Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine straf- und steuerbefreiende Erklärung von Kapitaleinkünften nach Entdeckung einer vor 1986 unterlassenen Erklärung einer verdeckten Gewinnausschüttung; Berichtigung offenbar unrichtigen FG-Urteils
Leitsatz (NV)
1. Zu Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. v. §§ 1 und 2 StrbEG gehören auch verdeckte Gewinnausschüttungen, wobei offen bleibt, ob dies auch für einmalige verdeckte Gewinnausschüttungen gilt.
2. Eine straf- und steuerbefreiende Erklärung (§ 1 Abs. 1, § 2 StrbEG) ist auch dann ausgeschlossen, wenn eine für 1982 unterlassene Erklärung einer verdeckten Gewinnausschüttung durch eine im Jahre 1986 durchgeführte Außenprüfung entdeckt wird.
3. Ob die Regelung des § 2 Abs. 2 StrbEG mit dem GG in Einklang steht, braucht mit dem BFH-Urteil vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86 (BFHE 156, 543, BStBl II 1989, 836) und der Entscheidung des BVerfG vom 27. Juni 1991 2 BvL 3/89 (BStBl II 1991, 652) nicht geprüft zu werden.
4. Benennt ein FG-Urteil im Tenor einen bereits verstorbenen Kläger als Prozeßbeteiligten, ist es insoweit im Revisionsverfahren von Amts wegen nach § 107 FGO zu berichtigen.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1, § 371; FGO § 69 Abs. 2-3, §§ 107, 121; StrbEG § 1 Abs. 1, 3 Nr. 3, § 2 Abs. 1-2; EStG § 2 Abs. 1 Nr. 5, § 20; GG Art. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
Der während des Klageverfahrens verstorbene Kläger und seine Ehefrau sowie Alleinerbin, die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), haben in ihrer gemeinsamen Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1982 u. a. Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 7 673 DM angegeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) veranlagte sie dementsprechend zur Einkommensteuer von 0 DM. Im Rahmen einer Außenprüfung im Jahre 1986 bei der -- bereits liquidierten -- A-GmbH, an welcher der Kläger als Geschäftsführer mit 80 v. H. des Stammkapitals beteiligt gewesen war, wurde der Verkauf eines 16 878 qm großen Betriebsgrundstücks der GmbH an den Kläger vom Dezember 1982 zum Preis von 1 Mio. DM überprüft. Es handelt sich um ein in einem Gewerbegebiet befindliches bebautes Grundstück. Die Anschaffungskosten des Klägers betrugen einschließlich der Grunderwerbsteuer und Kosten 1 102 799,50 DM. Der Prüfer schloß sich nach Einholung mehrerer Wertgutachten (vom FA Gutachten B: 2 Mio. DM, von Klägern Gutachten C: 1,1 Mio. DM) dem Gutachten des Bausachverständigen bei der Oberfinanz direktion (OFD) mit einem Wert von 1,55 Mio. DM an. Er sah im Unterschiedsbetrag zum Kaufpreis eine verdeckte Gewinnausschüttung in Höhe von 550 000 DM, die zu weiteren Einkünften aus Kapitalvermögen in Höhe von 210 000 DM und einer Änderung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung führte. Das FA erließ dementsprechend einen Änderungsbescheid für das Streitjahr, in dem die Einkommensteuer auf 90 052 DM festgesetzt wurde. Hiergegen legten die Kläger gleichzeitig mit der Abgabe der Einkommensteuererklärungen für 1986 und 1987 Einspruch ein, weil § 2 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes über die straf befreiende Erklärung von Einkünften aus Kapitalvermögen und von Kapitalvermögen (StrbEG) der Steuerfestsetzung entgegenstehe. Den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung vom 21. Februar 1989 lehnte das FA ab. Auch die nach erfolgloser Beschwerde erhobene Klage auf Verpflichtung des FA zur Aussetzung der Vollziehung wurde vom Finanzgericht (FG) mit gegenüber den Klägern erlassenem Urteil als unbegründet abgewiesen.
Mit der vom FG gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen Rechts. Abgesehen davon, daß die Außenprüfung bei der A-GmbH und nicht beim Kläger stattgefunden habe, stehe der Anwendung der Steueramnestie deshalb nicht die Entdeckung gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG entgegen, weil die Kläger keine Möglickeit zu einer früheren strafbefreienden Erklärung als vor dem 16. Dezember 1988 gehabt hätten. Denn die verdeckte Gewinnausschüttung sei erst durch die Außenprüfung "festgelegt" worden. Zudem finde § 2 Abs. 2 StrbEG entgegen dem FG Anwendung. Anderenfalls sei ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 des Grundgesetzes -- GG --) gegeben, da den Klägern im Unterschied zu Steuerhinterziehern die Möglichkeit zur strafbefreienden Erklärung genommen gewesen sei.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO). Das FG hat die begehrte Aussetzung der Vollziehung des geänderten Einkommensteuerbescheids 1982 rechtsfehlerfrei versagt.
