nach § 23 Abs. 3 Nr. 4 der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes (MinöStDV) die gemäß § 23 Abs. 1 bedingt entstandene Mineralölsteuerschuld unbedingt und sofort fällig werde, wenn das steuerbegünstigte Schweröl verbotswidrig an andere Personen abgegeben werde. Da nach § 22 Abs. 2 Satz 1 MinöStDV der Heizölverteiler das öl nur übergeben dürfe, wenn ihm ein gültiger Erlaubnisschein des Beziehers vorgelegt werde, sei folgerichtig jede diesem Erfordernis nicht gerecht werdende Abgabe des Schweröls verbotswidrig. Da die Klägerin das Heizöl an den Kaufmann Z abgegeben habe, obwohl er weder selbst über einen Erlaubnisschein verfügt habe noch als Beauftragter oder Vertreter für andere Erlaubnisscheininhaber aufgetreten sei, seien die Öllieferungen verbotswidrig. Es fehle der gültige Erlaubnisschein des Beziehers.
Demgegenüber könne sich die Klägerin nicht auf ihren guten Glauben hinsichtlich der Empfangsberechtigung des Z mit der Begründung berufen, daß dieser ihr gültig ausgestellte Erlaubnisscheine vorgelegt habe. Angesichts des Erfordernisses des § 22 Abs. 2 Satz 1 MinöStDV (Vorlage eines gültigen Erlaubnisscheines des Beziehers) sei das im Zivilrecht anerkannte Rechtsinstitut des Gutglaubensschutzes jedenfalls für den Streitfall auf das Steuerrecht als Teil des öffentlichen Rechts nicht übertragbar.
Die Steuernachforderung verstoße auch nicht gegen die Grundsätze von Treu und Glauben. Selbst wenn man davon ausgehe, daß die Zollverwaltung die Endverwendererlaubnisscheine ohne nähere Prüfung leichtfertig erteilt habe, könne sich die Klägerin darauf nicht berufen, weil sie selbst nicht die den Umständen nach erforderliche Sorgfalt bei der Überprüfung der Lieferungen an Z angewendet habe. Diese Geschäfte seien wegen der Umstände gerade für die Klägerin als Großlieferantin und als mit den Handelsbräuchen wohlvertrauter Branchenkennerin so ungewöhnlich (Abholung größerer Mengen aus K für eine Vielzahl einzelner Endverwender aus W, Abschreibung auf jeweils einzelnen Erlaubnisscheinen statt einer Verteilererlaubnis des Z, Lieferung jeweils gegen Barzahlung), daß sich ihr der Zwang zu weiteren Nachforschungen habe aufdrängen müssen.
Mit ihrer Revision macht die Klägerin geltend, das FG hätte die Augen nicht davor verschließen können, daß das HZA in leichtfertiger Weise zahlreiche Endverwendererlaubnisscheine ohne nähere Prüfung an Z erteilt habe, an deren ordnungsgemäßer Ausstellung kein Zweifel bestehe. Sie – die Klägerin – habe nicht annehmen können, daß diese Erlaubnisscheine erschlichen worden seien. Selbst wenn ein dahin gehender Verdacht bestanden habe, habe das HZA auf eine entsprechende Anfrage keine Klärung herbeiführen können. Es sei nicht ersichtlich, warum sich ihr, wie das FG meine, der Zwang zu weiteren Nachforschungen habe aufdrängen müssen. Es gebe keine gesetzliche Vorschrift, die es verbiete, auch in weiter entfernte Räume zu liefern.
Das HZA habe durch ein nachhaltiges Verhalten ihr gegenüber einen Vertrauenstatbestand geschaffen, der es verbiete, einen gesetzlich bestehenden Abgabenanspruch geltend zu machen. Die Z vom HZA ausgehändigten Erlaubnisscheine berechtigten so lange zum Bezug steuerbegünstigten Heizöls, als sich diese in seiner Verfügungsgewalt befunden hätten und keine Anhaltspunkte dafür erkennbar geworden seien, daß die Verwendererlaubnis erschlichen sei (vgl. u. a. § 22 Abs. 2 Satz 1 MinöStDV). Es widerspreche dem allgemeinen Rechtsempfinden, das Risiko der Lieferung an einen objektiv nicht berechtigten Empfänger dem gutgläubigen Lieferer und nicht der Zollverwaltung aufzuerlegen, die diese Gefahr durch die Herausgabe eines amtlichen Berechtigungsscheins an den Bezieher verursacht habe. Hieraus ergebe sich eine Amtspflicht der Behörde gegenüber den berechtigten Lieferern, nach Erlöschen der Erlaubnis den Erlaubnisschein so schnell wie möglich einzuziehen. Die Behörde müsse den von ihr begründeten Rechtsschein beseitigen.
Nach allem habe das FG zu Unrecht festgestellt, daß die Steuerschuld in ihrer Person unbedingt entstanden sei. Es habe auch zu Unrecht die Anwendung der Grundsätze von Treu und Glauben abgelehnt.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des Urteils des FG den Steuerbescheid des HZA vom 16. Mai 1975 und seine Einspruchsentscheidung vom 21. Juli 1975 aufzuheben.
Das HZA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht entschieden, daß die Klägerin Steuerschuldnerin des von ihr an Z gelieferten Heizöls geworden ist.
Gemäß § 8 Abs. 2 des Mineralölsteuergesetzes (MinöStG) und § 23 Abs. 1 Nr. 1 MinöStDV entsteht für steuerbegünstigtes Heizöl eine bedingte Steuerschuld, wenn es zur Abgabe an Erlaubnisscheinnehmer aus dem Herstellungsbetrieb entfernt wird. Diese bedingte Steuerschuld geht gemäß § 23 Abs. 2 Satz 1 MinöStDV auf den Erlaubnisscheinnehmer über, wenn er das Heizöl in Besitz nimmt. Danach war die bedingte Steuerschuld für das im Besitz der Klägerin (als Verteilerin) befindliche (und später an Z gelieferte) Heizöl auf diese übergegangen.
