Leitsatz (amtlich)
Ein Unternehmer, der als Kleinunternehmer im Sinne des § 19 Abs. 1 UStG 1967 eine Leistung bezieht, im nachfolgenden Besteuerungszeitraum zur Regelbesteuerung wechselt und in diesem für die bezogene Leistung eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erhält, ist nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt, weil es in bezug auf die erhaltene Leistung an der persönlichen Berechtigung zum Vorsteuerabzug fehlt.
Normenkette
UStG 1967 § 15 Abs. 1, § 19 Abs. 1
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Sie befaßt sich mit dem Erwerb, der Errichtung und der Verwaltung von Gebäuden. Wegen der Höhe des Gesamtumsatzes i. S. des § 19 Abs. 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1967) im Jahre 1967 unterlag die Klägerin im Jahre 1968 der Besteuerung nach § 19 Abs. 1 UStG 1967. Eine Erklärung nach § 19 Abs. 4 UStG 1967 (Option zur Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes) hat die Klägerin für das Jahr 1968 nicht abgegeben. Im Jahre 1968 wurde ein Verwaltungsgebäude fertiggestellt, das die Klägerin von fremden Bauunternehmern hatte errichten lassen. Dieses Gebäude wurde ab Oktober 1968 vermietet. Aufgrund des sich für das Jahr 1968 ergebenden Gesamtumsatzes i. S. des § 19 Abs. 3 UStG 1967 hatte im Jahre 1969 eine Besteuerung nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes zu erfolgen. Die Klägerin erklärte mit Schreiben vom 9. Januar 1969 gemäß § 9 UStG 1967 gegenüber dem Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -), daß sie ab dem Besteuerungszeitraum 1969 ihre unter § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1967 fallenden Umsätze der Besteuerung unterwerfen wolle.
Im Rahmen der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1969 machte die Klägerin u. a. Vorsteuerbeträge in Höhe von 165 000 DM geltend. Es handelt sich hierbei um Steuern auf Bauleistungen für das Verwaltungsgebäude, für die die Klägerin die Rechnungen mit dem gesonderten Steuerausweis erst im Jahre 1969 erhalten hatte. Das FA versagte den geltend gemachten Vorsteuerabzug mit der Begründung, die Bauleistungen seien an die Klägerin zu einem Zeitpunkt ausgeführt worden, an dem sie Kleinunternehmerin i. S. des § 19 Abs. 1 UStG 1967 und damit vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen gewesen sei. Es stützte sich dabei auf Abschn. II Abs. 5 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 29. März 1971 (BStBl I 1971, 201, Umsatzsteuer-Rundschau 1971 S. 123 - UStR 1971, 123 -). Die Klägerin ist demgegenüber der Auffassung, es komme für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug allein auf den Zeitpunkt an, an dem alle tatbestandlichen Voraussetzungen des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 insgesamt vorgelegen hätten. Dieser Zeitpunkt habe im Jahre 1969 gelegen. Das Finanzgericht (FG) hat die gegen die Versagung des Vorsteuerabzugs gerichtete Klage abgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
1. Die Berechtigung zum Vorsteuerabzug nach § 15 UStG 1967 steht nur Unternehmern zu. Aus § 19 Abs. 1 Satz 2 UStG 1967 ergibt sich eine zusätzliche Einschränkung der personenbezogenen Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug. Danach sind diejenigen Unternehmer, die ihre Umsätze nach § 19 Abs. 1 UStG 1967 versteuern (sog. Kleinunternehmer), von der Anwendung des § 15 UStG 1967 ausgeschlossen. Die persönliche Berechtigung zum Vorsteuerabzug steht mithin nur Unternehmern zu, die nach den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes versteuern (sog. Regelbesteuerung). Der Kleinunternehmer kann durch Option gemäß § 19 Abs. 4 UStG 1967 zur Regelbesteuerung hinüberwechseln und damit die persönliche Berechtigung zum Vorsteuerabzug erlangen. Dieser Wechsel in der Besteuerungsform, den die rechtsgestaltende Erklärung des Unternehmers gegenüber dem FA auslöst (vgl. zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 25. Januar 1979 V R 53/72, BFHE 127, 238, BStBl II 1979, 394), wird wirksam mit dem Beginn desjenigen Kalenderjahres, für das der Unternehmer den Wechsel vollziehen will. Der Wechsel in der Besteuerungsform tritt - wie im vorliegenden Fall - kraft Gesetzes ein, wenn der Gesamtumsatz im vorangehenden Kalenderjahr den Betrag von 60 000 DM übersteigt (vgl. § 19 Abs. 1 und 3 UStG 1967). Ab dem Beginn des folgenden Kalenderjahres unterliegt die Besteuerung der Umsätze den allgemeinen Vorschriften des Gesetzes. Im Rahmen dieser Regelbesteuerung erwachsen dem Unternehmer Vorsteuerabzugsansprüche, wenn steuerpflichtige Leistungen für sein Unternehmen ausgeführt und für diese Leistungen Umsatzsteuern gesondert in Rechnung gestellt worden sind. Das ist jedenfalls außer Streit, wenn diese beiden umsatzbezogenen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 zu einem Zeitpunkt verwirklicht werden, der bereits in den Besteuerungszeitraum der Regelbesteuerung fällt.
