Leitsatz (amtlich)
Die Tätigkeit eines wirtschaftlichen Vereins, der seinen Mitgliedern (Ärzten) Laborleistungen erbringt, ist gewerbesteuerpflichtig.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 3; GewStDV 1974 § 8; AO 1977 § 14
Verfahrensgang
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ein Verein, der seine Rechtsfähigkeit durch staatliche Verleihung gemäß § 22 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erlangt hat. Mitglieder des Klägers sind in ... niedergelassene Ärzte. Der Kläger bezweckt nach seiner Satzung hauptsächlich, seinen Mitgliedern moderne und leistungsfähige Laboratoriumsgeräte undeinrichtungen zur gemeinschaftlichen Benutzung zur Verfügung zu stellen. Das Untersuchungsmaterial wird in den Praxen der Vereinsmitglieder entnommen, durch regelmäßigen Transport zum Labor des Klägers gebracht und dort im Rahmen des vom Mitglied erteilten Auftrags untersucht. Die ärztliche Aufsicht über das Labor wird im täglichen Wechsel von Vereinsmitgliedern geführt. Die laufenden Beiträge, zu deren Leistung die Mitglieder verpflichtet sind, dienen zur Dekkung der anfallenden Betriebs-, Vereins- und sonstigen Verwaltungskosten. Die Höhe dieser Beiträge bemißt sich "nach dem Maß der Ausnutzung der Vereinseinrichtungen durch die Vereinsmitglieder" (§ 4 der Satzung).
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hat für das Streitjahr (1976) durch Schätzung einen einheitlichen Gewerbesteuermeßbetrag von 0 DM festgesetzt.
Mit dem Einspruch bestritt der Kläger die Gewerbesteuerpflicht dem Grunde nach, da eine gewerbliche Betätigung nicht vorliege. Die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit dem in den Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1979, 507 veröffentlichten Urteil ab.
Gegen die Entscheidung des FG wendet sich der Kläger mit der vom FG nach § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zugelassenen Revision. Er rügt Verletzung materiellen Rechts. Er - der Kläger - werde nur bedingt auf eigene Rechnung und Verantwortung tätig. Er unterhalte keinen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb und sei daher nicht gewerbesteuerpflichtig.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Für das vorliegende Verfahren fehlt das Rechtsschutzbedürfnis nicht deshalb, weil der Gewerbesteuermeßbetrag auf 0 DM festgesetzt ist. Der Kläger erstrebt die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheids, da er seine Gewerbesteuerpflicht schlechthin bestreitet (vgl. Beschluß des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 20. November 1969 I B 34/69, BFHE 97, 281, BStBl II 1970, 133; BFH-Urteil vom 25. Juni 1975 I R 78/73, BFHE 117, 4, BStBl II 1976, 42).
II. Die Betätigung des Klägers unterliegt als wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb der Gewerbesteuer; der Kläger ist gewerbesteuerpflichtig. Die Entscheidung des FG läßt keine Rechtsfehler erkennen.
1. Der Kläger geht selbst - wie die Wahl seiner Rechtsform zeigt - davon aus, daß sein Zweck auf einen "wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb" i. S. von § 22 BGB gerichtet ist (vgl. Beschluß des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 14. Juli 1966 II ZB 2/66, BGHZ 45, 395; Beschluß des Kammergerichts vom 26. Januar 1979 I W 3792/77, OLGZ 1979, 279). Auch in steuerrechtlicher Hinsicht ist vom Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs auszugehen (§ 2 Abs. 3 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -; § 8 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung - GewStDV - in der für das Streitjahr geltenden Fassung; vgl. nunmehr § 14 der Abgabenordnung - AO 1977 -).
2. Nach § 2 Abs. 3 GewStG gilt als Gewerbebetrieb u. a. auch die Tätigkeit der sonstigen - in § 2 Abs. 2 GewStG nicht genannten - juristischen Personen des privaten Rechts, soweit sie einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb (ausgenommen Land- und Forstwirtschaft) unterhalten; die Gewerbesteuerpflicht wird damit für sie insoweit auch dann begründet, wenn die Voraussetzungen für die Annahme eines Gewerbebetriebs (§ 1 GewStDV) nicht vorliegen. Danach genügt im Falle des Klägers für die Feststellung seiner Gewerbesteuerpflicht das Vorliegen eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebs i. S. von § 8 GewStDV, d. h. eine selbständige, nachhaltige Tätigkeit, durch die Einnahmen oder andere wirtschaftliche Vorteile erzielt werden und die über den Rahmen einer Vermögensverwaltung hinausgeht; die Absicht, Gewinne zu erzielen, ist nicht erforderlich.
3. Der Kläger versteht den Begriff der - von ihm bestrittenen - Selbständigkeit gemäß § 8 GewStDV offenbar im Sinne der Abgrenzung, ob eine Tätigkeit in selbständiger oder nichtselbständiger Stellung erbracht wird. Diese Frage der Selbständigkeit stellt sich bei einem Verein nicht.
