Entscheidungsstichwort (Thema)
Volle Wohneigentumsförderung aufgrund wirtschaftlichen Miteigentums?
Leitsatz (NV)
- Ist der Steuerpflichtige nur hälftiger Miteigentümer der von ihm bewohnten Wohnung, wird die Bemessungsgrundlage für die Wohneigentumsförderung zwingend auf die Hälfte der Anschaffungs- oder Herstellungskosten der Wohnung begrenzt. Der Abzugsbetrag kann nicht abweichend von den Miteigentumsanteilen aufgeteilt werden.
- Bei der Einkommensteuerveranlagung ist das FA nicht an die bewertungsrechtliche Zurechnung eines Grundstücks gebunden.
- Eine vom Miteigentümer errichtete Wohnung kann diesem nur dann nach den Grundsätzen wirtschaftlichen Eigentums in vollem Umfang zugerechnet werden, wenn er in Erwartung des späteren Eigentums die Kosten für die gesamte Wohnung getragen hat und ihm für den Fall der Nutzungsbeendigung ein Anspruch auf Entschädigung i.H. des anteiligen Verkehrswertes des Gebäudes gegen den anderen Miteigentümer zusteht.
- Über gerügte Verfahrensfehler braucht nicht entschieden zu werden, wenn die auch auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führt.
Normenkette
AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1; BGB § 745; EStG § 10e Abs. 1, 6
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb durch notariellen Kaufvertrag vom 29. August 1988 zusammen mit seinem Vater ein unbebautes Grundstück zu hälftigem Miteigentum. Das Grundstück wurde dem Kläger bewertungsrechtlich auf den 1. Januar 1989 zur Hälfte zugerechnet.
Im Herbst 1988 wurde mit der Errichtung einer "Doppelhaushälfte" begonnen. Dabei traten der Kläger und sein Vater gegenüber der Baufirma als Bauherrengemeinschaft auf. Am 23. Juli 1989 vereinbarten sie schriftlich unter Hinweis auf den "Aufsatz von Obermeier in NWB F. 3, S. 6961", dass der Kläger alle Nutzungen und Lasten, die Kosten der Bewirtschaftung, den "Wertverzehr der Substanz des Hauses" ―auch für den Fall der Vermietung― und die mit dem Einfamilienhaus wirtschaftlich zusammenhängenden steuerlichen Belastungen allein zu tragen habe. Alle steuerlichen Vorteile, insbesondere die Abzugsbeträge nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) und die "Grundsteuerfreiheit zu 1/1" sollte nur der Kläger beanspruchen.
Ab 1. Dezember 1989 nutzte der Kläger das zu diesem Zeitpunkt fertig gestellte Gebäude zu eigenen Wohnzwecken. Bei der Einheitswertfeststellung (Wert-, Art- und Zurechnungsfortschreibung) auf den 1. Januar 1990 wurde ihm das "Einfamilienhaus" seinem Antrag entsprechend zu 1/1 zugerechnet.
Durch notariellen Vertrag vom 4. Dezember 1990 übertrug der Vater seinen Grundstücksanteil im Wege der Schenkung auf den Kläger. Der Kläger übernahm die im Grundbuch eingetragenen Belastungen einschließlich der diesen zugrunde liegenden persönlichen Verbindlichkeiten. Er verpflichtete sich, den Vater, soweit dessen Entlassung aus der Haftung für die persönlichen Verbindlichkeiten nicht möglich sei, im Falle einer Inanspruchnahme durch den Gläubiger im Innenverhältnis freizustellen. Als Zeitpunkt für die Übergabe des Grundstücks und den Übergang von Nutzungen, Lasten und Gefahr war im Vertrag der 23. Juli 1989 angegeben.
In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1989 machte der Kläger einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1EStG in Höhe von 12 850 DM geltend. Er ermittelte den Abzugsbetrag aus den gesamten bis zum 31. Dezember 1989 angefallenen Herstellungskosten des Gebäudes (293 395 DM) und den hälftigen Anschaffungskosten für den Grund und Boden (61 913 DM : 2 = 30 957 DM). Er vertrat die Auffassung, er sei im Jahr 1989 bereits wirtschaftlicher Eigentümer des dem Vater gehörenden Miteigentumsanteils gewesen, so dass die Wohneigentumsförderung nicht gemäß § 10e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987 (= § 10e Abs. 1 Satz 6 EStG i.d.F. ab 1990) zu kürzen sei. Außerdem begehrte er den Abzug von Finanzierungsaufwendungen und Grundstücksabgaben in Höhe von 6 242 DM als Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG. Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zog er Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 5 523 DM als Werbungskosten ab.