Die für die Aussetzung der Vollziehung eines Steuerbescheids gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 FGO erforderlichen ernstlichen Zweifel an dessen Rechtmäßigkeit liegen vor, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit sprechenden Umständen gewichtige Gründe zutage treten, die Unentschiedenheit oder Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfragen oder Unklarheit in der Beurteilung von Tatfragen bewirken (ständige Rechtsprechung seit dem Beschluß des Bundesfinanzhofs -- BFH -- vom 10. Februar 1967 III B 9/66, BFHE 87, 447, BStBl III 1967, 182). Solche Zweifel hat das FG zutreffend verneint.
Die Vorinstanz ist zu Recht mit den Beteiligten stillschweigend davon ausgegangen, daß der strittige Änderungsbescheid aufgrund der bei der Außenprüfung getroffenen Feststellungen nach § 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) geändert werden konnte.
Der Senat tritt der Vorentscheidung auch darin bei, daß § 2 StrbEG der nachträglichen Erfassung der verdeckten Gewinnausschüttung bei den Einkünften aus Kapitalvermögen für das Streitjahr nicht entgegensteht. Nach dieser Vorschrift wird die auf die Einkünfte aus Kapitalvermögen entfallende Einkommensteuer für Veranlagungszeiträume vor 1986 nicht festgesetzt, wenn insoweit nach § 1 StrbEG Straf- oder Bußgeldfreiheit eintritt. Letztere setzt eine strafbefreiende Erklärung i. S. des § 1 Abs. 1 StrbEG voraus, die jedoch nach Abs. 3 Nr. 3 der Vorschrift auch für zurückliegende Zeiträume ausgeschlossen ist, falls die Tat im Zeitpunkt der strafbefreienden Erklärung ganz oder zum Teil bereits enteckt war und der Täter dies wußte oder damit rechnen mußte.
Der Senat geht -- wie die Klägerin -- mit der herrschenden Meinung davon aus, daß zu Einkünften aus Kapitalvermögen i. S. von § 1 und § 2 StrbEG auch verdeckte Gewinnausschüttungen gehören. Denn diese Regelung erfaßt alle Einkünfte aus Kapitalvermögen i. S. der §§ 2 Abs. 1 Nr. 5, 20 des Einkommensteuergesetzes -- EStG -- (ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen -- BMF -- vom 9. Dezember 1988, BStBl I 1988, 524 Tz. 2.2; sowie z. B. Gies/Wittmann, Betriebs-Berater -- BB -- 1989, 330, 339; v. Hugo, BB 1990, 1031, 1032; Krabbe, Der Betrieb -- DB -- 1988, 1668, 1669; vgl. auch BFH-Beschluß vom 13. Juli 1992 X B 56/92, BFH/NV 1992, 739). Denn hier liegt unstreitig dem Grunde und der Höhe nach eine verdeckte Gewinnausschüttung darin, daß die GmbH dem Kläger ein Betriebsgrundstück zu einem unangemessen niedrigen Kaufpreis veräußert hat (vgl. zu dieser Fallgestaltung Abschn. 31 Abs. 2 Beispiel 6 der Körperschaftsteuer-Richtlinien -- KStR -- 1981, Abschn. 31 Abs. 3 KStR 1985; Conradi in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, 15. Aufl., § 20 Rdnr. 106; Wassermeyer in Kirchhof/Söhn, Einkommensteuergesetz, § 20 Anm. C 60).
Durch die unterlassene Erklärung der verdeckten Gewinnausschüttung in der für das Streitjahr abgegebenen Einkommensteuererklärung ist auch eine Steuerverkürzung (§ 370 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977) eingetreten, weil das FA, über diese Einnahme aus Kapitalvermögen im unklaren gelassen, insoweit zunächst keine Einkommensteuer festgesetzt hat (vgl. hierzu Schwarz, Abgabenordnung, Kommentar, § 370 Tz. 34; Engelhardt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, 9. Aufl., § 370 AO 1977 Anm. 68). Darauf, ob die objektive Steuerverkürzung vorsätzlich, leichtfertig oder leicht fahrlässig verursacht wurde, kommt es gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 StrbEG nicht an, wie der Senat in seiner Grundsatzentscheidung vom 20. Juni 1989 VIII R 82/86 (BFHE 156, 543, BStBl II 1989, 836) näher ausgeführt hat.
