Entscheidungsstichwort (Thema)
Wirksamkeit eines Vorbehalts der Nachprüfung; Änderungssperre nach § 173 Abs. 2 AO
Leitsatz (NV)
1. Der Vorbehalt der Nachprüfung bleibt trotz Durchführung einer Außenprüfung wirksam, wenn er nicht ausdrücklich aufgehoben wird.
2. Die in § 173 Abs. 2 AO angeordnete Änderungssperre gilt nur für die in § 173 Abs. 1 AO geregelten Korrekturtatbestände.
Normenkette
AO § 164 Abs. 1-2, 3 S. 3, § 173 Abs. 1-2, § 201 Abs. 1, § 202; EStG § 4 Abs. 4a; GG Art. 19 Abs. 4 S. 1, Art. 20 Abs. 3
Verfahrensgang
Tatbestand
I. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) stellte für die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) zunächst mit Bescheid vom 13. Oktober 2003 den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 1.838.735 € und für die Einkünfte aus Kapitalvermögen auf 113.406 € fest. Dieser Bescheid erging nach § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Am 28. Juni 2004 änderte das FA diesen Bescheid. Es stellte nun den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 für die Einkünfte aus Kapitalvermögen auf 57.984 € fest. Der verbleibende Verlustabzug bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb betrug unverändert 1.838.735 €. Der Vorbehalt der Nachprüfung blieb bestehen.
Eine im Jahr 2004 durchgeführte Außenprüfung, die sich u.a. auf die Umsatz- und Einkommensteuer der Jahre 2000 bis 2002 erstreckte, führte nur zu Änderungen bei der privaten Nutzung des betrieblichen PKW im Hinblick auf die Umsatzsteuer. Unter Tz 2.3 des Betriebsprüfungsberichts ist ausgeführt: "Weitergehende Feststellungen haben sich durch die Betriebsprüfung nicht ergeben. Im Hinblick auf die Verlustvorträge unterbleibt eine bilanzielle Darstellung der Umsatzsteuerverbindlichkeit."
Das FA übersandte dem Kläger den Betriebsprüfungsbericht mit Schreiben vom 12. November 2004 vor Auswertung (§ 202 Abs. 2 AO). In dem Schreiben heißt es u.a.: "Ich beabsichtige, den Inhalt des Berichts der Besteuerung zugrunde zu legen." Eine Schlussbesprechung fand nicht statt; der Kläger hatte hierauf verzichtet (§ 201 Abs. 1 AO). Die Prüfungsfeststellungen waren während der Prüfung eingehend und einvernehmlich besprochen worden.
Mit Schreiben vom 6. August 2007 teilte das FA den Klägern mit, im Rahmen einer erneuten Überprüfung sei festgestellt worden, dass der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 4 Abs. 4a des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 93.951 DM zu Unrecht als Werbungskosten bei den Einkünften aus Kapitalvermögen abgezogen worden sei. Die nach § 4 Abs. 4a EStG pauschal ermittelten nicht abziehbaren Schuldzinsen würden begrifflich Betriebsausgaben voraussetzen. Nur diese betrieblich veranlassten Zinsen seien in die Berechnung des Hinzurechnungsbetrags nach § 4 Abs. 4a EStG einzubeziehen. Damit sei ein Werbungskostenabzug des anteiligen Hinzurechnungsbetrags auch insoweit ausgeschlossen, als die Überentnahmesituation auf die Entnahmen für private Festgeldanlagen zurückzuführen sei. Das FA kündigte an, den Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 zu ändern.
Die Kläger traten dem zunächst mit Schreiben vom 23. August 2007 entgegen und berechneten die Überentnahmen 2001 neu. Mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 teilten sie dem FA mit, die Festgeldkonten seien im Jahr 2001 als notwendiges Betriebsvermögen zu behandeln, weil der Kläger die Geldbeträge nicht endgültig vom Betriebsvermögen getrennt habe. Außerdem beantragten sie, den Vorbehalt der Nachprüfung für sämtliche Steuerbescheide der Jahre 2000 bis 2002 aufzuheben.
Mit Bescheid vom 22. November 2007 stellte das FA für die Kläger den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 für die Einkünfte aus Gewerbebetrieb auf 1.742.378 € und für die Einkünfte aus Kapitalvermögen auf 16.272 € fest. Zugleich hob es den Vorbehalt der Nachprüfung auf.