Nach Aufforderung des Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt ―FA―), die Finanzierung der Anschaffungs- und Herstellungskosten von 355 308 DM zu erläutern, erklärte der Kläger, die Kosten seien in Höhe von 178 800 DM durch ihn (Darlehen Sparkasse 76 800 DM, Darlehen Arbeitgeber 20 000 DM, Zinszuschuss gemäß § 3 Nr. 68 EStG 4 000 DM, laufende Einkünfte 78 000 DM), in Höhe von 15 632 DM durch ein Bausparguthaben des Vaters und in Höhe von 60 000 DM durch laufende Einkünfte der Eltern und des Bruders finanziert worden. Für ein weiteres Darlehen in Höhe von 100 000 DM seien er und sein Vater der Sparkasse gemeinsam verpflichtet.
Das FA verneinte wirtschaftliches Eigentum des Klägers an dem dem Vater gehörenden Miteigentumsanteil und kürzte deshalb im Einkommensteuerbescheid für 1989 die geltend gemachten Beträge. Den Einspruch des Klägers wies das FA im Wesentlichen als unbegründet zurück. Es berechnete die abziehbaren Beträge in der Einspruchsentscheidung jedoch anders als im Einkommensteuerbescheid und berücksichtigte als Steuerbegünstigung für die eigengenutzte Wohnung insgesamt einen Betrag in Höhe von 12 112 DM (Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG 5 062 DM, Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG 7 050 DM). Die Aufwendungen für das Arbeitszimmer ließ es in Höhe von 3 348 DM zum Abzug zu.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus:
Die zur Inanspruchnahme höherer Abzugsbeträge berechtigenden Voraussetzungen für wirtschaftliches Eigentum lägen im Streitfall nicht vor. Es könne daher offen bleiben, ob die Klage schon deshalb unbegründet sei, weil das zu versteuernde Einkommen wegen evtl. vom Kläger bisher nicht erklärter Einkünfte im Schätzungswege kompensierend zu erhöhen sei. Bei den Guthabenbuchungen auf dem Girokonto des Klägers sei ein Betrag von 51 652,75 DM ungeklärt, von dem der Kläger in der mündlichen Verhandlung behauptet habe, es handle sich um Reisekosten, die ihm von seinem Arbeitgeber erstattet worden seien.
Aufgrund der Vereinbarung vom 23. Juli 1989 habe der Kläger kein wirtschaftliches Eigentum an dem Miteigentumsanteil seines Vaters erlangt. Denn darin sei zwischen den Miteigentümern lediglich gemäß § 745 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eine Nutzungsvereinbarung hinsichtlich des Grundstücks getroffen worden. Ein für die Annahme wirtschaftlichen Eigentums erforderliches unwiderrufliches und unkündbares Nutzungsrecht hinsichtlich des Miteigentumsanteils vom Vater sei nicht vereinbart worden.
Im Voraus getroffene sowie klare und eindeutige mündliche Vereinbarungen, die eine Zurechnung aufgrund wirtschaftlichen Eigentums rechtfertigten, lägen im Streitfall nicht vor. Zwar habe der Kläger vorgetragen, sein Vater und er seien von Anfang an einig gewesen, dass er ―der Kläger― die volle Herrschaft und alleinige Verfügungsmacht über das Haus haben solle und auch alle Nutzungen und Lasten nur bei ihm liegen sollten. Der Vater habe diesen Vortrag auch bestätigt. Da das Vorbringen des Klägers insoweit zu dessen Gunsten als richtig unterstellt werde, brauche der Vater hierüber nicht als Zeuge vernommen zu werden.
