Leitsatz (amtlich)
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob an der bisherigen Rechtsprechung einer Verneinung der Kreditgewährung jedenfalls für den Fall festgehalten werden kann, daß der Verkäufer wegen vereinbarter Teilzahlung des Kaufpreises gemäß §§ 1, 1a AbzG gegen hierfür gesondert berechnete Teilzahlungszuschläge den Kaufpreis selbst kreditiert.
Normenkette
UStG 1967/1973 § 4 Nr. 8
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin, Antragstellerin und Beschwerdeführerin (Antragstellerin) betreibt den Einzelhandel mit Waren verschiedener Art im Versand und Stationärgeschäft. Sie verkauft Waren auch auf Teilzahlung gegen Zahlung von gesonderten Teilzahlungszuschlägen ohne Einschaltung einer Finanzierungsbank.
Der Verkaufskatalog der Antragstellerin enthält eine Übersicht gemäß § 1a Abs. 4 des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte (AbzG) i. d. F des Gesetzes vom 1. September 1969 (BGBl I 1969, 1541), aus der der Käufer anhand des Kaufpreises die Anzahlung und je nach gewünschter Teilzahlungszeit für 6 Monate, für
9 Monate, für 12 Monate, für 18 Monate, für 24 Monate, für 36 Monate und für 48 Monate die Höhe der Einzelraten und den Teilzahlungspreis ersehen kann.
Die den auf Teilzahlung kaufenden Kunden erteilten Rechnungen enthielten neben der Angabe des Katalogpreises eine gesonderte Abrechnung mit Zahlungsplan, in der die zu den Katalogpreisen hinzukommenden Teilzahlungszuschläge angegeben waren.
Die Antragstellerin berechnete ihren Kunden im Rahmen des Teilzahlungsgeschäfts im Streitjahr Teilzahlungszuschläge in Höhe von 2 114 403 DM, für die die sie die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 8 des Umsatzsteuergesetzes (UStG 1973) in Anspruch nahm.
Der Beklagte, Antragsgegner und Beschwerdegegner das Finanzamt (- FA -) ist der Auffassung, als Bemessungsgrundlage für die Umsatzsteuer sei der gesamte Kaufpreis samt Teilzahlungszuschlägen heranzuziehen, da es sich beim Verkauf auf Raten gegen Teilzahlungszuschläge um eine einheitliche Leistung der Antragstellerin gegen ein Gesamtentgelt (Kaufpreis und Teilzahlungszuschläge) handle, die nicht in einen Kauf und in eine Kreditgewährung aufgespalten werden könne.
Über die Klage, mit der die Antragstellerin ihren Rechtsstandpunkt weiterverfolgt, hat das Finanzgericht (FG) noch nicht entschieden.
Nachdem das FA den Antrag der Antragstellerin auf Aussetzung der Vollziehung abgelehnt hatte, wiederholte sie diesen beim FG. In seinem ablehnenden Beschluß hat das FG die Auffassung vertreten, es handle sich bei der in der Ratenzahlungsvereinbarung liegenden Kreditgewährung um ein unselbständiges Leistungselement der Warenlieferung. Gegen das Festhalten an der jahrzehntelangen Rechtsprechung bestünden keine ernstlichen Zweifel.
Mit der vom FG zugelassenen Beschwerde verfolgt die Antragstellerin Ihren Antrag auf Aussetzung der Vollziehung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Beschwerde der Antragstellerin ist begründet.
Es ist ernstlich zweifelhaft, ob an der bisherigen Rechtsprechung zum Begriff der Kreditgewährung jedenfalls für den Fall festgehalten werden kann, daß der Verkäufer wegen vereinbarter Teilzahlung des Kaufpreises gegen hierfür gesondert berechnete Teilzahlungszuschläge den Kaufpreis selbst kreditiert. Damit bedarf der Überprüfung, ob sich die Befreiung der Kreditgewährung gemäß § 4 Nr. 8 UStG 1973 auf den sog. Geldkredit, wie die herrschende Meinung annimmt, beschränkt, oder auch den Warenkredit in Gestalt der Bewilligung von Ratenzahlungen gegen Teilzahlungszuschläge erfaßt.