Allerdings ist noch nicht geklärt, ob sich das StrbEG nach seinem Sinn und Zweck auch auf einmalige verdeckte Gewinnausschüttungen wie im Streitfall erstreckt. Die Frage bedarf aber keiner weiteren Prüfung. Denn selbst wenn der Senat unterstellt, daß das StrbEG auch solche verdeckte Gewinnausschüttungen erfaßt, waren die Kläger an der Abgabe einer insoweit wirksamen straf- und steuerbefreienden Erklärung gehindert, weil die verdeckte Gewinnausschüttung aufgrund der im Jahre 1986 durchgeführten Außenprüfung bereits i. S. des § 1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG "entdeckt" war. Eine solche Tatentdeckung kommt auch aufgrund einer Außenprüfung für Veranlagungszeiträume vor 1986 in Betracht. Im Rahmen des § 1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG ist es ferner rechtsunerheblich, daß die Außenprüfung nicht die Kläger, sondern die GmbH betroffen hat, deren Organ der Kläger als Gesellschafter-Geschäftsführer war.
Der Senat läßt offen, ob die Tat bereits durch die Betriebsprüfung bei der GmbH durch ein möglicherweise für die Kläger nicht zuständiges FA entdeckt war (vgl. hierzu das Urteil des Bundesgerichtshofs -- BGH -- vom 13. Mai 1987 3 StR 37/87, Steuerrechtsprechung in Karteiform -- StRK --, Abgabenordnung, § 371, Rechtsspruch 16, Ziff. 2 der Gründe; Engelhardt, a.a.O., § 371 Tz. 248, 250, und Koch/Scholtz, Abgabenordnung, Kommentar, 4. Aufl., § 371 Tz. 34/1). Denn jedenfalls hat hier das FA als für die Besteuerung der GmbH wie der Kläger zuständige Behörde aufgrund der ihm übermittelten Prüfungs ergebnisse Kenntnis von der Steuerverkürzung erlangt, bevor die Kläger die Einkommensteuererklärungen für 1986 und 1987 abgegeben haben. Daß der "Täter" von der Entdeckung der Tat wußte (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG), steht aufgrund der Teilnahme des Klägers bzw. seiner Prozeßbevollmächtigten an der Außenprüfung außer Frage.
Auch die Rüge einer Verletzung des § 2 Abs. 2 StrbEG geht fehl. Hiernach ist die Finanzbehörde gehalten, bei Abgabe zutreffender Steuererklärungen nur "für Veranlagungszeiträume ab 1987" eine angemessene Frist für die Abgabe steuerbefreiender Erklärungen für "Veranlagungszeiträume ab 1986" zu setzen. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift sind im vorliegenden Fall schon nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht erfüllt, da sie -- wie alle Beteiligten -- von der Abgabe zutreffender Steuererklärungen für 1986 und 1987 ausgeht. Infolgedessen kamen hier allein die Tatbestände von § 1 Abs. 1 i.V.m. § 2 Abs. 1 StrbEG in Betracht, die aber wegen des Ausschlußgrundes des § 1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG, wie ausgeführt, nicht gegeben sind.
Soweit die Klägerin in der Besteuerung der verdeckten Gewinnausschüttung einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz sieht, da sie schlechter behandelt werde als Steuerpflichtige, die über § 2 Abs. 2 StrbEG Straf- und Steuerfreiheit erlangen könnten, verkennt sie schon, daß aus dieser Fristbestimmung keine Schlüsse auf den Anwendungsbereich des hier vorliegenden Ausschlußtatbestands des § 1 Abs. 3 Nr. 3 StrbEG gezogen werden können. Im übrigen braucht der Senat nicht zu prüfen, ob die Regelung des § 2 StrbEG mit dem GG in Einklang steht. Dies folgt aus den Gründen im Senatsurteil in BFHE 156, 543, BStBl II 1989, 836 und der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 27. Juni 1991 2 BvL 3/89 (BStBl II 1991, 652), worauf zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird.
Gemäß § 107 FGO war der Tenor des FG- Urteils insoweit von Amts wegen zu berichtigen, als er zu Unrecht den bereits verstorbenen Kläger als Prozeßbeteiligten benennt (BFH-Beschluß vom 20. Januar 1988 IX R 155/83, BFH/NV 1990, 104).
Fundstellen
Haufe-Index 419765 |
BFH/NV 1995, 301 |