Gleichwohl sei das FG nicht davon überzeugt, dass der Kläger bereits im Streitjahr 1989 wirtschaftlicher Eigentümer hinsichtlich des hälftigen Miteigentumsanteils seines Vaters an dem Grundstück gewesen sei. Denn es bestehe ein unauflösbarer Widerspruch zwischen dem unstreitigen Sachverhalt und dem Vorbringen des Klägers. Danach hätten er und sein Vater im Gespräch am 7. Februar 1991 beim FA erklärt, der Miteigentumsanteil des Vaters habe auch der Sicherung der Ansprüche der Eltern und ebenso des eigenen Vermögens des Klägers gedient. Der Kläger habe damals eine andere "Beziehung" gehabt, die eine solche Sicherung erforderlich gemacht habe. Diese "Beziehung" sei dann "in die Brüche gegangen". Der Kläger habe seine jetzige Frau erst während der Bauphase kennen gelernt. In der mündlichen Verhandlung habe der Kläger zusätzlich darauf hingewiesen, seinem Vater sei es damals unter anderem darum gegangen, ggf. die "Notbremse ziehen" zu können.
Dieses beim Vater somit vorhandene und vom Kläger akzeptierte unstreitige Sicherungsinteresse habe aber nur dann befriedigt werden können, wenn der Vater sich damals seiner formalen zivilrechtlichen Rechte als Miteigentümer nicht entäußert habe. Die Eltern des Klägers hätten laut ―der vom Kläger im finanzgerichtlichen Verfahren vorgelegten― Aufstellung von den Herstellungskosten in Höhe von 343 680,29 DM insgesamt 62 762,86 DM durch Überweisung von ihrem Konto bezahlt. Außerdem sei der Vater hinsichtlich eines Darlehensbetrages in Höhe von 100 000 DM persönlich gegenüber der Sparkasse verpflichtet gewesen.
Der vom Kläger behaupteten Unkündbarkeit seines Nutzungsrechts widerspreche auch die Absicht des Vaters, aufgrund seines Miteigentums ggf. die "Notbremse ziehen" zu können. Dazu wäre er nur in der Lage gewesen, wenn er gemäß § 749 Abs. 1 BGB jederzeit die Aufhebung der Gemeinschaft hätte verlangen können.
Der Kläger könne sich auch nicht auf Abs. 5 Satz 1 des Schreibens des Bundesministers der Finanzen (BMF) vom 25. Oktober 1990 IV B 3 -S 2225 a- 115/90 (BStBl I 1990, 626) berufen, nach dem derjenige, der die Anschaffungskosten und Herstellungskosten getragen habe, wirtschaftlicher Eigentümer sei. Denn diese Auffassung weiche von der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu § 10e EStG ab.
An die Beurteilung im Einheitswertbescheid, in dem das Grundstück dem Kläger auf den 1. Januar 1990 zu 100 v.H. zugerechnet worden sei, sei das FA bei der Einkommensteuerveranlagung nicht gebunden. Eine verbindliche schriftliche Zusage, dass er auch bei der Einkommensteuerveranlagung als wirtschaftlicher Eigentümer behandelt werde, liege nicht vor.
Die Bestimmung im notariellen Vertrag vom 4. Dezember 1990, dass Besitz, Gefahr, Nutzungen und Lasten bereits am 23. Juli 1989 übergegangen seien, wirke steuerrechtlich nicht zurück.
Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung von § 10e Abs. 1 und 6 EStG, § 39 der Abgabenordnung (AO 1977), Art. 3 und 20 des Grundgesetzes (GG) sowie Verfahrensfehler.
Der Kläger beantragt, das finanzgerichtliche Urteil und die Einspruchsentscheidung aufzuheben sowie unter Änderung des Einkommensteuerbescheids für 1989einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs. 1 EStG in Höhe von 12 850 DM, Vorkosten nach § 10e Abs. 6 EStG in Höhe von 8 300,27 DM und Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer in Höhe von 5 523 DM als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit zu berücksichtigen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Vereinbarung vom 23. Juli 1989 kein wirtschaftliches (Mit-)Eigentum an dem dem Vater gehörenden Miteigentumsanteil begründet. Der Kläger könnte jedoch wirtschaftlicher (Mit-)Eigentümer sein, wenn er die gesamten Kosten getragen und für den Fall der Nutzungsbeendigung gegen den Vater einen Anspruch auf Ersatz des (hälftigen) Verkehrswertes des Gebäudes und ggf. auch des Grund und Bodens gehabt hätte. Dies kann der Senat mangels entsprechender Feststellungen des FG nicht entscheiden.