1. Auszugehen ist davon, daß der Verkäufer in Fällen der vorliegenden Art zwei Leistungen erbringt, und zwar einerseits die Warenlieferung und andererseits die Bewilligung der Teilzahlung (sonstige Leistung) gegen jeweils gesondert vereinbartes und berechnetes Entgelt. Diese beiden Leistungen, können weder nach dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Leistung noch nach den Grundsätzen von Haupt- und Nebenleistung so miteinander verschmolzen werden, daß als (einzige) Hauptleistung nur noch die Warenlieferung verbleibt mit der Folge, daß die Teilzahlungszuschläge Teil des Entgelts für die Warenlieferung sind.
Wie der Senat im Urteil vom 20. November 1975 V R 138/73 (BFHE 118, 99, BStBl II 1976, 307) entschieden hat, können zusammengehörige Vorgänge nicht allein deshalb als einheitliche Leistung angesehen werden, weil sie einem einheitlichen (wirtschaftlichen) Ziel dienen. Wenn mehrere, untereinander gleichzuwertende Faktoren zur Erreichung dieses Zieles beitragen und aus diesem Grunde zusammen gehören, ist die Annahme einer einheitlichen Leistung nur gerechtfertigt, wenn die einzelnen Faktoren so ineinander greifen, daß sie bei natürlicher Betrachtung hinter dem Ganzen zurücktreten (so z. B. eine Lieferung und die Bearbeitung des Liefergegenstandes durch den Lieferer, vgl. insoweit Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Oktober 1966 V 19/64, BFHE 87, 159, BStBl III 1967, 132, und vom 28. Mai 1963 V 201/60, Steuerrechtsprechung in Karteiform - StRK -, Umsatzsteuergesetz 1951, § 7 Abs. 3, Rechtsspruch 110, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 36 - HFR 1964, 36 -). Diese Voraussetzungen liegen beim Abzahlungsgeschäft moderner Prägung nicht vor.
2. Die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) hat als tragendes Argument für die Einheitlichkeit der Leistungen im vorliegenden Zusammenhang als maßgeblich die Einheitlichkeit des vom Käufer zu zahlenden Entgelts angesehen, weil er dieses insgesamt aufwenden müsse, um die Ware zu erhalten (vgl. Urteile vom 3. Juli 1928 V A 327/28, RFHE 24, 4, und vom 21. Juni 1940 V 14/39, RStBl 1940, 712). Aus dieser Sicht des § 39 der Durchführungsbestimmungen zum Umsatzsteuergesetz (UStDB) 1934 bzw. § 10 UStDB 1951 bzw. § 10 UStG 1967 kann aber die Frage, ob der Verkäufer eine oder zwei selbständige Leistungen erbringt, nicht beantwortet werden. Maßgeblich ist vielmehr auf die aus § 1 Abs. 1 UStG 1973 herzuleitende Entscheidung abzustellen, ob zwei selbständige Leistungen des auf Teilzahlung verkaufenden Verkäufers vorliegen. Im Urteil vom 3. Juli 1928 wird schließlich vom RFH die Befreiungsvorschrift für Kreditgewährungen (seinerzeit § 2 Nr. 2 UStG 1926) für unanwendbar erklärt, "weil sich diese nicht auf Warenkredit bezieht, sondern auf Kapitalkredit" , ohne daß diese Meinung näher begründet wird. RFH und BFH haben diese Rechtsprechung aus dem bereits dargestellten Gesichtspunkt, es liege ein einheitliches Entgelt vor, weitergeführt und demgegenüber die Frage der Einheitlichkeit oder Mehrheit der Leistungen vernachlässigt (vgl. RFH-Urteil vom 23. Juni 1939 V 421/37, RFHE 47, 88, und BFH-Urteile vom 22. Juli 1954 V 26/52 S, BFHE 59, 178, BStBl III 1954, 276; vom 29. November 1955 V 79/55 S, BFHE 62, 143, BStBl III 1956, 53, und vom 16. Dezember 1971 V R 2/69, BFHE 105, 178, BStBl II 1972, 508). Im Urteil in BFHE 59, 178, BStBl III 1954, 276 hat der BFH maßgeblich darauf abgestellt, daß eine einheitliche Leistung des Verkäufers deshalb vorliege, weil die Kreditgewährung erst den Kaufvertrag ermögliche. Der Käufer zahle deshalb für die Lieferung gegen Ratenzahlung ein einheitliches Entgelt. Im Urteil vom 9. April 1970 V R 139/66 (BFHE 98, 570, BStBl II 1970, 509), dem zwar der Fall einer Teilzahlungsfinanzierung durch eine Finanzierungsbank zugrunde lag, hat der Senat dagegen als entscheidend für die Annahme einer einheitlichen Leistung des Warenverkäufers angesehen, daß die Finanzierungsgebühren, die der Käufer zu zahlen hatte, nicht gesondert ausgewiesen waren.