2. Fallen beim Übergang zur Besteuerungsform der Regelbesteuerung die beiden tatsächlichen Vorgänge der Ausführung einer Leistung für das Unternehmen und der gesonderten Inrechnungstellung von Umsatzsteuer in die verschiedenen Besteuerungszeiträume der Kleinunternehmerbesteuerung und der Regelbesteuerung, so bleibt gleichwohl für die Beurteilung der Frage, ob die materiell-rechtlichen Voraussetzungen eines Vorsteuerabzugsanspruchs gegeben sind, maßgeblicher Gesichtspunkt die persönliche Berechtigung des Unternehmers zum Vorsteuerabzug; denn der Ausschluß vom Vorsteuerabzug trifft den Kleinunternehmer i. S. des § 19 Abs. 1 UStG 1967. Diese Unternehmer sind im Umsatzsteuersystem einer kumulativen Bruttoallphasensteuer verblieben, der ein Vorsteuerabzug fremd ist. Einem Unternehmer kann demnach ein Vorsteuerabzug nicht gewährt werden, wenn er die bezogenen Leistungen zu Umsätzen einsetzt oder einsetzen kann, die der Versteuerung nach dem alten Umsatzsteuersystem unterliegen. Ob das der Fall ist oder nicht, kann nicht nach dem Vorgang der Rechnungserteilung für an ihn erbrachte Leistungen beurteilt werden, sondern allein nach dem Leistungsbezug und dessen Zeitpunkt. Fällt mithin der Leistungsbezug noch in den Besteuerungszeitraum der Kleinunternehmerbesteuerung, so ist maßgeblicher Gesichtspunkt für die Verneinung der persönlichen Abzugsberechtigung des Unternehmers, daß er die bezogene Leistung noch in seiner Eigenschaft als Kleinunternehmer zur Bewirkung von Umsätzen, die der Kleinunternehmerbesteuerung unterliegen, verwendet oder verwenden kann. Dieses Zuordnungsprinzip ist in allen Grenzbereichen des Vorsteuerabzugs maßgebliches Abgrenzungsmerkmal (vgl. § 15 Abs. 2 und 4 UStG 1967).
Die Klägerin begehrt den Vorsteuerabzug bezüglich Umsatzsteuern, die ihr im Zusammenhang mit der Errichtung eines Verwaltungsgebäudes gesondert in Rechnung gestellt worden sind. Im Besteuerungszeitraum der Kleinunternehmerbesteuerung (dem Jahre 1968) erfolgte nicht nur die Werklieferung des Verwaltungsgebäudes an die Klägerin, sondern auch der Einsatz dieses Leistungsbezugs in Form einer Vermietung des Verwaltungsgebäudes (nämlich ab Oktober 1968). Die Klägerin hat mithin als Kleinunternehmerin i. S. des § 19 Abs. 1 UStG 1967 Leistungen bezogen und mit ihnen Umsätze bewirkt. Sie kann infolgedessen die ihr für die bezogenen Leistungen gesondert in Rechnung gestellten Umsatzsteuern wegen fehlender persönlicher Berechtigung zum Vorsteuerabzug nicht als abziehbare Vorsteuerbeträge geltend machen.