1. Sowohl die Grundförderung nach § 10e Abs. 1 EStG als auch der Vorkostenabzug nach § 10e Abs. 6 Satz 1 EStG setzen voraus, dass der Steuerpflichtige eine zu eigenen Wohnzwecken genutzte Wohnung im eigenen Haus oder eine eigene Eigentumswohnung hergestellt oder angeschafft hat. Er muss Eigentümer des begünstigten Objekts sein. In Fällen, in denen zivilrechtliches und wirtschaftliches Eigentum nicht übereinstimmen, steht die Förderung dem wirtschaftlichen Eigentümer (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) zu (ständige Rechtsprechung, z.B. BFH-Urteil vom 12. April 2000 X R 69/98, BFH/NV 2000, 1331, m.w.N.). Bei einem Anteil an der zu eigenen Wohnzwecken genutzten Wohnung kann der Steuerpflichtige nur den entsprechenden Teil der Abzugsbeträge nach § 10e Abs. 1 Satz 1 EStG wie Sonderausgaben abziehen (§ 10e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987). Auch die vor Bezug entstandenen Aufwendungen sind nur anteilig abziehbar (Senatsurteil vom 1. Juni 1994 X R 40/91, BFHE 174, 442, BStBl II 1994, 752).
2. Der Kläger und sein Vater waren im Streitjahr 1989 je zur Hälfte Miteigentümer des Grundstücks. Als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks gehörte auch das darauf errichtete Gebäude ―unabhängig davon, wer die Kosten getragen hat― zivilrechtlich dem Kläger und seinem Vater je zur Hälfte. Gemäß § 10e Abs. 1 Satz 5 EStG 1987 wird die Bemessungsgrundlage für die Wohneigentumsförderung zwingend auf die Hälfte der Anschaffungs- oder Herstellungskosten begrenzt. Eine Verteilung des Abzugsbetrages abweichend von den Miteigentumsanteilen ―wie sie der Kläger und sein Vater in der Vereinbarung vom 23. Juli 1989 vornehmen wollten― ist nach dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift nicht möglich (BFH-Urteil vom 8. Juni 1994 X R 90/92, BFH/NV 1995, 20, m.w.N.). Das im Aufsatz von Obermeier (Neue Wirtschafts-Briefe ―NWB― Fach 3 S. 6961), auf den in der Vereinbarung Bezug genommen worden ist, zitierte BFH-Urteil vom 24. Juni 1966 VI 249/65 (BFHE 86, 550, BStBl III 1966, 580) zu § 7b EStG a.F. ist überholt.
3. Auch die Berufung des Klägers auf Abs. 5 Satz 1 des BMF-Schreibens in BStBl I 1990, 626 kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Zum einen ist in Abs. 5 nicht bestimmt, dass derjenige, der die Herstellungskosten getragen hat, wirtschaftlicher Eigentümer ist, sondern nur, dass ein wirtschaftlicher Eigentümer anspruchsberechtigt ist, wenn er die Herstellungskosten getragen hat. In Abs. 6 wird aber erläutert, dass Bauen auf fremdem Grund gerade kein wirtschaftliches Eigentum begründet. Zum anderen würde es sich um eine norminterpretierende Verwaltungsanweisung handeln, an welche die Steuergerichte grundsätzlich nicht gebunden sind (Senatsurteil vom 20. Oktober 1999 X R 69/96, BFHE 190, 185, BStBl II 2000, 259, m.w.N.).
4. Die bewertungsrechtliche Zurechnung des Grundstücks berechtigt den Kläger ebenfalls nicht zur Inanspruchnahme der vollen Wohneigentumsförderung. Abgesehen davon, dass bewertungsrechtlich das Einfamilienhaus dem Kläger nicht schon im Streitjahr 1989, sondern erst durch Zurechnungsfortschreibung auf den 1. Januar 1990 zu 1/1 zugerechnet worden ist, ist das FA bei der Einkommensteuerveranlagung nicht an die Feststellungen bei der Einheitsbewertung gebunden (vgl. auch BFH-Urteile vom 5. Dezember 1989 VIII R 322/84, BFH/NV 1990, 499; vom 27. Oktober 1998 X R 157/95, BFHE 187, 445, BStBl II 1999, 91).