Im finanzgerichtlichen Verfahren war allein streitig, ob der Vorbehalt der Nachprüfung Grundlage für die Änderung des Bescheids über den verbleibenden Verlustabzug zum 31. Dezember 2001 sein konnte. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 380 veröffentlichtem Urteil statt. Es greife keine Änderungsvorschrift. Zwar seien die ursprünglichen Feststellungen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gestanden. Darauf könne sich das FA jedoch nicht berufen. Die Außenprüfung für das Jahr 2001 habe keine Änderungen gegenüber der Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergeben. Deshalb hätte das FA den Vorbehalt der Nachprüfung nach § 181 Abs. 1 Satz 1 AO i.V.m. § 164 Abs. 3 Satz 3 AO aufheben müssen. Ließe man im Streitfall die Änderung des Bescheids zu, weil das FA entgegen dem eindeutigen Wortlaut der Vorschrift den Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben habe, hätte § 164 Abs. 3 Satz 3 AO faktisch keine Bedeutung. Darin läge ein Verstoß gegen den sich aus Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes (GG) ergebenden Grundsatz, wonach die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden seien. Auch wäre darin ein Verstoß gegen die sich aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG ergebende Rechtsschutzgarantie zu sehen.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 164 Abs. 2 AO. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) könne ein unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergangener Bescheid jederzeit ohne sachliche Einschränkung in vollem Umfang aus formellen oder materiellen Gründen geändert werden. Der Vorbehalt der Nachprüfung verhindere in der Regel die Entstehung eines Vertrauenstatbestands. Ausschließlich besondere Vertrauensschutzgesichtspunkte könnten nach Treu und Glauben zu einer Änderungssperre führen. Aus dem BFH-Urteil vom 15. Dezember 1994 V R 135/93 (BFH/NV 1995, 938) ergebe sich eindeutig, dass selbst bei einer Mitteilung an den Steuerpflichtigen nach durchgeführter Außenprüfung gemäß § 202 Abs. 1 Satz 3 AO, wonach die Außenprüfung nicht zu einer Änderung der Besteuerungsgrundlagen geführt habe, eine Änderung des Bescheids nach § 164 Abs. 2 AO möglich sei. Gleiches ergebe sich aus dem BFH-Urteil vom 29. April 1987 I R 118/83 (BFHE 149, 508, BStBl II 1988, 168). Entgegen der Auffassung des FG habe sich der BFH in diesen Entscheidungen angesichts der klaren und eindeutigen Rechtslage nicht mit § 164 Abs. 3 Satz 3 AO auseinandersetzen müssen. Wiederholt habe der BFH auf den Grundsatz von Treu und Glauben als einzige Änderungssperre hingewiesen (so in den Urteilen vom 14. September 1993 VIII R 9/93, BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2, und vom 16. September 2004 X R 22/01, BFH/NV 2005, 322).
Das FA beantragt,
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen,
die Revision zurückzuweisen.
Das FG-Urteil führe die bisherige Rechtsprechung des BFH konsequent fort und stelle die Verfahrensweise in Bezug auf die Anwendung der Regelung in § 164 Abs. 3 Satz 3 AO klar.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Der Änderung des Bescheids über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 nach § 164 Abs. 2 AO stand nicht die an den Kläger gerichtete Mitteilung des FA vom 12. November 2004 entgegen, wonach die durchgeführte Außenprüfung --abgesehen von Änderungen zur privaten PKW-Nutzung im Hinblick auf die Umsatzsteuer-- zu keinen weitergehenden Feststellungen geführt habe.
1. Das FA hat den Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 vom 13. Oktober 2003 wirksam unter dem Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 AO) erlassen. Im Änderungsbescheid vom 28. Juni 2004 blieb nach den Feststellungen des FG der Vorbehaltsvermerk bestehen.
2. Der Vorbehalt der Nachprüfung im Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 war im Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheids vom 22. November 2007 wirksam.
Der Vorbehalt der Nachprüfung entfällt nach ständiger Rechtsprechung des BFH nur durch ausdrückliche Aufhebung (vgl. Urteile vom 20. Januar 1987 IX R 49/82, BFH/NV 1987, 433, m.w.N; vom 2. Mai 1990 VIII R 20/86, BFH/NV 1991, 219; vom 19. Februar 1992 II R 138/88, BFH/NV 1993, 154). Da das FA entgegen der gesetzlichen Regelung in § 164 Abs. 3 Satz 3 AO nach Abschluss der im Jahr 2004 durchgeführten Außenprüfung den Vorbehaltsvermerk nicht aufgehoben hat, war die mit dieser Nebenbestimmung versehene Steuerfestsetzung vom 28. Juni 2004 nach § 164 Abs. 2 AO in vollem Umfang änderbar (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 149, 508 , BStBl II 1988, 168; in BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2; vom 14. September 1994 I R 125/93, BFH/NV 1995, 369; in BFH/NV 1995, 938; vom 9. November 2006 V R 43/04, BFHE 215, 379, BStBl II 2007, 344; BFH-Beschluss vom 20. Mai 1992 V B 73/91, BFH/NV 1993, 444; vgl. auch Pahlke/Koenig/Cöster, Abgabenordnung, 2. Aufl., § 164 Rz 74; Buciek in Beermann/Gosch, AO § 164 Rz 123, Klein/Rüsken, AO, 9. Aufl., § 164 Rz 46; Scholtz, Deutsche Steuer-Zeitung --DStZ-- 1988, 459). Trotz manch kritischer Stimmen in der Literatur (Heuermann in Hübschmann/Hepp/Spitaler --HHSp--, § 164 AO Rz 39 f.; Seer in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 164 AO Rz 51; Frotscher in Schwarz, AO, § 164 Rz 53; Günther, Finanz-Rundschau --FR-- 1988, 279) hält der erkennende Senat an dieser Rechtsprechung fest. Das Interesse an einer materiell-rechtlich gesetzmäßigen und gleichmäßigen Steuerfestsetzung hat in einem solchen Fall Vorrang vor dem Interesse an einem formal ordnungsgemäßen Verfahren. Diese Auffassung dient im Übrigen auch der Rechtsklarheit, der in Massenverfahren wie dem Besteuerungsverfahren besondere Bedeutung zukommt (Scholtz, DStZ 1988, 459, 460).