3. Dem Vorgang der gesonderten Inrechnungstellung von Umsatzsteuer kommt für die Frage der persönlichen Abzugsberechtigung nicht nur aus den vorstehenden Erwägungen keine Bedeutung zu. Er sagt über die Verwendung bzw. Verwendbarkeit bezogener Leistungen zur Bewirkung von Umsätzen im Rahmen der maßgeblichen Besteuerungsform nichts aus. Das erweist sich auch im Fall des Wechsels von der Regelbesteuerung zur Kleinunternehmerbesteuerung. Ist hier die Leistung an den Unternehmer noch im Besteuerungszeitraum der Regelbesteuerung ausgeführt und womöglich zur Bewirkung von Umsätzen (mit den entsprechenden Besteuerungsfolgen der Regelbesteuerung) tatsächlich eingesetzt worden, kann die Vorsteuerabzugsberechtigung nicht von dem tatsächlichen Umstand abhängen, daß der Unternehmer die Rechnung mit gesondertem Steuerausweis von seinem Geschäftspartner erst zu einem Zeitpunkt erhält, der in den Besteuerungszeitraum der Kleinunternehmerbesteuerung fällt. Es wäre systemwidrig und mit dem Wortlaut des § 15 UStG 1967 unvereinbar, dem Unternehmer wegen dieses Umstandes die persönliche Berechtigung zum Vorsteuerabzug abzusprechen. Maßgeblich kann deshalb allgemein, d. h. für beide Fälle des Wechsels in der Besteuerungsform nur sein, ob der Unternehmer als Regelversteuerer oder als Kleinunternehmer die Leistung bezogen und nach Maßgabe des für ihn geltenden Besteuerungssystems zur Bewirkung von Umsätzen eingesetzt hat oder einsetzen konnte. Die im BMF-Schreiben vom 29. März 1971 (BStBl I 1971, 201 = UStR 1971, 123) getroffene Regelung stellt mithin eine zutreffende Auslegung des Gesetzes dar.
4. Die Auffassung der Klägerin, es stehe ihr der Vorsteuerabzug deshalb zu, weil die umsatzbezogenen Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 kumulativ erst im Besteuerungszeitraum der Regelbesteuerung (dem Jahre 1969) vorgelegen hätten und demgemäß der Vorsteuerabzugsanspruch in diesem Besteuerungszeitraum entstanden sei, geht überdies an dem entscheidenden Gesichtspunkt vorbei, daß es zur Entstehung eines solchen Anspruchs nur kommen kann, wenn sämtliche Tatbestandsmerkmale des § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG 1967 vorliegen. Der Hinweis auf das Vorliegen der umsatzbezogenen Tatbestandsmerkmale ist in diesem Zusammenhang unzureichend, weil es am Vorliegen des personenbezogenen Tatbestandsmerkmals, nämlich der persönlichen Berechtigung zum Vorsteuerabzug hinsichtlich der bezogenen Leistung, mangelt.
Käme es im übrigen entsprechend der Auffassung der Klägerin maßgeblich auf die umsatzbezogenen Tatbestandsmerkmale an, wäre dem Umstand Beachtung zu schenken, daß die erstmalige Verwendung des Verwaltungsgebäudes im Oktober 1968 eine nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG 1967 steuerfreie Vermietungsleistung war und daß die zum 1. Januar 1969 eingetretene Änderung der Verhältnisse (Verzicht auf Steuerbefreiung) keine Berichtigung des Vorsteuerabzugs bewirken kann, weil die Vorschrift des § 15 Abs. 7 UStG 1967 erstmals ab 1. Januar 1973 anzuwenden war (§ 27 Abs. 1 Satz 3 UStG 1967) und § 15 a UStG 1967 erst durch das Steueränderungsgesetz 1973 vom 26. Juni 1973 (BGBl I 1973, 676, BStBl I 1973, 545) in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden ist (vgl. zum Ausschluß vom Vorsteuerabzug wegen erstmaliger Verwendung zu steuerfreien Umsätzen BFHE 127, 238 BStBl II 1979, 394).
Fundstellen
BStBl II 1982, 198 |
BFHE 1981, 461 |