5. Anspruch auf die ungekürzte Wohneigentumsförderung hätte der Kläger nur, wenn er im Streitjahr 1989 wirtschaftlicher Eigentümer des dem Vater gehörenden Miteigentumsanteils gewesen wäre.
a) Wirtschaftlicher Eigentümer ist nach § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO 1977 derjenige, der die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut in der Weise ausübt, dass er den zivilrechtlichen Eigentümer auf Dauer von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut wirtschaftlich ausschließen kann. Einen wirtschaftlichen Ausschluss in diesem Sinn nimmt die Rechtsprechung an, wenn nach dem Gesamtbild der Verhältnisse kein Herausgabeanspruch besteht oder der Herausgabeanspruch des zivilrechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (vgl. die Nachweise in den Senatsurteilen vom 27. November 1996 X R 92/92, BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97, und vom 12. April 2000 X R 20/99, BFH/NV 2001, 9). Das beim zivilrechtlichen Eigentümer verbleibende Verfügungsrecht, insbesondere das Recht zur Belastung und Veräußerung, schließt wirtschaftliches Eigentum eines anderen nicht aus, denn entscheidend ist der wirtschaftliche Ausschluss des Eigentümers von der Einwirkung auf die Sache (vgl. BFH-Urteile vom 18. November 1970 I 133/64, BFHE 100, 516, BStBl II 1971, 133, unter III. 1., und in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97, unter 3. d, jeweils m.w.N.).
b) Errichtet jemand im eigenen Namen und für eigene Rechnung auf einem fremden Grundstück ein Gebäude, ist der Grundstückseigentümer nach der Rechtsprechung des BFH grundsätzlich zivilrechtlicher und zugleich wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes, wenn die Errichtung des Gebäudes sowohl dem Interesse des Bauenden als auch dem des Grundstückseigentümers dient, der Wert des Gebäudes sich nicht innerhalb der vereinbarten Nutzungszeit verzehrt und nach Ablauf der Nutzungszeit die Verhältnisse neu gestaltet werden können (Senatsurteil in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97, unter 3. c, m.w.N.). Dagegen ist der Bauende als wirtschaftlicher Eigentümer zu beurteilen, wenn er aufgrund eindeutiger im Voraus getroffener und tatsächlich durchgeführter Vereinbarungen die wirtschaftliche Verfügungsmacht und Sachherrschaft ―unter dauerndem Ausschluss des zivilrechtlichen Eigentümers― innehat, weil ihm allein Substanz und Ertrag des Gebäudes für dessen voraussichtliche Nutzungsdauer zustehen (Senatsurteil in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97, unter 3. d, m.w.N.).
c) Diese Voraussetzungen sah der Senat in einem Fall als erfüllt an, in dem die Grundstückseigentümerin ihrem damaligen Lebensgefährten und späteren Ehemann vor der (gemeinsamen) Errichtung des Gebäudes das dauernde, durch den Tod des Berechtigten nicht endende Recht eingeräumt hatte, das Gebäude für dessen "Lebensdauer", mindestens aber für 50 Jahre wie ein Miteigentümer zu nutzen (BFH-Urteil in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97). Aufgrund dieser ―vererblichen― Nutzungsvereinbarung habe die zivilrechtliche Eigentümerin bis zum wirtschaftlichen Verbrauch des Gebäudes keinen Herausgabeanspruch (§ 986 BGB) gegenüber dem Mitbenutzungsberechtigten gehabt. Da das Gebäude nach der (allein maßgeblichen) voraussichtlichen Dauer des Nutzungsverhältnisses bei normalem, der gewählten Gestaltung entsprechenden Verlauf wirtschaftlich verbraucht sei, hätten Substanz und Ertrag des Gebäudes auf Dauer zur Hälfte dem Nutzungsberechtigten zugestanden. Die Verfügungsbefugnis der Eigentümerin sei zwar nicht rechtlich, aber tatsächlich (wirtschaftlich) eingeschränkt gewesen, zumal sie im Falle eines Verkaufs dem Nutzungsberechtigten schadenersatzpflichtig geworden wäre.