Durch die Einbeziehung der Finanzierungskosten in den Kaufpreis hätten die Partner des Kaufvertrages bekundet, daß sie ein einheitliches Rechtsgeschäft, den Kreditkauf, beabsichtigten, denn deutlicher als durch Bildung eines solchen Gesamtrechnungsbetrages hätten die Vertragspartner ihren Willen, das Kauf- und das Kreditgeschäft zu verschmelzen, nicht zum Ausdruck bringen können. Im Urteil vom 1. Oktober 1970 V R 49/70 (BFHE 100, 272, BStBl II 1971, 34) hat der Senat hieran festgehalten.
3. Diese Erwägungen zur einheitlichen Leistung bei Gewährung von Teilzahlung durch den Verkäufer gegen gesondert vereinbarte und berechnete Teilzahlungszuschläge konnten die veränderte Rechtslage, wie sie durch das Inkrafttreten des § 1a AbzG am 1. Juli 1970 (Gesetz vom 1. September 1969, BGBl I 1969, 1541) eingetreten ist, noch nicht berücksichtigen. Es ist nunmehr zwingend vorgeschrieben, daß die auf den Vertragsschluß gerichtete Willenserklärung des Käufers der schriftlichen Form bedarf und die Urkunde den Barzahlungspreis, den Teilzahlungspreis und den Betrag, die Zahl und die Fälligkeit der einzelnen Teilzahlungen enthalten muß. Fehlt eine dieser Angaben, so kommt der Vertrag erst mit der Übergabe der gekauften Sache an den Käufer zustande; jedoch wird dann nur eine Verbindlichkeit in Höhe des Barzahlungspreises begründet, den der Käufer dennoch in Raten zahlen kann. Diese zum Schutz des Abzahlungskäufers vorgenommene Änderung des Gesetzes betreffend die Abzahlungsgeschäfte, die ihm insbesondere die durch die Teilzahlung eintretende Mehrbelastung klar vor Augen führen soll, führt dazu, daß der Verkäufer stets gehalten ist, die erwähnten Angaben zu machen, da er sonst Gefahr läuft, für die Gewährung der Teilzahlung keinen Aufschlag in Gestalt der vereinbarten Zuschläge zu erhalten. Zivilrechtlich ist also vorgeschrieben, daß der Verkäufer neben dem Barzahlungspreis für den Fall der dem Käufer angebotenen Ratenzahlung den Preis für die Vereinbarung der Teilzahlung im Vertrag gesondert angeben muß. Die Antragstellerin ist hier bei der Gestaltung des Verkaufsprospekts so verfahren (vgl. § 1a Abs. 4 AbzG). Schon hieraus folgt, daß der Verkäufer nicht nur eine Ware liefert, für die der Barzahlungspreis anzugeben ist, sondern auch einen Kredit gewährt, für den er eine gesondert anzugebende Gegenleistung des Abzahlungskäufers fordert.
Diese auch im Vertrag festgehaltene Trennung ist somit seit dem Inkrafttreten des § 1a AbzG nicht mehr eine Folge freier Parteivereinbarung, sondern gesetzlich zwingend vorgeschrieben . Für den Käufer wird damit klar ersichtlich, daß er sowohl für die Warenlieferung als auch für die in der Teilzahlungsabrede liegende Kreditgewährung durch den Verkäufer jeweils einen gesondert errechneten und ersichtlichen Preis bezahlen muß. Weder aus der Sicht der Beteiligten noch aus der Gestaltung des vom Teilzahlungskäufer insgesamt zu zahlenden Preises läßt sich daher auf eine einheitliche Leistung des selbst kreditierenden Abzahlungsverkäufers schließen.