§ 2 Abs. 3 GewStG geht davon aus, daß nicht die gesamte Tätigkeit der sonstigen juristischen Personen und nichtrechtsfähigen Vereine als Gewerbebetrieb gilt, sondern nur deren wirtschaftliche Geschäftsbetriebe (vgl. Petzold, Gewerbesteuer, München 1983 S. 78). Im Gegensatz etwa zu gemeinnützigen Vereinen, bei denen ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb nicht den ganzen Verein gewerbesteuerpflichtig macht, ist im Streitfall der Zweck des Vereins (des Klägers) auf die unmittelbare wirtschaftliche Förderung seiner Mitglieder gerichtet, denen Laborleistungen zu günstigen Bedingungen geboten werden sollen. Diese Tätigkeit ist selbständig; sie hängt nicht mit anderweitigen Betätigungen des Klägers dergestalt zusammen, daß ihre Ausübung ohne die anderweitige Betätigung nicht möglich wäre (vgl. BFH-Urteil vom 20. September 1963 III 328/59 U, BFHE 77, 578, BStBl III 1963, 532; Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung (AO 1977)/Finanzgerichtsordnung, 14. Aufl., § 14 AO 1977 Anm. 2 a). Selbständigkeit in diesem Zusammenhang ist nicht die persönliche Selbständigkeit einer juristischen Person, sondern die sachliche Selbständigkeit der Betätigung im Sinne einer Abgrenzbarkeit von einem steuerbegünstigten Wirkungsbereich (Rader, Betriebs-Berater 1979, 1192; Märkle, Der Verein im Zivil- und Steuerrecht, 4. Aufl., S 125; im Sinne beider Auslegungsmöglichkeiten offenbar Spanner in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 14 AO 1977 Anm. 5; im Sinne persönlicher Selbständigkeit Scholtz in Koch, Abgabenordnung - AO 1977, 2. Aufl., § 14 Anm. 10 b; Frotscher in Schwarz, Abgabenordnung, § 14 Anm. 5; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 14 AO 1977 Anm. 5).
4. Unstreitig erzielt der Kläger durch seine Tätigkeit Einnahmen. Es liegt ein nachhaltiger, entgeltlicher Leistungsaustausch zwischen dem Kläger und seinen einzelnen Mitgliedern vor (vgl. BFH-Urteil vom 15. Januar 1964 I 203/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964, 240). Darüber hinaus erzielt der Kläger - neben den Einnahmen - andere wirtschaftliche Vorteile i. S. von § 8 Abs. 1 Satz 1 GewStDV, nämlich wirtschaftliche Vorteile für die Vereinsmitglieder, denen nach dem Vereinszweck (§ 2 Nr. 1 der Satzung) ein modernes und leistungsfähiges Labor zur Verfügung stehen soll (vgl. Urteile des Reichsfinanzhofs vom 14. Dezember 1932 III A 289/32, Steuer und Wirtschaft 1933 Sp. 687; vom 13. Februar 1935 I A 155/34, RStBl 1935, 728; vom 7. Dezember 1943 I 91/43, RStBl 1944, 437). Daß der Kläger durch die Art der in der Satzung vorgesehenen Abrechnung seiner Leistungen gegenüber den Vereinsmitgliedern möglicherweise keine Gewinne erzielen kann - dafür aber seinen Mitgliedern günstige Preise bietet -, ist ohne Belang (§ 8 Abs. 1 Satz 2 GewStDV; vgl. Kröger, Deutsches Steuerrecht 1979, 220, 222/223).
5. Mit dem Vorbringen, jedes Vereinsmitglied bestimme wie ein Arzt, "der das Labor selbst in der eigenen Praxis durchführt", welche Analysen durchzuführen sind, und die Durchführung der Untersuchungen werde von den Vereinsmitgliedern in täglichem Wechsel überwacht, will der Kläger offenbar auf die Gleichheit oder Artverwandtheit seiner Tätigkeit mit der Tätigkeit der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes aufgeführten Ärzte hinweisen. Dies geht insofern fehl, als für den Kläger als juristische Person die Vorschrift des § 2 Abs. 3 GewStG Platz greift. Damit kommt es auch nicht darauf an, ob der Verwaltungsauffassung zu folgen wäre, nach der der Zusammenschluß von Ärzten zu einer in der Rechtsform der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betriebenen Laborgemeinschaft, die lediglich kostendeckend Leistungen für die beteiligten Ärzte erbringt, nicht als gewerblich anzusehen ist (vgl. nunmehr Abschn. 135 Abs. 6 Satz 5 der Einkommensteuer-Richtlinien 1981).
Fundstellen
BStBl II 1984, 451 |
BFHE 1984, 463 |