d) Nach dem Senatsurteil vom 18. Juli 2001 X R 23/99 (zur Veröffentlichung bestimmt) sind Substanz und Ertrag des Gebäudes dem Nutzungsberechtigten aber nicht nur zuzurechnen, wenn das Gebäude nach Ablauf der voraussichtlichen Nutzungsdauer wirtschaftlich verbraucht ist, sondern auch dann, wenn zwar die voraussichtliche Nutzungsdauer des Gebäudes die Dauer der Nutzungsbefugnis überschreitet, der Nutzungsberechtigte, der die Kosten des Gebäudes getragen hat, aber für den Fall der Nutzungsbeendigung einen Anspruch auf Ersatz des vollen Verkehrswertes des Gebäudes gegen den Grundstückseigentümer hat.
e) Ein die steuerliche Zurechnung eines Gebäudes aufgrund wirtschaftlichen Eigentums rechtfertigender Entschädigungsanspruch kann sich aus einer Vereinbarung oder aus dem Gesetz ―insbesondere nach Bereicherungsrecht― ergeben. An seiner Auffassung, dass ein Anspruch nach §§ 951, 812 BGB die Zurechnung eines auf fremdem Grund und Boden errichteten Gebäudes auf den Bauenden nicht rechtfertigt (vgl. zuletzt Senatsurteil in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97), hält der Senat nicht mehr fest.
Wer auf einem fremden Grundstück in der Erwartung, er werde später Eigentümer des Grundstücks werden, ein Gebäude errichtet, hat nach näherer Maßgabe der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) einen Bereicherungsanspruch nach § 812 Abs. 1 BGB, wenn die Erwartung später enttäuscht wird (BGH-Urteil vom 12. Juli 1989 VIII ZR 286/88, Neue Juristische Wochenschrift ―NJW― 1989, 2745, m.w.N.). Dabei lässt der BGH offen, ob es sich um eine Bereicherung durch eine Leistung oder in sonstiger Weise handelt, weil sowohl die Voraussetzungen des § 812 Abs. 1 Satz 1 BGB (Erlangen in sonstiger Weise ohne rechtlichen Grund, sog. condictio indebiti) als auch die der Leistungskondiktion wegen Zweckverfehlung (§ 812 Abs. 1 Satz 2 Halbsatz 2 BGB, sog. condictio ob rem) gegeben seien. Denn unabhängig von der Rechtsgrundlage sei für das Entstehen des Anspruchs und die Berechnung des Wertzuwachses der Zeitpunkt maßgebend, in dem feststehe, dass der bezweckte Erfolg nicht eintrete bzw. die Bereicherung ungerechtfertigt sei (BGH-Urteile vom 16. Oktober 1969 VII ZR 145/69, NJW 1970, 136, und in NJW 1989, 2745). Der Anspruch auf Wertersatz richte sich nicht auf Ersatz der einzelnen wirtschaftlichen Leistungen, sondern auf den Ersatz des Wertes, den das Gebäude als wirtschaftliche Einheit für den Bereicherten zu dem Zeitpunkt habe, in dem die Nutzung durch den Hersteller ende (BGH-Urteil vom 10. Juli 1953 V ZR 22/52, NJW 1953, 1466).
Dieser gesetzliche Anspruch auf Wertersatz führt dazu, dass der zivilrechtliche Eigentümer insoweit über sein Eigentum wirtschaftlich nicht verfügen kann, weil er im Falle einer rechtlichen Verfügung dem Nutzungsberechtigten oder dessen Rechtsnachfolger (Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 17. November 1994 5 U 1818/93, Versicherungsrecht ―VersR― 1996, 238) Wertersatz zu leisten hätte. Substanz und Ertrag des Gebäudes stehen daher wirtschaftlich nicht dem zivilrechtlichen Eigentümer, sondern dem in Eigentumserwartung Bauenden zu.