Der Gesichtspunkt, daß die Kreditgewährung erst den Kaufvertrag ermögliche, so daß hieraus eine einheitliche Leistung des Verkäufers abzuleiten sei (BFHE 59, 178, BStBl III 1954, 276), kann angesichts dieser Entwicklung zur rechtlich zwingenden vertraglichen Ausgestaltung des sog. Konsumentenkredits in Form des Abzahlungsgeschäfts in dieser Allgemeinheit nicht mehr aufrechterhalten werden. Zum einen widmen sich die Teilzahlungsbanken der Finanzierung von Abzahlungsgeschäften in Zusammenarbeit mit den Verkäufern (sog. B-Geschäft). Die Kreditgewährung durch den Verkäufer selbst ist also längst nicht mehr unabdingbare Voraussetzung für das Zustandekommen eines Abzahlungsvertrages. Zum anderen gewähren diese Teilzahlungsbanken und auch seit vielen Jahren die Geschäftsbanken und Sparkassen, wie gerichtsbekannt ist, Konsumentenkredite in Gestalt von sog. Personalkrediten, mit deren Hilfe die Kreditnehmer sodann den Kaufpreis sofort bezahlen können. Die Kreditgewährung durch den Verkäufer selbst stellt heute eher die Ausnahme dar und ist jedenfalls nicht unabdingbare Voraussetzung für das Zustandekommen eines Abzahlungsvertrages. Die Annahme einer einheitlichen Hauptleistung, die die Gewährung der Teilzahlung umsatzsteuerrechtlich mit der Folge konsumiert, daß die Teilzahlungszuschläge untrennbarer Teil des Entgelts für die Warenlieferung sind, hält der Senat jedenfalls bei Abzahlungsgeschäften i. S. des § 1a AbzG für ernstlich zweifelhaft.
4. Auch vermögen die Grundsätze über die Unselbständigkeit von Nebenleistungen im Verhältnis zu einer Hauptleistung eine einheitliche umsatzsteuerrechtliche Behandlung von Kaufvertrag und Kreditgewährung
(durch Teilzahlungsabrede) nicht zu rechtfertigen. Nach der Rechtsprechung des Senats (vgl. zuletzt Urteil vom 3. Juli 1980 V R 99/75, Umsatzsteuer-Rundschau 1980 S. 209 - UStR 1980, 209 - sowie Anmerkung von Weiß in UStR 1977, 179) setzt die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung voraus, daß sie im Vergleich zur Hauptleistung nebensächlich ist, mit ihr eng (im Sinne einer wirtschaftlich gerechtfertigten Abrundung und Ergänzung) zusammenhängt und üblicherweise in ihrem Gefolge vorkommt. Diese Voraussetzungen liegen bei der Kreditierung des Kaufpreises durch den Abzahlungsverkäufer nicht vor. Vielmehr stellen Lieferung der Ware und Kreditierung gegen jeweils gesondert berechnetes Entgelt zwei gesonderte, voneinander schon zivilrechtlich getrennte Hauptleistungen dar, die auch umsatzsteuerrechtlich gesondert zu betrachten sind. Die Kreditierung ist im Verhältnis zur Warenlieferung nicht nebensächlich. Der Abschluß der Teilzahlungsvereinbarung ist allein vom Willen des Käufers abhängig. Der Verkäufer fordert sie nicht, sondern bietet sie lediglich an. Die Teilzahlungsvereinbarung steht im alleinigen wirtschaftlichen Interesse des Käufers und betrifft nur die Art und Weise der Entgeltzahlung. Die Teilzahlungsvereinbarung ergänzt mithin nicht wirtschaftlich die Warenlieferung des Vekäufers, sondern die sich daraus ergebende Zahlungspflicht des Käufers. Die Verpflichtung des Verkäufers zur Warenlieferung wird durch die Teilzahlungsabrede weder abgerundet, ergänzt noch verbessert.