3. Der durch § 164 Abs. 2 Satz 1 AO eröffneten, prinzipiell unbegrenzten Befugnis des FA zur Änderung des Bescheids über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 stand weder § 173 Abs. 2 AO noch der Grundsatz von Treu und Glauben entgegen.
a) Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut entfaltet der Vorbehaltsvermerk solange Wirkung, wie er nicht ausdrücklich aufgehoben wird oder durch Ablauf der Festsetzungsfrist entfällt (so auch Günther, FR 1988, 279; Scholtz, DStZ 1988, 459, 460). Der Gesetzgeber hat das Problem "Steuerfestsetzung unter Vorbehalt nach Durchführung einer Außenprüfung" gesehen. Anders als bei einer Änderung von Steuerbescheiden wegen neuer Tatsachen oder Beweismittel hat er die Änderungsmöglichkeit nach § 164 Abs. 2 AO nicht auf Fälle der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung beschränkt. Der Gesetzgeber hat sich auch --anders als bei Ablauf der Festsetzungsfrist-- nicht dafür entschieden, dass der Vorbehaltsvermerk nach Abschluss einer Außenprüfung automatisch entfällt. Er hat vielmehr der Finanzbehörde aufgegeben, den Vorbehalt der Nachprüfung in diesen Fällen aufzuheben. Hierin liegt nach Auffassung des erkennenden Senats der entscheidende Unterschied (a.A. Heuermann in HHSp, § 164 AO Rz 40).
b) Auch § 173 Abs. 2 AO steht im Streitfall der Änderung des Bescheids über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 nicht entgegen. Unmittelbar gilt die Vorschrift --wie sich aus § 172 Abs. 1 Satz 1 AO ergibt-- für die Änderung von Bescheiden i.S. des § 164 AO nicht. Eine Anwendung des § 173 Abs. 2 AO im Wege der extensiven Auslegung oder Analogie scheitert am begrenzten Regelungsbereich dieser Norm: Nach dem klaren Wortlaut gilt die darin angeordnete Änderungssperre nur für die in § 173 Abs. 1 AO geregelten Korrekturtatbestände (Senatsurteil in BFH/NV 2005, 322, m.w.N.). Daraus folgt, dass Steuerbescheide, die nach einer Außenprüfung ergangen sind, nach anderen Vorschriften geändert werden können. Ebenso wenig hindert eine Mitteilung i.S. des § 202 Abs. 1 Satz 3 AO Änderungen aufgrund anderer Bestimmungen (BFH-Entscheidungen in BFHE 149, 508, BStBl II 1988, 168; in BFH/NV 1995, 938; in BFH/NV 1993, 444).
c) Der Grundsatz von Treu und Glauben hindert im Streitfall die Änderung des Bescheids über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 ebenfalls nicht.
Nach ständiger Rechtsprechung kann das gesetzte Recht durch den Grundsatz von Treu und Glauben nur in besonders gelagerten Fällen, in denen das Vertrauen des Steuerpflichtigen in ein bestimmtes Verhalten der Verwaltung nach allgemeinem Rechtsgefühl in einem so hohen Maße schutzwürdig ist, dass demgegenüber der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zurücktreten müsste, verdrängt werden (BFH-Urteile vom 5. September 2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676; vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771; BFH-Beschluss vom 26. November 2001 V B 88/00, BFH/NV 2002, 551). Dies kommt nur dann in Betracht, wenn dem Steuerpflichtigen eine bestimmte steuerrechtliche Behandlung zugesagt worden ist oder wenn die Finanzbehörde durch ihr früheres Verhalten außerhalb einer Zusage einen Vertrauenstatbestand geschaffen hat.