6. Die Vereinbarung vom 23. Juli 1989 vermittelt kein wirtschaftliches Eigentum. Es handelt sich lediglich ―wie sich auch aus der ausdrücklichen Bezugnahme auf § 745 BGB ergibt― um eine Nutzungsvereinbarung hinsichtlich eines gemeinschaftlichen Gegenstandes (Grundstück) dergestalt, dass der Kläger allein zur Nutzung berechtigt ist und die mit dem Grundstück verbundenen Lasten und die Kosten der Bewirtschaftung zu tragen hat und ihm die Abzugsbeträge nach § 10e EStG in voller Höhe zustehen sollen. Die Voraussetzungen, unter denen der Senat im Urteil in BFHE 182, 104, BStBl II 1998, 97 wirtschaftliches Eigentum des Nutzungsberechtigten angenommen hat, erfüllt die schriftliche Vereinbarung nicht. Es wird dadurch kein Nutzungsrecht in Bezug auf das Miteigentum des Vaters für die voraussichtliche Nutzungsdauer des Gebäudes eingeräumt, das nicht vorzeitig aufgehoben werden kann und auch durch den Tod des Berechtigten nicht endet.
7. Wirtschaftliches Eigentum und damit ein Anspruch auf eine höhere Wohneigentumsförderung käme nur in Betracht, wenn der Kläger in Erwartung des späteren Eigentums zumindest die Kosten für das gesamte Gebäude getragen hätte und ihm für den Fall der Beendigung der Nutzung ein Anspruch auf den Ersatz des (hälftigen) Gebäudewertes gegen den Vater zugestanden hätte. Unter diesem Gesichtspunkt hat das FG bisher wirtschaftliches Eigentum nicht geprüft. Das finanzgerichtliche Urteil wird daher aufgehoben und die Sache an das FG zurückverwiesen.
Der Kläger hat im bisherigen Verfahren vorgetragen, die spätere Eigentumsübertragung sei von Anfang an beabsichtigt gewesen. Der tatsächliche Geschehensablauf (Übertragung des Miteigentumsanteils ein Jahr nach Fertigstellung des Gebäudes) bestätigt diesen Vortrag. Sofern der Kläger ―wie behauptet― die gesamten Kosten getragen hätte, könnte ihm nach den Grundsätzen der BGH-Rechtsprechung im Streitjahr für den Fall der Nutzungsbeendigung oder einer Verfügung des Vaters über seinen Anteil ein Anspruch auf Ersatz des hälftigen Verkehrswertes des Gebäudes und ggf. auch des Grund und Bodens ―sofern er dessen Kosten ebenfalls in voller Höhe getragen hätte― zugestanden haben.
Nach den bisherigen Feststellungen des FG hatte der Kläger im Streitjahr die Herstellungskosten nicht in voller Höhe selbst bezahlt. Das FG wird zu ermitteln haben, ob es sich bei den vom Konto der Eltern überwiesenen Beträgen um Darlehen der Eltern an den Kläger handelt, und ob der Vater aus dem Darlehen, bei dem er persönlich gegenüber der Sparkasse verpflichtet war, in Anspruch genommen worden ist. Kommt das FG zu dem Ergebnis, dass dem Kläger die begehrte Wohneigentumsförderung dem Grunde nach zusteht, wird es außerdem zu prüfen haben, ob es sich bei den ungeklärten Guthabenbuchungen in Höhe von 51 652,75 DM um steuerfreie Reisespesen oder um nicht erklärte, mit der Wohneigentumsförderung zu saldierende Einkünfte handelt.
8. Über die vom Kläger gerügten Verfahrensfehler braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden. Der Kläger hat seine Revision auch auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt. Der BFH hat daher das finanzgerichtliche Urteil in vollem Umfang auf die Verletzung revisiblen Rechts zu prüfen, ohne an die vorgebrachten Revisionsgründe gebunden zu sein. Da die Revision aus anderen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG führt, muss nicht geprüft werden, ob der Kläger auch infolge eines Verfahrensfehlers in seinen Rechten verletzt ist (BFH-Urteile vom 15. Oktober 1997 I R 42/97, BFHE 184, 444, BStBl II 1999, 316; vom 8. November 2000 I R 70/99, BFHE 193, 422, BFH/NV 2001, 866).
Fundstellen
BFH/NV 2002, 168 |
HFR 2002, 194 |
EStB 2002, 42 |
AO-StB 2002, 45 |