5. Die für den Rechtsstreit entscheidende Frage ist daher, ob in der Gewährung von Teilzahlungen durch den Verkäufer an den Abzahlungskäufer gegen gesondert berechnetes Entgelt gemäß § 1a AbzG eine steuerfreie Kreditgewährung i. S. von § 4 Nr. 8 UStG 1973 zu sehen ist. Diese Frage ist ernstlich zweifelhaft.
Seit jeher wird in Rechtsprechung und Literatur die Auffassung vertreten, daß die Steuerbefreiung von Kreditgewährungen nur den Kapitalkredit betreffe, nicht aber den Warenkredit. Danach ist unter Kreditgewährung i. S. der Befreiungsvorschrift "die Hingabe von Geld (Kapitalkredit) zur Nutzung mit dem Versprechen künftiger Rückzahlung seitens des Kreditnehmers" zu verstehen (so z. B. Plückebaum/Malitzky, Umsatzsteuergesetz -Mehrwertsteuer-, Kommentar, 10. Aufl., Bd. II/2, § 4 Nr. 8 Rz. 96/1). Diese Auffassung findet sich schon zum Umsatzsteuergesetz 1926 (§ 2 Nr. 2) bei Popitz (vgl. Popitz/Kloß/Grabower, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz 1926, 3. Aufl., Anm. III Nr. 1 d zu § 2 Nr. 2, S. 520), der auch die von vornherein vereinbarte Stundung des Kaufpreises als Warenkredit, der nicht steuerbefreit ist, ansieht: dagegen meint er, daß die nachträglich vereinbarte Stundung gegen Zinsen (vgl. auch § 452 und § 641 Abs. 2 BGB) wirtschaftlich dem Geldkredit gleichzustellen sei. Auch der Senat hat bislang den Begriff der Kreditgewährung so beurteilt (vgl. z. B. Urteil vom 19. März 1970 V R 137/69, BStBl II 1970, 602, StRK, Umsatzsteuergesetz 1951, § 4 Nr. 8, Rechtsspruch 23 mit weiteren Nachweisen). Im Schrifttum ist an dieser Auffassung zunehmend Kritik laut geworden (vgl. Görk in UStR 1967, 25, 26/27; Rohling in Der Betrieb 1978 S. 1903/1905 f. - DB 1978, 1903/1905 f. -; Rometsch in Betriebs-Berater 1979 S. 1493/1497 - BB 1979, 1493/1494 -, und Lippisch in Eckhardt/ Weiß, Kommentar zum Umsatzsteuergesetz 1967, Rdnr. 28 zu § 4 Nr. 8). Diese Autoren treten übereinstimmend für eine Gleichbehandlung des Warenkredits mit dem Kapitalkredit mit der Begründung ein, daß auch beim Warenkredit vorübergehend auf die Begleichung eines Zahlungsanspruchs verzichtet werde und der Käufer die ihm kreditierten Mittel anderweitig nutzen könne.
Der Senat hält die bislang vertretene Auffassung jedenfalls für den Bereich des Abzahlungsgeschäfts i. S. der §§ 1, 1a AbzG für ernstlich zweifelhaft. Der Gesetzeswortlaut des § 4 Nr. 8 UStG 1973 zwingt schon deswegen nicht zu der engen Interpretation, weil er von "Kreditgewährung" spricht, nicht dagegen von Darlehensgewährung i. S. des § 607 Abs. 1 BGB. Schon vom Wortlaut her ist "Kreditgewährung" der weitere Begriff. Kreditgewährung kann vorkommen in der Form der Gewährung eines Geldkredits, aber auch in der eines Warenkredits und zwar dort in der verschiedensten vertraglichen Gestaltung. Die Kreditierung kann z. B. von vornherein zwischen den Beteiligten eines Vertrages in Gestalt von bestimmten Fälligkeitsabreden oder einer Stundungsabrede vereinbart werden. Auch eine Teilzahlungsabrede im Rahmen eines Abzahlungsgeschäfts stellt eine Kreditgewährung durch den Verkäufer dar. Zivilrechtlich betrachtet besteht keine Notwendigkeit, solche "Kredite" in solche aufzuteilen, die Warenkredite sind, und solche, die als Darlehen i. S. des BGB aufzufassen sind, weil sich hieraus keine unterschiedlichen Rechtsfolgen ergeben.