Diese bedingte Steuerschuld ist, wie das FG zutreffend entschieden hat, in der Person der Klägerin unbedingt und sofort fällig geworden (§ 23 Abs. 1, 3 Nrn. 4 und 7, Nr. 1 MinöStDV).
Nach § 22 Abs. 2 Satz 1 MinöStDV darf der Lieferer steuerbegünstigtes Mineralöl nur übergeben, wenn ihm oder seinem Beauftragten ein gültiger Erlaubnisschein des Beziehers (nach der am 1. Januar 1975 in Kraft getretenen Fünfzehnten Verordnung zur Änderung der Verordnung zur Durchführung des Mineralölsteuergesetzes vom 16. Dezember 1974 – 15. ÄndVO –, BGBl I 1974, 3521: des Empfängers) vorliegt oder spätestens bei der Übergabe vorgelegt wird. Das trifft im Streitfall unbestritten nicht zu. Der unter seinem Namen auftretende Kaufmann Z als Bezieher bzw. Empfänger des Heizöls hat der Klägerin weder einen auf seinen Namen lautenden Verteilererlaubnisschein noch einen Verwendererlaubnisschein vorgelegt Die von ihm als Nachweis für die Bezugsberechtigung vorgelegten Verwendererlaubnisscheine lauteten jeweils auf frei erfundene, von Z den Telefon- oder Adreßbüchern entnommene Adressaten. Diese hatten Z nach den Feststellungen des FG keinen Auftrag und keine Vollmacht erteilt, für sie Erlaubnisscheine zu beantragen und diese nach der Erteilung den jeweiligen Lieferern vorzulegen. Sie sind auch nicht als tatsächliche Bezieher bzw. Empfänger des von der Klägerin an Z übergebenen Heizöls in Erscheinung getreten, ihnen ist ferner niemals eine auf ihre Namen ausgestellte Rechnung ausgehändigt worden, und schließlich haben sie auch nie Heizöl bezahlt.
Da Z als Bezieher bzw. Empfänger des ihm von der Klägerin übergebenen Heizöls nicht einen gültigen Erlaubnisschein vorgelegt hat (die Änderung von „des Beziehers” in „des Empfängers” durch die 15. ÄndVO ist ohne rechtliche Bedeutung, weil dem Lieferer nach § 22 Abs. 2 MinöStDV von beiden ein gültiger Erlaubnisschein vorliegen oder spätestens bei der Übergabe vorgelegt werden muß), kommt es entgegen der Auffassung der Klägerin nicht darauf an, ob die Z von den HZÄ W und H auf andere Personen ausgestellten Erlaubnisscheine als gültig anzusehen sind. Denn an diese hat die Klägerin, wie bereits ausgeführt, das Heizöl nicht übergeben, weil sie von der Klägerin kein Heizöl gekauft hatten.
Hinzuzufügen ist noch, daß auch die Voraussetzungen eines sogenannten Streckengeschäftes (vgl. dazu § 22 Abs. 2 Satz 2 f. MinöStDV i. d. F. der 15. ÄndVO) für die Klägerin erkennbar nicht vorliegen konnten. Ein solches setzte voraus, daß sowohl die Verteiler bzw. Zwischenhändler als auch die Verwender über gültige Erlaubnisscheine verfügten, was für Z als denkbaren Zwischenhändler nicht zutraf.
Da die Klägerin das steuerbegünstigte Heizöl an Z übergeben hat, obwohl dieser keinen gültigen Erlaubnisschein hatte, und da sie damit das Heizöl verbotswidrig an andere Personen abgegeben hat, ist die Steuerschuld in ihrer Person unbedingt geworden (vgl. § 23 Abs. 3 Nr. 4 bzw. Abs. 3 Nr. 2 MinöStDV a. F. und i. d. F. der 15. ÄndVO).
Bei dieser Sach- und Rechtslage kann sich die Klägerin gegenüber dem HZA nicht mit Erfolg darauf berufen, es – das HZA – habe durch die Erteilung der Erlaubnisscheine einen Rechtsschein gesetzt und die Inanspruchnahme der Klägerin verstoße gegen die auch im Steuerrecht geltenden Grundsätze von Treu und Glauben. Die ihr von Z, dem Bezieher bzw. Empfänger des übergebenen Heizöls, vorgelegten Verwendererlaubnisscheine lauteten nicht auf dessen Namen. Ein Rechtsschein hatte allenfalls dann durch die Ausstellung der Erlaubnisscheine gesetzt werden können, wenn Z das von der Klägerin auf die Verwendererlaubnisscheine gelieferte Heizöl unter dem Namen der in den Erlaubnisscheinen aufgeführten Personen bezogen hätte. Das trifft unbestritten nicht zu. Die Grundsätze von Treu und Glauben sind schon deshalb nicht anwendbar, weil die Klägerin selbst gesetzwidrig dadurch gehandelt hat, daß sie entgegen § 22 Abs. 2 Satz 1 MinöStDV das begünstigte Heizöl nicht an die in den Erlaubnisscheinen aufgeführten Personen, sondern an Z, der keinen Erlaubnisschein hatte übergeben und geliefert hat. Es kommt noch hinzu, daß die Klägerin nicht auf ein Verhalten der die Erlaubnisscheine ausstellenden HZÄ vertraut hat, sondern allenfalls auf ein Verhalten des Beziehers und Empfängers Z, und zwar in dem Sinne, daß dieser berechtigt sei, für diese das Heizöl in Empfang zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 510601 |
BFHE 1982, 368 |