Ein Bescheid, der wie im Streitfall unter dem Vorbehalt der Nachprüfung steht, verhindert das Entstehen eines für die Bindung nach Treu und Glauben notwendigen Vertrauenstatbestands (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, AO § 164 Rz 69, m.N. aus der Rechtsprechung). Eine verbindliche Zusage (§§ 204 ff. AO) oder eine verbindliche Auskunft, aufgrund derer die Kläger auf die Endgültigkeit des ursprünglichen Bescheids über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer zum 31. Dezember 2001 hätten vertrauen können, hat das FA nicht erteilt. Auch der Prüfungsbericht gab zu einem solchen Vertrauen keinen Anlass. Zwar führte die Außenprüfung nur zu Änderungen der privaten PKW-Nutzung im Hinblick auf die Umsatzsteuer und wegen der Verlustvorträge sollte die bilanzielle Darstellung der Umsatzsteuerverbindlichkeit unterbleiben. Das FA teilte dem Kläger mit Schreiben vom 12. November 2004 jedoch lediglich mit, dass der Inhalt des Berichts der Besteuerung zugrunde gelegt werden sollte. Auf künftige Änderungen des Bescheids über den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer hat es damit aber weder ausdrücklich noch stillschweigend verzichtet. Es ist deshalb nicht treuwidrig, wenn sich das FA auf die bestehende Änderungsmöglichkeit nach § 164 Abs. 2 AO beruft. Solange der Vorbehalt der Nachprüfung nicht aufgehoben und damit wirksam ist, müssen und dürfen Steuerpflichtige mit dem Erlass von Änderungsbescheiden zuungunsten oder zugunsten rechnen (a.A. Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 164 AO Rz 51).
4. Kommt das FA --wie im Streitfall-- seiner Pflicht aus § 164 Abs. 3 Satz 3 AO nach Abschluss der Außenprüfung nicht nach, hat der Steuerpflichtige Anspruch auf Aufhebung des Vorbehalts und die Möglichkeit, dies durch einen Rechtsbehelf durchzusetzen (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 175, 391, BStBl II 1995, 2, und in BFH/NV 1995, 369; Seer in Tipke/Kruse, a.a.O., § 164 AO Rz 52; zweifelnd wohl Heuermann in HHSp, § 164 AO Rz 39). Fehl geht deshalb die Auffassung des FG, ließe man im Streitfall die Änderung des Bescheids nach § 164 Abs. 2 AO zu, hätte § 164 Abs. 3 Satz 3 AO keinerlei Bedeutung. Verzichtet der Steuerpflichtige auf die Einlegung des Rechtsbehelfs, ist es gerechtfertigt, ihn an der von ihm selbst mitverantworteten Rechtslage festzuhalten. Es ist ein allgemeiner Rechtsgrundsatz, dass Verfahrensfehler, die zu Rechtsverletzungen führen, von dem Betroffenen gerügt werden müssen (Scholtz, DStZ 1988, 459, 461).
Im Streitfall hat der Kläger die Aufhebung des Vorbehaltsvermerks mit Schreiben vom 9. Oktober 2007 zu einem Zeitpunkt beantragt, in dem ihm das FA bereits rechtliches Gehör wegen der beabsichtigten Änderung nach § 164 Abs. 2 Satz 1 AO gewährt hatte (vgl. Schreiben des FA vom 6. August 2007). Diesem verspätet gestellten Antrag brauchte das FA nicht mehr zu entsprechen. Nur Anträge auf Aufhebung des Vorbehaltsvermerks nach Abschluss der Außenprüfung, die gestellt werden, bevor die beabsichtigte Änderung der Steuerfestsetzung nach § 164 Abs. 2 AO dem Steuerpflichtigen bekannt wird, führen dazu, dass ein zur Aufhebung des Vorbehalts der Nachprüfung verpflichtendes Urteil auch zur Aufhebung eines zwischenzeitlich erlassenen Änderungsbescheids führt (vgl. hierzu auch Heuermann in HHSp, § 164 AO Rz 39).
5. Im Übrigen darf nicht außer acht gelassen werden, dass sich die von der Rechtsprechung vertretene Rechtsauffassung nicht einseitig zu Lasten des Steuerpflichtigen auswirkt. Sie kann ebenfalls dazu führen, dass Steuerbescheide, die nach Abschluss der Außenprüfung noch unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen, zugunsten des Steuerpflichtigen geändert werden können. So kann er neue Tatsachen oder Beweismittel, die zu einer niedrigeren Steuer führen, auch dann geltend machen, wenn ihn ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden trifft. Änderungen zu seinen Gunsten sind bei nachträglich ergangener günstigerer Rechtsprechung ebenfalls möglich.
6. Die Änderung ist in der Sache selbst unter den Beteiligten nicht streitig.
Fundstellen
Haufe-Index 2263986 |
BFH/NV 2010, 161 |
HFR 2010, 165 |