Dies zeigt schon die Überlegung, daß z. B. ein großes Versandhaus seinen Kunden sog. Kreditkonten eröffnet und auf Antrag nach Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Kunden festlegt, bis zu welchem Betrag und unter welchen Bedingungen ein künftig kaufender Kunde zu Lasten des sog. Kreditkontos, also letztlich auf Teilzahlung, Waren einkaufen kann. Vom herkömmlichen Abzahlungsgeschäft unterscheidet sich eine solche Gestaltung nur dadurch, daß der Verkäufer schon vor Abgabe eines Kaufantrags durch den Kunden diesem einen bestimmten Kreditbetrag einräumt, über den dieser durch Käufe beim Versandhändler verfügen kann. Daß hier eine klare Trennung zwischen Kauf- und Kreditgeschäft vorliegt, liegt auf der Hand. Nicht anders können die Fälle zu beurteilen sein, in denen der Verkäufer dem Käufer zum Teilzahlungskauf oder zum Kauf gegen Stundung des Kaufpreises bestimmte Zahlungszeitpunkte gegen gesondert berechnetes Entgelt gewährt. Auch im zivilrechtlichen Schrifttum wird im übrigen im vorliegenden Zusammenhang von Kreditierung oder Kreditgewährung gesprochen (vgl. z. B. Westermann in Münchner Kommentar zum BGB, vor § 607 Rdnr. 10 und vor § 1 AbzG Rdnr. 3; ders., a.a.O., § 452 Rdnr. 4, sowie § 1 AbzG Rdnr. 7; Reich in Alternativkommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, vor AbzG Rdnr. 1).
Es erscheint auch nicht widerspruchsfrei, wenn z. B. Popitz (a.a.O.) zwar die von vornherein zwischen den Vertragspartnern vereinbarte Stundung als Warenkredit qualifiziert, der nicht steuerbefreit sei, während die nachträglich vereinbarte Stundung gegen Entgelt einen Geldkredit darstellen soll. Wenn umsatzsteuerrechtlich betrachtet das Wesen des Geldkredits in der Überlassung der Nutzung des Kapitals liegt, so erscheint es nicht überzeugend, dem den Fall nicht gleichzubehandeln, in dem die Nutzung durch Hingabe von Geld zwar nicht überlassen, aber durch die Einräumung von bestimmten, erst in der Zukunft liegenden Zahlungszeitpunkten eines Kaufpreises oder anderen Entgelts den Vertragspartnern des liefernden oder leistenden Unternehmers die Nutzung seines Kapitals, das er an sich sofort zur Begleichung aufwenden müßte, belassen wird. Wirtschaftlich macht dies keinen Unterschied. Dasselbe gilt für den Umstand, daß beim Warenkredit im umfassenden Sinn (Zahlung auf Ziel, vorherige oder nachherige Stundung, Gewährung von Ratenzahlung durch Teilzahlung oder Vereinbarung bestimmter Fälligkeitszeitpunkte) der Vertragspartner des liefernden oder leistenden Unternehmens zwar kein Kapital zurückbezahlt (wie beim Geldkredit), aber einen ihm kreditierten Betrag bezahlt, der an sich dem anderen Vertragsteil schon früher zugestanden hatte, wäre keine Kreditierung erfolgt. Es spricht daher vieles dafür, den von der Lieferung zu trennenden Warenkredit wie den Geldkredit zu behandeln, wenn die Beteiligten bei Vereinbarung des Kredits für die Kreditgewährung - in welcher Gestalt auch immer - ein gesondert zu zahlendes Entgelt vereinbaren. Freilich darf in solchen Fällen das für die Kreditierung in Ansatz gebrachte Entgelt nicht derart bemessen sein, daß sich in diesen Beträgen ein Teil des Kaufpreises versteckt. Anhaltspunkte dafür sind im vorliegenden Fall nicht gegeben.
Die Vollziehung des angefochtenen Bescheids war aus den vorstehenden Gründen bis zur rechtskräftigen Entscheidung der Klage auszusetzen.
Fundstellen
BStBl II 1981, 197 |
BFHE 1981, 147 |